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Streikende Beamte begehen ein Dienstvergehen.

Begehen Beamte, wenn sie streiken, ein Dienstvergehen?


Bekanntlich entschied das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 12.06.18 in der Sache – 2 BvR 1738/12 u. a. – über diese Frage. Also sollte Ihr Weg jetzt auf die Seite des Bundesverfassungsgerichts führen oder zum Beispiel zu dem Abdruck der Entscheidung in NVwZ 2017, 1121 ff. mit einer Anmerkung von Dr. Martin Stuttmann (aaO, S. 1136 ff.) oder in NJW 2018, 2695 ff.)

Das waren Meinungsäußerungen aus der juristischen Literatur. Für den praktizierenden Anwalt und seine Mandanten ist natürlich die Rechtsprechung oft wichtiger.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging die Diskussion weiter. Zu erwähnen sind u. a.
eine Besprechung des Urteils von Prof. Dr. Ulrich Battis in ZBR 2018, 289 ff.
eine Besprechung des Urteils von Dr. Torsten von Roetteken in ZBR 2018, 292 ff.
und eine ausführliche Besprechung des Urteils von Jürgen Lorse in ZBR 2018, 325 ff.

Hinzuweisen ist auch auf Helmut Lopacki "Disziplinarrechtliche Konsequenzen des beamtenrechtlichen Streikverbots",
in: ZBR 2020, 302 ff.

Die Rechtsprechung der Fachgerichte ist eindeutig.

Das Bndesverwaltungsgericht hat in mehreren Beschlüssen vom 26.02.15, darunter dem in der Sache - 2 B 6.15 -, seine Position ganz eindeutig klar gestellt und die entsprechende Entscheidung vom 27.02.14 ausdrücklich bestätigt:

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.02.15 - 2 B 6.15 -
Das Streikverbot für Beamte ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. d. Art. 33 Abs. 5 GG. Den Vorgaben des Art. 11 EMRK kann nicht durch eine konventionskonforme Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG, sondern nur durch den Gesetzgeber Rechnung getragen werden (wie BVerwG, Urteil vom 27.02.14 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117).


Am 27.02.14 erging das Urteil, auf welches sich der vorstehende Beschluss bezieht.
Aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zur Sache 2 C 1.13:


Beamtenrechtliches Streikverbot beansprucht weiterhin Geltung;
Gesetzgeber muss die Kollision mit der Europäischen Menschenrechtskonvention auflösen

Beamtete Lehrer dürfen sich auch weiterhin nicht an Streiks beteiligen, zu denen die Gewerkschaften ihre angestellten Kollegen aufrufen.
Die Klägerin, eine Lehrerin, die in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit dem beklagten Land stand, blieb im Jahr 2009 dreimal dem Unterricht fern, um an Warnstreiks teilzunehmen, zu denen die Gewerkschaft GEW während der auch von ihr geführten Tarifverhandlungen aufgerufen hatte.
Die Klägerin hatte ihr Fernbleiben der Schulleiterin angekündigt, die sie auf das beamtenrechtliche Streikverbot hingewiesen hatte.

Die Beklagte verhängte gegen die Klägerin durch Disziplinarverfügung eine Geldbuße von 1 500 € wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst. Die Anfechtungsklage ist in der Berufungsinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht erfolglos geblieben. Die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht dem Grunde nach zurückgewiesen; es hat jedoch die Geldbuße auf 300 € ermäßigt. Der Entscheidung liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Nach deutschem Verfassungsrecht gilt für alle Beamten unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich ein generelles statusbezogenes Streikverbot, das als hergebrachter Grundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG Verfassungsrang genießt. Dieses Streikverbot gilt auch für Beamte außerhalb des engeren Bereichs der Hoheitsverwaltung, der nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten vorbehalten ist. In der deutschen Rechtsordnung stellt das Streikverbot einen wesentlichen Bestandteil des in sich austarierten spezifisch beamtenrechtlichen Gefüges von Rechten und Pflichten dar. Es ist Sache der Dienstherren, diese Rechte und Pflichten unter Beachtung insbesondere der verfassungsrechtlichen Bindungen zu konkretisieren und die Arbeitsbedingungen der Beamten festzulegen.

Demgegenüber entnimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als authentischer Interpret der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) deren Art. 11 Abs. 1 ein Recht der Staatsbediensteten auf Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen und ein daran anknüpfendes Streikrecht. Diese Rechte können von den Mitgliedstaaten des Europarats nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK nur für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staatsverwaltung generell ausgeschlossen werden.
Nach der Rechtsprechung des EGMR gehören nur solche Staatsbedienstete - unabhängig von ihrem Rechtsstatus - der hoheitlichen Staatsverwaltung an, die an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt sind. Die deutschen öffentlichen Schulen und die dort unterrichtenden, je nach Bundesland teils beamteten, teils tarifbeschäftigten Lehrkräfte, gehören nicht zur Staatsverwaltung im Sinne der EMRK. Die Bundesrepublik ist völkervertrags- und verfassungsrechtlich verpflichtet, Art. 11 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR in der deutschen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen.
Damit enthält die deutsche Rechtsordnung derzeit einen inhaltlichen Widerspruch in Bezug auf das Recht auf Tarifverhandlungen und das Streikrecht derjenigen Beamten, die außerhalb der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind. Zur Auflösung dieser Kollisionslage zwischen deutschem Verfassungsrecht und der EMRK ist der Bundesgesetzgeber berufen, der nach Art. 33 Abs. 5, Art. 74 Nr. 27 GG das Statusrecht der Beamten zu regeln und fortzuentwickeln hat. Hierfür stehen ihm voraussichtlich verschiedene Möglichkeiten offen. So könnte er etwa die Bereiche der hoheitlichen Staatsverwaltung, für die ein generelles Streikverbot gilt, bestimmen und für die anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung die einseitige Regelungsbefugnis der Dienstherren zugunsten einer erweiterten Beteiligung der Berufsverbände der Beamten einschränken. Die Zuerkennung eines Streikrechts für die in diesen Bereichen tätigen Beamten würde einen Bedarf an Änderungen anderer, den Beamten günstiger Regelungen, etwa im Besoldungsrecht, nach sich ziehen.
Für die Übergangszeit bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung verbleibt es bei der Geltung des verfassungsunmittelbaren Streikverbots. Hierfür ist von Bedeutung, dass den Tarifabschlüssen für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes aufgrund des Alimentationsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 5 GG maßgebende Bedeutung für die Beamtenbesoldung zukommt. Die Besoldungsgesetzgeber im Bund und in den Ländern sind verfassungsrechtlich gehindert, die Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung, die in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck kommt, abzukoppeln.
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