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Disziplinarrecht: Ahndung des Dienstvergehens trotz Pensionierung?


Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung eindeutig entschieden, dass ein Disziplinarverfahren auch dann weiter geführt werden kann (und muss), wenn der Beamte während des Disziplinarverfahrens in den Ruhestand versetzt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch den Ruhestandsbeamten nach der Art des Dienstvergehens noch eine Sanktion treffen kann.
An die Stelle der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis tritt dann die Aberkennung des Ruhegehalts,
an die Stelle der Kürzung der Bezüge die Kürzung des Ruhegehalts.

Bei weniger bedeutsamen Verfehlungen wird man allerdings bei dem pensionierten Beamten von einer Ahndung absehen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 13.10.05 - 2 B 19.05 - dazu Stellung genommen, ob eine Pensionierung während eines laufenden Disziplinarverfahrens den Beamten davor rettet, dass ihm das Ruhegehalt aberkannt wird.

Das ist nicht der Fall:


1. Die Frage, ob die Ausübung der Disziplinarbefugnis dadurch verwirkt werden kann, dass der Dienstherr einen Beamten in Kenntnis eines Dienstvergehens in den Ruhestand versetzt, ist aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt:
Nach dieser Rechtsprechung findet der allgemeine Rechtsgrundsatz der Verwirkung auf die Ausübung der Disziplinarbefugnis keine Anwendung. Die disziplinarische Verfolgung von Dienstvergehen kann nicht durch Verwirkung oder Verzicht seitens des Dienstherrn ausgeschlossen werden. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Zweck der Disziplinarbefugnis nicht darin liegt, begangenes Unrecht zu vergelten. Vielmehr geht es darum, die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten. Demzufolge ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, ob ein Beamter nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist und falls dies zu bejahen ist, ob durch eine Disziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um den Eintritt der Untragbarkeit zu verhindern.

Zudem ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand die Ausübung der Disziplinarbefugnis nicht beeinträchtigt.
Denn auch Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte verfolgen den Zweck, die Integrität des Berufsbeamtentums zu wahren und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen.
Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität der Beamtenschaft zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter trotz eines erheblichen, während seiner aktiven Dienstzeit begangenen Dienstvergehens, durch das er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit zerstört hat, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen.
Auch gebietet der Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass ein Beamter, der nach Begehung einer schwerwiegenden Verfehlung in den Ruhestand tritt, nicht besser gestellt werden kann als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung bestätigt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.11.01, 2 BvR 2138/00, NVwZ 2002, 467).

Danach ist die weitere Ausübung der Disziplinarbefugnis auch dann geboten, wenn der Dienstherr einen Beamten in Kenntnis von dessen disziplinarrechtlichen Verfehlungen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Es gibt keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen der Ausübung der Disziplinarbefugnis und der Versetzung in den Ruhestand. Die Zurruhesetzung eines Beamten vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze hängt ausschließlich davon ab, ob dieser wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist.

Schließlich könnte die lange Dauer des Disziplinarverfahrens auch bei Anwendbarkeit des Verwirkungsgrundsatzes für sich genommen nicht zur Verwirkung der Ausübung der Disziplinarbefugnis führen. Nach der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts kann die lange Verfahrensdauer nicht mildernd berücksichtigt werden, wenn der Beamte durch sein Fehlverhalten untragbar geworden ist.

Ebenso schon Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.03.05 - BVerwG 1 D 15.04 .
Zur Ergänzung eine neuere Entscheidung, die in die gleiche Richtung geht:

Oberverwaltungsgericht NRW Urteil vom 20.12.12, 3d A 3330/07.O

Einer Entscheidung in der Sache steht nicht entgegen, dass die Beklagte während des Berufungsverfahrens in den Ruhestand versetzt worden ist und damit die vom Kläger mit der Disziplinarklage ursprünglich verfolgte, erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht verhängte Disziplinarmaßnahme der Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis aus statusrechtlichen Gründen unmöglich geworden ist.
Die Anpassung der Disziplinarklage an die Statusänderung setzt keine Klageänderung voraus, die im Übrigen aber auch als sachdienlich zuzulassen wäre (§ 91 Abs. 1 VwGO), weil der Streitstoff durch die Statusänderung nicht entscheidend verändert wird. § 59 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW beschränkt die Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts lediglich in der Weise, dass bei einer Disziplinarklage nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden dürfen, die dem Beamten mit der Disziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Der Disziplinarvorwurf ist von der Statusänderung nicht berührt.
Ansonsten kann das Gericht in dem Urteil auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme erkennen (§ 59 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDG NRW). Dies ist bei einem Ruhestandsbeamten entweder die Kürzung des Ruhegehalts oder die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 5 Abs. 2 LDG NRW). Wenn im zweitinstanzlichen Verfahren mit der Versetzung in den Ruhestand eine Statusänderung wirksam wird, ist dem durch das Berufungsgericht Rechnung zu tragen.
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