Psychische Probleme des Einzelnen oder gezieltes Mobbing?
Die Untersuchung beim Amtsarzt bzw. Personalarzt muss ein Beamter, dessen Dienstunfähigkeit für möglich gehalten wird, auch dann erdulden, wenn psychische Probleme gemutmaßt werden.
Hier ergeben sich vielfältige Abgrenzungsschwierigkeiten.
Liegt eine Leistungsschwäche vor oder Faulheit?
Ist das Verhalten des Beamten ungewöhnlich oder mobben ihn die Kollegen und stellen unzutreffende Behauptungen auf?
Fälle dieser Art sind sehr schwierig zu handhaben. Da wir nicht glauben, dass die Justiz (im weitesten Sinne) trotz aller Bemühungen nur sehr selten eine wirkliche Lösung anzubieten hat, werden wir in Fällen dieser Art nicht tätig.
OVG Münster, Beschluss vom 30.05.07 - 1 B 717/07 -
Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung einer amtsärztlichen Untersuchung in einem Fall, in dem Zweifel an der Dienstfähigkeit einer Beamtin darin begründet sind, dass sie sich unter erkennbarem Realitätsverlust Mobbinghandlungen seitens aller Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt sieht.Der Dienstherr ordnete die amtsärztliche Untersuchung einer Beamtin an. Zweifel an der Dienstfähigkeit stützte der Dienstherr darauf, dass die Beamtin u. a. nicht mehr in der Lage sei, ihr Handeln (z. B. Werfen mit Kugelschreiber auf Kollegen oder von Gegenständen an die Bürowand, weit überhöhte Geschwindigkeit mit dem Kfz auf dem Behördenparkplatz unter konkreter Gefährdung von Kollegen) realitätsgerecht zur Kenntnis zu nehmen. Die Beamtin stritt sämtliche Vorwürfe ab und sah sowohl die Vorwürfe als auch die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung als gezieltes Mobbing seitens aller Kollegen und Vorgesetzten an.
Ihr Aussetzungsantrag und ihre nachfolgende Beschwerde hatten keinen Erfolg.
Das Gericht spricht in seiner Entscheidung zunächst prozessuale Probleme an, die wir hier aber übergehen.
Zur Zeit ist es fraglich, ob Untersuchungsanordnungen überhaupt vor Gericht angreifbar sind.
In der Sache tritt das Gericht der Sichtweise der Beamtin entgegen:
Die Beamtin wendet ein, das VG habe sich mit ihrem Vortrag, dass sie Mobbinghandlungen seitens ihrer Kollegen
und Vorgesetzten ausgesetzt sei, nicht befasst und deswegen zu Unrecht
angenommen, die amtsärztliche Untersuchung sei zumutbar und nicht diskriminierend.In der Sache tritt das Gericht der Sichtweise der Beamtin entgegen:
Diese Argumentation blendet die im konkreten Fall gegebenen und im Verhalten der Antragstellerin ausreichend begründeten Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit vollständig aus. ...
Selbst wenn der Antragstellerin zugestanden wird, dass eine Untersuchungsanordnung ihre persönliche Rechtssphäre nicht unwesentlich berührt, ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in ihrem Fall im Ergebnis nicht veranlasst.
Zum einen ist Gegenstand der angegriffenen Maßnahme (zunächst nur) eine "normale" amtsärztliche Untersuchung zur Frage der Dienstfähigkeit und (noch) keine die Beamtin unter Umständen in besonderer Weise belastende und in ihrer Rechtssphäre betreffende psychiatrische (Zusatz-) Untersuchung. Hiervon hat der Dienstherr ausdrücklich Abstand genommen, soweit keine weiteren amtsärztlich begründeten Anhaltspunkte vorliegen.
Zum anderen kommt hinzu, dass auf der Grundlage einer vom Gericht vorgenommenen, eingehenden rechtlichen und tatsächlichen Prüfung alles dafür spricht, dass die von der Antragstellerin beanstandete Maßnahme auch in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren Bestand haben wird.
Greifbare Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der an die Beamtin gerichteten Anordnung ergeben sich nicht.
Eine derartige Anordnung, sich zur Überprüfung der Dienstfähigkeit amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist im Allgemeinen bereits dann gerechtfertigt, wenn sich beim Dienstherrn vorhandene Zweifel über die Dienstunfähigkeit eines Beamten auf konkrete Umstände stützen lassen und nicht "aus der Luft gegriffen" sind. Einer Überzeugung der Behörde, dass der Beamte dienstunfähig ist, bedarf es demgegenüber nicht - erst recht keiner medizinisch abgesicherten. Ob die Zweifel des Dienstherrn an der Dienstfähigkeit berechtigt oder begründet sind, soll vielmehr erst durch die Untersuchung geklärt werden.
Diesbezüglich ist der Beamte aus dem beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer auf eine solche Untersuchung gerichteten Anordnung des Dienstherrn kann sich daher regelmäßig nicht darauf erstrecken, den Berechtigungsgrad der Zweifel zu ergründen. Denn dies würde sinnwidrig auf die Vorwegnahme des ärztlichen Untersuchungsergebnisses abzielen.
Die Aufforderung an den Beamten, sich wegen Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, kann infolgedessen von den Verwaltungsgerichten nur darauf überprüft werden, ob sie ermessensfehlerhaft, insbesondere willkürlich ist und ggf. die Grundsätze des Übermaßverbotes verletzt.
Es ist für die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung dem Grund nach nicht erheblich, ob der Vortrag der Antragstellerin zutrifft, dass sie Mobbinghandlungen von Seiten ihrer Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt ist und welche Folgen dies für ihren Gesundheitszustand, namentlich ihre Dienstfähigkeit hat.
Ziel der amtsärztlichen Untersuchung ist es lediglich festzustellen, ob die Beamtin dienstfähig ist. Aus welchen Gründen dies etwa nicht der Fall ist, bleibt für die Berechtigung der angeordneten Untersuchung ohne Bedeutung.
Unabhängig davon, wie sich die Vorkommnisse abgespielt haben, bieten allein die Reaktionen der Antragstellerin auf die von ihr als Mobbing empfundenen Maßnahmen ausreichend Anhaltspunkte, die dem Dienstherrn gerade aus wohlverstandener Fürsorge für die Beamtin Anlass geben mussten, sie amtsärztlich auf ihre Dienst(un)fähigkelt untersuchen zu lassen. Nachhaltige Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit ergeben sich nämlich bereits auf der Grundlage des Verhaltens der Antragstellerin, das sie als Reaktion auf die aus ihrer Sicht beeinträchtigenden Verhaltensweisen ihrer Kollegen und damit in (vermeintlicher) Wahrnehmung ihrer Rechte an den Tag gelegt hat. Es entfernt sich als unangemessen und überzogen weit von der ihr obliegenden, sich aus § 57 S. 3 NWBG ergebenden Verpflichtung. Danach muss das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Sollte es nicht als (vorsätzlich und) schuldhaft begangen zu bewerten sein, lässt sich das in Rede stehende Verhalten der Antragstellerin (nur) noch durch eher schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen einschließlich fehlender Krankheitseinsicht mit den entsprechenden Folgewirkungen auf die Dienstfähigkeit erklären. Der Senat weist in diesem Zusammenhang exemplarisch auf die folgenden Ausführungen der Antragstellerin in mehreren von ihr persönlich verfassten Schreiben hin:
... der Inhalt des Widerspruchsbescheids sei völlig absurd und befremdend. Die Begründung des Amtsleiters sei makaber. Die Behauptungen seien völlig haltlos, schlichtweg unzutreffend, absolut unwahr, frei erfunden. .... Angesichts der in ihm enthaltenen ungeheuerlichen, intriganten Erfindungen und Lügen ihre Person betreffend schlage dies dem Fass des Unerträglichen völlig den Boden aus. ... Für ihre an Infamie, Dummdreistigkeit, Widerwärtigkeit, Ekelhaftigkeit und Abenteuerlichkeit nicht zu überbietende Erfindungsgabe hätten die Verfasser die Note 1+ verdient. Die Dummdreistigkeit, zu behaupten zu wagen, man fühle sich von ihr bedroht, suche ihres gleichen und sei an Aberwitz nicht zu übertreffen. Sie schäme sich mittlerweile zutiefst für ihre Kolleg(in)en und Vorgesetzten, die an den Intrigen und Lügen beteiligt seien; sie täten ihr leid.
Ihre Vorgesetzten und Kollegen würden versuchen, "den Spieß umzudrehen", um sich von ihrem eigenen Fehlverhalten und Versagen reinzuwaschen. Wer dermaßen absurde Schutzbehauptungen nötig habe, müsse allen Grund für ein äußerst schlechtes Gewissen haben. Nicht ihr, sondern ihren Vorgesetzten und Kollegen mangele es an Sozialkompetenz.
...
Bereits diese konkreten Umstände im Verhalten der Antragstellerin geben berechtigten Anlass zu Zweifeln an ihrer Dienstfähigkeit; bloße Behauptungen "ins Blaue hinein" stellt ihr Dienstherr ersichtlich nicht auf. Über die der Antragstellerin zustehende Wahrung eigener Rechte, sofern sie von ihr als Mobbing empfundene Verhaltensweisen ihrer Kollegen und Vorgesetzten abzuwehren versucht, geht ihr Gebaren ersichtlich hinaus; ...
Auf den erkennbar werdenden Realitätsverlust und die mangelnde Reflektionsfähigkeit hinsichtlich der eigenen Handlungsweisen hat der Dienstherr bereits im Widerspruchsbescheid und in ihrer Antragserwiderung hingewiesen; der Senat teilt diese allen Anlass zur amtsärztlichen Überprüfung der Dienstfähigkeit gebende Einschätzung.