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Disziplinarrecht der Beamten: Arbeitszeitbetrug

Relativ aktuelle Hinweis zu Rechtsprechung wegen Arbeitszeitbetrugs


Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Arbeitszeitbetrugs.
Eigentlich brauchen Sie nur die im Fettdruck hervorgehobene Passage in den Gründen des Beschlusses zu lesen, RN 3.
Für Kenner der Materie interessant könnte auch der weitere Text sein, da er Hinweeise zum prozessualen Vorgehen und zum Revisionsrecht enthält.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.06.23 - BVerwG 2 B 21.23 -

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2023 wird verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig.
2 1. Der 1963 geborene Beklagte ist Kriminaloberkommissar im Dienst des klagenden Landes. Im Mai 2019 leitete der Kläger gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs ein, setzte es aufgrund der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen vorläufig aus und dehnte es später auf weitere Zeiten aus. Durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wurde der Beklagte im April 2020 wegen Betrugs in 428 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Kläger setzte sodann das Disziplinarverfahren fort und erhob Disziplinarklage.

3 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten in das Amt eines Kriminalkommissars zurückgestuft.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte habe im Zeitraum von April 2010 bis Mai 2019 in 492 Fällen gegen seine Dienstpflicht verstoßen, Dienstbeginn und Dienstende an den Zeiterfassungssystemen in seiner jeweiligen Dienststelle festzuhalten. Er habe stattdessen an anderen Dienststellen insgesamt 10 540 Minuten, umgerechnet etwa 175,6 Stunden und damit über vier Wochen Arbeitszeit zu Unrecht gebucht. Damit habe er sich wegen Betrugs strafbar gemacht und gegen seine Gehorsamspflicht und seine Wohlverhaltens- und Wahrheitspflicht verstoßen. Bei einer Gesamtwürdigung sei er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

4 2. Die Beschwerde des Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungserfordernissen des § 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
5 a) Dies gilt zunächst für die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
6 Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt im Fall des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 m. w. N. und zuletzt vom 30. Mai 2022 - 2 B 10.22  - juris Rn. 5).
7 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde formuliert bereits keine - als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene - Frage, sondern macht - nach Art der Begründung eines zulassungsfreien Rechtsmittels - einzelfallbezogene Einwände gegen die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts geltend. Diese Einwände betreffen die Umstände des konkreten Einzelfalls und sind einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
8 b) Die Beschwerdebegründung genügt auch nicht den Darlegungsanforderungen für die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
9 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann i. S. d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13  - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3).
10 Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie erwähnt zwar mehrere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, benennt aber weder einen Rechtssatz dieser Entscheidungen noch einen hiervon abweichenden Rechtssatz des angefochtenen Berufungsurteils, sondern stellt lediglich einzelfallbezogene Erwägungen gegen die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts an.
11 c) Schließlich bezeichnet die Beschwerde auch keinen Verfahrensmangel (§ 67 Satz 1 LDG NRW i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Vorbringen enthält keine Ausführungen, die als Rüge eines Verfahrensfehlers verstanden werden können. Auch soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe sämtliche Fehlzeiten des Beklagten fehlerhaft "als wahr unterstellt", macht sie keinen Verfahrensfehler geltend - insbesondere keinen Verstoß gegen das Gebot fehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 VwGO) –, denn die weiteren Ausführungen machen deutlich, dass die Beschwerde auch hier nur die aus ihrer Sicht fehlerhafte Beweiswürdigung des Berufungsgerichts rügt.
12 Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Einhaltung der sich daraus ergebenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Denn damit wird ein (vermeintlicher) Fehler in der Beweiswürdigung angesprochen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen.
13 Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiell-rechtliche Norm betreffen. Rügefähig ist eine aktenwidrige, gegen die Denkgesetze verstoßende oder sonst von objektiver Willkür geprägte Sachverhaltswürdigung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <273 f.>; Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 B 13.08  - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 und vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07  - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 22 f.). Ein Denkfehler in diesem Sinne liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die tatrichterliche Würdigung auch anders hätte ausfallen können. Denkgesetze werden durch unrichtige Schlussfolgerungen nur dann verletzt, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt nur eine einzige Folgerung gezogen werden kann, jede andere Folgerung aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglich ist und das Gericht die allein mögliche Folgerung nicht gezogen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - 8 B 3.72  u. a. - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 28 und vom 6. März 2008 - 7 B 13.08  - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 Rn. 8).
14 Gegenstand einer Verfahrensrüge kann auch die Frage sein, ob das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt hat, etwa ob es gegen das Verbot selektiver Verwertung des Prozessstoffs (BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 - 9 C 91.89 - BVerwGE 85, 92 <95> und Beschluss vom 20. August 2003 - 1 B 463.02  - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 275 S. 100), ob es gegen das Gebot rationaler, um Objektivität bemühter Beurteilung verstoßen (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20) oder ob es den ihm gezogenen Beurteilungsrahmen überschritten hat, sei es dadurch, dass es von einem zweifelsfrei unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere ob es in das Verfahren eingeführte Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>), sei es, dass es gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze missachtet hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20; vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - 2 B 37.21  - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 100 Rn. 14 ff.).
15 Dass im Streitfall die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an einem derart qualifizierten Mangel leidet, zeigt die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise auf. Die Beschwerdebegründung ist vielmehr durchgängig dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts setzt. Dies genügt den Anforderungen für die Darlegung eines Verfahrensmangels nicht.
16 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus dem Gebührenverzeichnis ergibt (Anlage zu § 75 Satz 1 LDG NRW).
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A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
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B. Beispiele Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Anabolika Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Chatgruppen Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Drogenerwerb Betäubungsmittel / Soldat Eigentumsdelikt im Dienst fehlerhafte Arbeitsweise
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