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Amtsärztliche Untersuchung / Qualität und Aussagekraft des Gutachtens


Unseres Erachtens hat ein amtsärztliches Gutachten die Bedeutung eines Beweismittels, ihm können andere Beweismittel entgegen gestellt werden.
Selbstverständlich stellt ein Amtsarztgutachten keinen Verwaltungsakt dar und kann nicht mit einem Widerspruch angegriffen werden.
Man muss es mit der Kraft medizinischer Argumente widerlegen.

Gutachten des Personalärztlichen Dienstes der Hansestadt Hamburg

Oft gibt es Streit darüber, ob die Gutachten des Personalärztlichen Dienstes der FHH (bzw. in anderen Ländern: des Amtsarztes) inhaltlich und von ihrer Qualität her im Einzelfall eine hinreichende Grundlage für eine Entscheidung des Dienstherrn bieten.

Die Qualität der Arbeit des PÄD (Personalärztlicher Dienst) in Hamburg ist nicht unumstritten.
Einem Vergleich mit sonst (z. B. in Gerichtsverfahren) üblichen Gutachten halten seine Arbeiten oft nicht stand, jedenfalls in der sehr kurzen Form, die in aller Regel bekannt gegeben wird.
Dennoch hat es unter anderem auch das Bundesarbeitsgericht akzeptiert, dass der Personalärztliche Dienst für die Hansestadt Hamburg als Vertrauensarzt im Sinne von § 7 Abs. 2 BAT tätig ist (Urteil des BAG vom 07.11.02, 2 AZR 475/01).
Und man wird sagen müssen, dass sich in den letzten Jahres einiges verbessert hat.
Die Kritik kann sich ohnehin nicht gegen die dort tätigen Ärzte als einzelne Personen richten, sondern eher gegen die strukturellen Vorgaben, die dem PÄD für seine Tätigkeit offensichtlich nicht die besten Voraussetzungen gewährleisten.

Sie finden, wie bereits erwähnt, in den "Mitteilungen für die Verwaltung" der Hansestadt Hamburg im Jahrgang 2013 auf S. 2 ff. die "Verwaltungsvorschrift zu den §§ 26 ff. Beamtenstatusgesetz und §§ 41 ff. Hamburgisches Beamtengesetz", in der viele Einzelheiten erläutert werden.
Dort finden Sie auf Seite 3 unter der Überschrift "Anforderung von PÄD-Gutachten" einige Hinweise.
Auf S. 4 lautet der Text u. a. wie folgt:

"Das Gutachten muss Auskunft über die wesentlichen Feststellungen und Gründe des Ergebnisses der personalärztlichen Untersuchung geben. Dazu gehören grundsätzlich die aus dem Krankheitsbild und dem Krankheitsverlauf resultierenden Auswirkungen auf die dienstliche Leistungsfähigkeit. Einzelergebnisse der Anamnese, der Untersuchung, ergänzender Befunde und Diagnosen dürfen nur insoweit, als deren Kenntnis für die Entscheidung über die Dienstunfähigkeit erforderlich ist, an die anfordernde Stelle weitergegeben werden. Dieses ist von dem Gutachter in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen."


Generell lässt sich sagen, dass es immer wieder Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, ob die Meinung des Amtsarztes höhere Bedeutung hat als die des behandelnden Privatarztes.
Wenn eine Praxis sich aber - wie die des PÄD in Hamburg - über Jahrzehnte so entwickelt, dass stets nur kurze, nahezu formelhafte Texte geschrieben werden, dann muss es eigentlich Bedenken erwecken, dass die "Kurzgutachten" kaum eine plausible Herleitung des Ergebnisses enthalten.
Hier wird das Verwaltungsgericht Hamburg kritischer werden müssen!

Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholte Male Mindestanforderungen formuliert, denen die Gutachten genügen sollten. Falls Sie an dieser Frage ernsthaft interessiert sind, wählen Sie den Einstieg am besten so, dass Sie auf der Seite des Bundesverwaltungsgerichts das ganz wunderbar deutliche Urteil des Gerichts vom 19.03.15 zu dem Aktenzeichen 2 C 37.13 lesen.

Hier ein ähnlicher, früherer Beschluss:

Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.14 - BVerwG 2 B 49.12 - (Auszug):

1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob dem Dienstherrn Diagnosedaten in einem zur Feststellung der Dienstunfähigkeit eingeholten ärztlichen Gutachten mitgeteilt werden dürfen, lässt sich auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantworten.

Nach § 46a Abs. 2 BBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20.12.01 (BBG a.F., nunmehr § 48 Abs. 2 BBG) muss ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben (Urteil vom 28.06.1990 - BVerwG 2 C 18.89 - und Beschluss vom 20.01.11 - BVerwG 2 B 2.10).

Der Inhalt des Gutachtens richtet sich nach seinem Zweck. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F./§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Beamte muss bereits auf der Grundlage der Anordnung seiner ärztlichen Untersuchung nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen (Urteile vom 26.04.12 - BVerwG 2 C 17.10 und vom 30.05.13 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 20). Das darauf folgende Gutachten muss es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss - wie vorliegend - die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (Beschluss vom 20.01.11 - BVerwG 2 B 2.10).

Eine frühere Entscheidung

Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.01.11 - BVerwG 2 B 2.10 - (Auszug):

1.1
Die Frage, "welche Mindestanforderungen, auch im Interesse des Beamten selbst, an ein amtsärztliches Zeugnis zu stellen sind, welches als Grundlage für ein Zwangspensionierungsverfahren dient",
lässt sich, soweit sie einer abstrakten Beantwortung zugänglich ist, ohne weiteres anhand des Gesetzestexts beantworten.

Nach Art. 60 a Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 27.08.1998 (BayBG a.F.) muss ein im Zwangspensionierungsverfahren (Art. 58 BayBG a.F.) verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, allerdings nur soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist (vgl. auch § 48 Abs. 2 Satz 1 BBG sowie Art. 67 Abs. 1 BayBG vom 29.07.08).

Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt (Urteil vom 28.06.1990 - BVerwG 2 C 18.89) weiter auszuüben. Wie detailliert die Ausführungen sein müssen, ist im Hinblick auf die Funktion des Gutachtens zu beantworten.
Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zwangspensionierungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (Art. 56 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F.) und ggf. welche Folgerungen aus einer bestehenden Dienstunfähigkeit zu ziehen sind (etwa: Reduzierung der Arbeitszeit, Übertragung eines anderen Amtes derselben, einer entsprechenden gleichwertigen oder einer anderen Laufbahn oder Versetzung in den Ruhestand, vgl. Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F.).
Zugleich muss das Gutachten es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Amtsarztes bzw. mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen und sie ggf. substantiiert anzugreifen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Dabei sind Verweise auf an anderer Stelle erhobene Befunde bzw. formulierte Bewertungen zulässig, wenn deutlich wird, in welchem Umfang sich der Amtsarzt ihnen anschließt. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, kann allerdings nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.

Ob die im vorliegenden Fall maßgeblichen amtsärztlichen Stellungnahmen diesen Anforderungen in vollem Umfang gerecht werden oder ob sie zu wenig detailliert sind, um ihre Funktion erfüllen zu können, ist indes keine Frage, die mit der Grundsatzrüge zur Entscheidung gestellt werden kann.


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