Startseite ⁄ Disziplinarrecht ⁄ Dienstvergehen ⁄ sexuell motiviertes Fehlverhalten ⁄ Problem Kinderpornographie ⁄ OVG Lüneburg 2005
Disziplinarrecht: Besitz kinderpornografischer Bilder als Dienstvergehen

OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.02.05, 1 NDH M 10/04

Lehrer, die sich kinderpornografische Bilddateien verschaffen, diese besitzen oder gar versenden, sind in aller Regel aus dem Dienst zu entfernen, ...

Die Entscheidung betrifft im Kern die Frage einer vorläufigen Dienstenthebung nach der NDO, dem früheren Disziplinarrecht des Landes Niedersachsen.
Wir stellen sie Ihnen hier wegen der Bewertung der Schwere des außerdienstlich begangenen Dienstvergehens vor.

Das Gericht hält - in zweiter Instanz - die Suspendierung für gerechtfertigt. Dies bedeutet auch, dass der Beamte mit Abschluss des Verfahrens voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden wird:

"Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller durch den Besitz kinderpornografischer Bilddateien und das Versenden von Bilddateien, die pornographische Abbildungen von Kindern oder jungen Mädchen enthalten, ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das zu seiner Entfernung aus dem Dienst führen wird.

Bei einer polizeilichen Durchsuchung sind auf der Festplatte des häuslichen PC des Beamten neun Bilddateien sichergestellt worden, die kinderpornografische Abbildungen enthielten. Fünf der Dateien waren bereits gelöscht, konnten aber neu erstellt werden.
Durch die Besitzverschaffung und den Besitz an diesen Bilddateien hat sich der Beamte ... gemäß § 184 b Abs. 4 StGB strafbar gemacht. Dem kann der Beamte nicht entgegenhalten, die Bilddateien seien ihm unaufgefordert per Email zugesandt worden. Er habe sie auch nicht willentlich abgespeichert, vielmehr sei die Speicherung im Systemverzeichnis “Eigene Dateien/Eigene Bilder“ beim Öffnen der Dateien automatisch und ohne sein Zutun erfolgt. Diese Behauptung ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht glaubhaft.

Bilddateien, die einem Internetnutzer per Email zugehen, werden zwar beim Öffnen der Dateien automatisch auf der Festplatte des PC abgespeichert. Die Speicherung erfolgt jedoch in einem Zwischenspeicher und nicht in dem Verzeichnis “Eigene Dateien/Eigene Bilder“, wenn die Voreinstellung des PC nicht verändert worden ist. Da die kinderpornografischen Dateien nach dem Bericht der Polizei in dem Verzeichnis “Eigene Dateien/Eigene Bilder“ aufgefunden worden sind, muss der Beamte sie entgegen seiner Behauptung willentlich in diesem Verzeichnis abgespeichert oder die Voreinstellung seines PC so verändert haben, dass die ihm per Email zugegangenen Bilddateien beim Öffnen automatisch in diesem Verzeichnis gespeichert worden sind. Daher ist mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass sich der Beamte den Besitz an den kinderpornografischen Bilddateien willentlich verschafft hat. Denn die Besitzverschaffung wäre ihm auch im Falle der Veränderung der Voreinstellung seines PC zuzurechnen.

Der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte ist des Weiteren zu entnehmen, dass der Beamte Dateien, die pornografische Abbildungen junger Mädchen enthalten, an verschiedene Email-Adressen versandt hat. Dadurch dürfte er sich wegen des Verbreitens kinderpornografischer Schriften nach § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben. Die Disziplinarkammer hat sich zwar außerstande gesehen, das Alter der abgebildeten Mädchen exakt zu bestimmen. Der Senat hält es jedoch für hinreichend wahrscheinlich, dass die Bilddateien unter 14 Jahre alte Mädchen, d. h. Kinder i. S. d. §§ 184 b Abs. 1 Nr. 1, 176 Abs. 1 StGB, zeigen.


Durch den Besitz und das Versenden der Bilddateien hat der Beamte eklatant gegen die Pflicht verstoßen, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so einzurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert.
Zu den Dienstpflichten der Lehrer, die den umfassenden Bildungsauftrag der Schule zu erfüllen haben, gehört nicht nur der Unterricht, sondern auch die Erziehung der ihnen anvertrauten Schüler. Die Lehrer sollen die Schüler mit dem geltenden Wertesystem und den Moralvorstellungen der Gesellschaft bekannt machen und sie zu deren Einhaltung anhalten. Damit der Erziehungsauftrag mit der notwendigen Überzeugung und Glaubwürdigkeit erfüllt werden kann, ist von einem Lehrer eine besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auf sittlichem Gebiet zu verlangen. Dieser Anforderung wird ein Lehrer nicht gerecht, wenn er gravierend gegen geltende Moralvorstellungen verstößt, weil er sich dadurch als Erzieher und Vorbild der ihm anvertrauten Schüler untragbar macht. Daher stellen sowohl der Besitz an kinderpornografischen Bilddateien als auch das Versenden von kinderpornografischen Abbildungen oder Abbildungen im Grenzbereich zur Kinderpornografie schwere Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes dar.

Angesichts der eingangs beschriebenen Dienstpflichten ist gerade von einem Lehrer zu erwarten, dass er nicht gegen Strafbestimmungen verstößt, die zum Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Kindern erlassen worden sind. Denn ein entsprechendes Verhalten ist nicht nur strafbar, sondern auch sittenwidrig, hochgradig sozialschädlich und besonders verwerflich. Außerdem trägt der Besitz kinderpornographischer Darstellungen mittelbar dazu bei, dass Kinder sexuell missbraucht werden, weil die Nachfrage nach kinderpornografischen Abbildungen immer wieder den Anreiz schafft, derartige Bilder herzustellen und dazu Kinder sexuell zu missbrauchen (vgl. BVerwGE 111, 291). Daher beweist ein Lehrer, der sich kinderpornografische Abbildungen verschafft, diese besitzt oder gar versendet, gravierende Persönlichkeitsmängel und zerstört regelmäßig das Vertrauen des Dienstherrn, der Schüler und ihrer Eltern in seine Zuverlässigkeit und moralische Integrität von Grund auf. Folglich führt ein solches Fehlverhalten bei Lehrern in aller Regel zu ihrer Entlassung aus dem Dienst. Das gilt nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auch im vorliegenden Fall, weil besondere Umstände, die ausnahmsweise eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind.

Der Disziplinarkammer ist darin zuzustimmen, dass sich pädophile Neigungen des Antragstellers nicht hinreichend sicher ausschließen lassen. Auch kann von einem einmaligen Versagen keine Rede sein, weil dem Beamten nicht nur der Besitz, sondern auch das Verbreiten kinderpornografischer Bilddateien zur Last zu legen ist. Dem kann der Beamte nicht entgegenhalten, er habe die Bilddateien nur versandt, um nicht durch weitere Anfragen nach derartigen Dateien belästigt zu werden. Denn diese Einlassung erscheint dem Senat nicht glaubhaft und ist daher als bloße Schutzbehauptung zu werten.

An der disziplinarischen Bewertung des Fehlverhaltens des Antragstellers würde sich im Übrigen aber auch dann nichts ändern, wenn die vom Beamten versandten Bilddateien nicht Kinder, sondern Jugendliche zeigen sollten. In diesem Fall wäre das Versenden der Dateien zwar nicht strafbar. Die Disziplinarkammer hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Versenden der Bilddateien auch dann, wenn es strafrechtlich nicht relevant sein sollte, ein erhebliches disziplinarisches Gewicht zukäme. Denn das Versenden von Bildern im Grenzbereich zur Kinderpornografie ist ebenfalls geeignet, das Vertrauen, das der Dienstherrn, die Schüler und ihre Eltern einem Lehrer entgegenbringen müssen, nachhaltig zu zerstören. Daher ist hinreichend sicher, dass der Beamte auch dann aus dem Dienst zu entfernen wäre, wenn die von ihm versandten Bilddateien keine Kinder, sondern Minderjährige jugendlichen Alters zeigen sollten.


Damit liegen nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand die Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers vor."



Auch in der Sache 20 LD 3/08 des OVG Lüneburg (Urteil vom 22.06.10) wurde wegen des Besitzes kinderpornografischer Dateien auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt (9 Dateien empfangen, wenige Dateien versandt, Lehrer).
Es muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass das Bundesverwaltungsgericht am 18.06.15 seine Rechtsprechung hin zu mehr Strenge verändert hat.
Wir schlagen deshalb vor, dass Sie diese Seite verlassen, indem Sie dem Link zu den neueren Entscheidungen folgen:
Disziplinarrecht / Übersicht Dienstvergehen / Übersicht
A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
B. Beispiele Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Anabolika Arbeitszeitbetrug Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Chatgruppen Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Betäubungsmittel / Soldat Eigentumsdelikt im Dienst fehlerhafte Arbeitsweise Drogenerwerb Flucht in die Öffentlichkeit Gesunderhaltungspflicht Impfpflicht / Soldaten / Beamte Internetauftritt Kinderpornografie / Übersicht Körperverletzung im Amt Meineid Nebentätigkeit Nichtbefolgen von Weisung Reaktivierung abgelehnt
Sexuell gefärbtes Verhalten Sexuelle Verfehlungen / Übersicht Schutz der Privatsphäre sexuelle Handlung Lehrer Verhältnis Lehrer/Schülerin sexuelle Belästigung sexuelle Belästigung Verhältnis / Belästigung
Kinderpornografie Kinderpornografie / Übersicht Strafgesetzbuch Posing-Darstellungen Entfernung aus dem Dienst droht Verfahrensrechtliches Besitz von Bilddateien Bundesverwaltungsgericht weit zurückliegende Tat/ Alkohol veraltete Entscheidungen BVerwG BVerwG 18.06.15/ Polizist VG Karlsruhe 2007 BVerfG 2008: Staatsanwalt VGH BW 2009: Lehrer
- Kindesmissbrauch BVerwG 25.03.10
Steuerhinterziehung Kein Streikrecht für Beamte Trunkenheitsfahrt Unfallflucht als Dienstvergehen Untreue, § 266 StGB Verfassungstreue Verrat von Dienstgeheimnissen Vorteilsnahme Vorteilsnahme 2 Zugriffsdelikte

Disziplinarrecht in Bund und Ländern: Bundesdisziplinarrecht Hamburg Disziplinarrecht Niedersachsen