Disziplinarrecht: Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens
Hier geht es eigentlich nur um die Ordnung der Verfahrensabläufe bei einer Vielzahl von Dienstvergehen eines einzelnen Beamten.
Mehrere Pflichtverletzungen eines Beamten bilden, wenn sie zeitgleich verfolgt werden, nach der im Disziplinarrecht herrschenden Auffassung ein einheitliches Dienstvergehen.
Dies bedeutet,
- dass sie grundsätzlich in einem einzigen Verfahren zu verfolgen sind und
- dass nicht für jede einzelne Pflichtverletzung eine Disziplinarmaßnahme bestimmt, sondern nur eine einheitliche Disziplinarmaßnahme verhängt werden soll.
Nur durch eine Gesamtbewertung aller angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen kann - nach allgemeiner Ansicht - die im Disziplinarverfahren gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beamten vorgenommen und kann die Frage beantwortet werden, ob das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten endgültig zerstört und dieser deshalb aus dem Dienst zu entfernen ist.
Sofern Sie dieses Problem wirklich interessiert, empfehlen wir Ihnen den Einstieg über eine Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 14.11.16, die sich zwar unmittelbar auf das Landesrecht bezieht, aber allgemein gültige Grundsätze darstellt.
Ausnahmen vom Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens bzw. des Verfahrens
Nach neuerer Auffassung gibt es verschiedene Durchbrechungen des früher "ehernen" Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens. Eine Veränderung der Rechtslage ergab sich insbesondere durch das neue Bundesdisziplinargesetz.So erlauben §§ 19 und 56 BDG Beschränkungen des Disziplinarverfahrens, indem solche Handlungen ausgeschieden werden können, die nach Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen würden.
Die Rechtsprechung hat dies zum Beispiel wie folgt formuliert:
"Wiegt schon eine der dem Beamten vorgeworfenen und erwiesenen Dienstpflichtverletzungen so schwer, dass sie für sich genommen die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt, bedarf es der ergänzenden Hinzuziehung und Aufklärung weiterer im Raum stehender Pflichtverletzungen nicht mehr, da die darin enthaltenen Vorwürfe - sofern zulässig erhoben und erwiesen - allenfalls geeignet wären, das bisher bereits gewonnene und eine Dienstentfernung rechtfertigende Gesamturteil über die Persönlichkeit des Beamten zu bestätigen."
Dadurch wird das Disziplinarverfahren schlanker gestaltet. Es führt schneller zu dem für den Beamten ungünstigen Ziel der Entfernung aus dem Dienst.
Doch kann es auch für den Beamten günstigere Konstellationen geben, etwa dann, wenn eine Bestrafung in einem Strafverfahren bereits erfolgt ist, die eine ergänzende Disziplinarmaßnahme eigentlich ausschließen würde, wenn es da nicht einen disziplinaren Überhang gäbe, also ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten, das im Strafverfahren nicht geahndet wurde, weil es nicht den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, also nicht strafbar ist.
Bei dieser Konstellation hat zum Beispiel
das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in einem Urteil vom 03.07.09 - 12 Bf 71/09.F - entschieden:
"1. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Lebenssachverhalt, in dem ein einheitliches Dienstvergehen liegt, über den Sachverhalt hinausgeht, der Gegenstand des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts war, so dass es an einer Sachverhaltsidentität im Sinne des § 16 Abs. 1 HmbDG fehlt. [Anmerkung: es liegt also ein disziplinarischer Überhang vor.]
§ 16 Abs. 1 HmbDG enthält in unterschiedlicher Stärke geregelte Einschränkungen für doppelte Sanktionierungen von Dienstvergehen eines Beamten. Um zu verhindern, dass die Schutzfunktion dieses Maßnahmenverbots durch Einbeziehung strafrechtlich nicht geahndeter Bagatelldelikte ins Disziplinarverfahren weitgehend vereitelt wird, hat die Rechtsprechung zur entsprechenden bundesrechtlichen Vorschrift des § 14 BDO (jetzt § 14 Abs. 1 BDG) Ausnahmen vom Grundsatz des einheitlichen Dienstvergehens entwickelt. So lässt sich eine Ausnahme vom Einheitsgrundsatz dann rechtfertigen, wenn einzelne Pflichtverletzungen in keinem irgendwie gearteten zeitlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der anderen Verfehlung stehen und damit eine gewisse Selbständigkeit haben. Diese Konstellation liegt im vorliegenden Fall indes nicht vor, ...
Entsprechendes kann aber auch dann gelten, wenn der über den bereits strafrechtlich erfassten Lebenssachverhalt hinausgehende Teil des Dienstvergehens ein so geringes disziplinares Gewicht aufweist, dass er gegenüber dem bereits geahndeten Sachverhalt kaum Bedeutung besitzt, sondern nur einen unwesentlichen "Annex" darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.08.1969, DokBer B 1969, 3596, 3597; Urteil vom 18.04.1985, NJW 1986, 443, 444). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei der Bewertung des Gewichts der verschiedenen Teile des (einheitlichen) Dienstvergehens sind Tatsache und Höhe der strafrechtlichen Sanktion für den bestraften Komplex in Rechnung zu stellen, ...
Im Verhältnis zu dem mit einer Freiheitsstrafe von neun Monaten sanktionierten Verhalten des Beklagten ... wiegen die weiteren fünf Verfehlungen gering. ....
Angesichts dessen können die in der Disziplinarklage als Teil des Dienstvergehens bezeichneten unberechtigten ... für die Bemessung des Disziplinarmaßnahme außer Betracht bleiben.
2. Bei Anwendung des § 16 Abs. 1 HmbDG ist die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Beklagten jedenfalls jetzt nicht mehr zulässig.
a) Eine Kürzung der Dienstbezüge kommt im vorliegenden Fall nicht (mehr) in Betracht.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 HmbDG darf eine Kürzung der Dienstbezüge neben der Verhängung einer Strafe nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Eine zusätzliche Maßnahme ist nur nach individueller Prüfung des Einzelfalls beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.05, BVerwGE 123, 75, 80). Solche konkreten Umstände liegen hier nicht vor. Der Beklagte ist weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet. Ihm ist durch das Straf- und das sich anschließende Disziplinarverfahren deutlich vor Augen geführt worden, welche Folgen ein unkorrektes Verhalten haben kann.
Auch ein Bedürfnis nach individueller disziplinarer Einwirkung auf den Beklagten, das ebenfalls die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarmaßnahme rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.05, a.a.O., S. 82), ist hier nicht gegeben. In diesem Zusammenhang spielt wiederum die Dauer des Disziplinarverfahrens eine erhebliche Rolle.
b) Ein Verweis oder eine Geldbuße dürfen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 HmbDG nicht ausgesprochen werden."
"1. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Lebenssachverhalt, in dem ein einheitliches Dienstvergehen liegt, über den Sachverhalt hinausgeht, der Gegenstand des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts war, so dass es an einer Sachverhaltsidentität im Sinne des § 16 Abs. 1 HmbDG fehlt. [Anmerkung: es liegt also ein disziplinarischer Überhang vor.]
§ 16 Abs. 1 HmbDG enthält in unterschiedlicher Stärke geregelte Einschränkungen für doppelte Sanktionierungen von Dienstvergehen eines Beamten. Um zu verhindern, dass die Schutzfunktion dieses Maßnahmenverbots durch Einbeziehung strafrechtlich nicht geahndeter Bagatelldelikte ins Disziplinarverfahren weitgehend vereitelt wird, hat die Rechtsprechung zur entsprechenden bundesrechtlichen Vorschrift des § 14 BDO (jetzt § 14 Abs. 1 BDG) Ausnahmen vom Grundsatz des einheitlichen Dienstvergehens entwickelt. So lässt sich eine Ausnahme vom Einheitsgrundsatz dann rechtfertigen, wenn einzelne Pflichtverletzungen in keinem irgendwie gearteten zeitlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der anderen Verfehlung stehen und damit eine gewisse Selbständigkeit haben. Diese Konstellation liegt im vorliegenden Fall indes nicht vor, ...
Entsprechendes kann aber auch dann gelten, wenn der über den bereits strafrechtlich erfassten Lebenssachverhalt hinausgehende Teil des Dienstvergehens ein so geringes disziplinares Gewicht aufweist, dass er gegenüber dem bereits geahndeten Sachverhalt kaum Bedeutung besitzt, sondern nur einen unwesentlichen "Annex" darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.08.1969, DokBer B 1969, 3596, 3597; Urteil vom 18.04.1985, NJW 1986, 443, 444). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei der Bewertung des Gewichts der verschiedenen Teile des (einheitlichen) Dienstvergehens sind Tatsache und Höhe der strafrechtlichen Sanktion für den bestraften Komplex in Rechnung zu stellen, ...
Im Verhältnis zu dem mit einer Freiheitsstrafe von neun Monaten sanktionierten Verhalten des Beklagten ... wiegen die weiteren fünf Verfehlungen gering. ....
Angesichts dessen können die in der Disziplinarklage als Teil des Dienstvergehens bezeichneten unberechtigten ... für die Bemessung des Disziplinarmaßnahme außer Betracht bleiben.
2. Bei Anwendung des § 16 Abs. 1 HmbDG ist die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Beklagten jedenfalls jetzt nicht mehr zulässig.
a) Eine Kürzung der Dienstbezüge kommt im vorliegenden Fall nicht (mehr) in Betracht.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 HmbDG darf eine Kürzung der Dienstbezüge neben der Verhängung einer Strafe nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Eine zusätzliche Maßnahme ist nur nach individueller Prüfung des Einzelfalls beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.05, BVerwGE 123, 75, 80). Solche konkreten Umstände liegen hier nicht vor. Der Beklagte ist weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet. Ihm ist durch das Straf- und das sich anschließende Disziplinarverfahren deutlich vor Augen geführt worden, welche Folgen ein unkorrektes Verhalten haben kann.
Auch ein Bedürfnis nach individueller disziplinarer Einwirkung auf den Beklagten, das ebenfalls die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarmaßnahme rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.05, a.a.O., S. 82), ist hier nicht gegeben. In diesem Zusammenhang spielt wiederum die Dauer des Disziplinarverfahrens eine erhebliche Rolle.
b) Ein Verweis oder eine Geldbuße dürfen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 HmbDG nicht ausgesprochen werden."
Das Bundesverwaltungsgericht, auf dessen Rechtsprechung das OVG Hamburg in
dem vorstehenden Urteil Bezug nimmt, hat sich durch Beschluss vom 29.07.09 - BVerwG 2 B 15.09 - wie folgt zu diesen Rechtsfragen geäußert:
"Nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes lässt sich § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG kein striktes verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße mehr herleiten.
Dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens ist regelmäßig materiellrechtlich dadurch Rechnung zu tragen, dass im letzten von mehreren aufeinanderfolgenden Disziplinarverfahren bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens erfolgt.
(im Anschluss an das Urteil des Disziplinarsenats vom 14.02.07 - BVerwG 1 D 12.05 BVerwGE 128, 125 -).
Der Einheitsgrundsatz, der unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG abgeleitet wird, ist zunächst materiellrechtlicher Natur. Hieraus ist in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts die verfahrensrechtliche Konsequenz gezogen worden, dass über alle entscheidungsreifen Pflichtverletzungen gleichzeitig, d.h. durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme, zu entscheiden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Geltung der Bundesdisziplinarordnung (vgl. etwa Beschluss vom 11.02.00 BVerwG 1 DB 20.99 BVerwGE 111, 54 <56 f.>) gebot es der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens daher nicht nur, das durch mehrere Verfehlungen zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten einheitlich zu würdigen. Vielmehr schloss die Notwendigkeit der einheitlichen Betrachtung aller einem Beamten zur Last gelegten Pflichtverletzungen es grundsätzlich aus, für jede einzelne Verfehlung gesondert eine Disziplinarmaßnahme zu bestimmen. Danach war es in der Regel nicht zulässig, mehrere Verfehlungen in verschiedenen Verfahren zu ahnden (vgl. zusammenfassend: Urteil vom 14.02.07 a.a.O. S. 129 f.)
In der Rechtsprechung des Disziplinarsenats ist geklärt, dass nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes an diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht mehr unverändert festzuhalten ist (Urteil vom 14.02.07 a.a.O. S. 130 f.). Der Bundesgesetzgeber hat nunmehr die verfahrensrechtlichen Notwendigkeiten und Voraussetzungen der grundsätzlich einheitlichen Würdigung einer Mehrzahl von Pflichtverletzungen durch die Aufnahme von Ausnahmetatbeständen in § 19 Abs. 2, §§ 53, 56 BDG kodifiziert und damit die in der Rechtsprechung entwickelten Verfahrensgrundsätze ausdrücklich im Sinne einer weiteren Einschränkung des Einheitsgrundsatzes modifiziert (vgl. zu § 53 BDG: BTDrucks 14/4659, S. 48).
Der Einheitsgrundsatz ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht insbesondere den verschiedenen in § 53 BDG vorgesehenen Verfahrensweisen anzupassen. Danach hat der Dienstherr dem Gericht zwar die konkreten Anhaltspunkte mitzuteilen, die den Verdacht eines (weiteren) Dienstvergehens rechtfertigen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BDG), jedoch nur, wenn er dies „für angezeigt“ hält. Das bedeutet ein erweitertes Ermessen des Dienstherrn. Das Gericht hat sodann freilich nicht ausnahmslos das Verfahren auszusetzen und eine Frist zu bestimmen, bis zu der die Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden "kann" (§ 53 Abs. 2 Satz 2 BDG). Von einer Aussetzung (und Fristbestimmung) kann das Gericht durch Beschluss absehen, „wenn die neuen Handlungen für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen oder ihre Einbeziehung das Disziplinarverfahren erheblich verzögern würde“ (§ 53 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BDG). Bis zur Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung etc. kann zwar weiterhin auch im anhängigen fortgesetzten Verfahren immer noch eine Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden (§ 53 Abs. 3 Satz 2 BDG). Ausdrücklich bestimmt jedoch § 53 Abs. 3 Satz 3 BDG, dass die neuen Handlungen auch falls es nicht zu einer Nachtragsdisziplinarklage kommt Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein können.
Aus dieser Gesetzeslage folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nicht mehr vorwiegend oder gar ausschließlich durch bestimmte Verfahrensweisen Rechnung zu tragen ist. Ihm ist vielmehr materiellrechtlich in der Form Geltung zu verschaffen, dass bei der Entscheidung im letzten von mehreren aufeinanderfolgenden Verfahren bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens vorauszugehen hat."
"Nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes lässt sich § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG kein striktes verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße mehr herleiten.
Dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens ist regelmäßig materiellrechtlich dadurch Rechnung zu tragen, dass im letzten von mehreren aufeinanderfolgenden Disziplinarverfahren bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens erfolgt.
(im Anschluss an das Urteil des Disziplinarsenats vom 14.02.07 - BVerwG 1 D 12.05 BVerwGE 128, 125 -).
Der Einheitsgrundsatz, der unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG abgeleitet wird, ist zunächst materiellrechtlicher Natur. Hieraus ist in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts die verfahrensrechtliche Konsequenz gezogen worden, dass über alle entscheidungsreifen Pflichtverletzungen gleichzeitig, d.h. durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme, zu entscheiden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Geltung der Bundesdisziplinarordnung (vgl. etwa Beschluss vom 11.02.00 BVerwG 1 DB 20.99 BVerwGE 111, 54 <56 f.>) gebot es der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens daher nicht nur, das durch mehrere Verfehlungen zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten einheitlich zu würdigen. Vielmehr schloss die Notwendigkeit der einheitlichen Betrachtung aller einem Beamten zur Last gelegten Pflichtverletzungen es grundsätzlich aus, für jede einzelne Verfehlung gesondert eine Disziplinarmaßnahme zu bestimmen. Danach war es in der Regel nicht zulässig, mehrere Verfehlungen in verschiedenen Verfahren zu ahnden (vgl. zusammenfassend: Urteil vom 14.02.07 a.a.O. S. 129 f.)
In der Rechtsprechung des Disziplinarsenats ist geklärt, dass nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes an diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht mehr unverändert festzuhalten ist (Urteil vom 14.02.07 a.a.O. S. 130 f.). Der Bundesgesetzgeber hat nunmehr die verfahrensrechtlichen Notwendigkeiten und Voraussetzungen der grundsätzlich einheitlichen Würdigung einer Mehrzahl von Pflichtverletzungen durch die Aufnahme von Ausnahmetatbeständen in § 19 Abs. 2, §§ 53, 56 BDG kodifiziert und damit die in der Rechtsprechung entwickelten Verfahrensgrundsätze ausdrücklich im Sinne einer weiteren Einschränkung des Einheitsgrundsatzes modifiziert (vgl. zu § 53 BDG: BTDrucks 14/4659, S. 48).
Der Einheitsgrundsatz ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht insbesondere den verschiedenen in § 53 BDG vorgesehenen Verfahrensweisen anzupassen. Danach hat der Dienstherr dem Gericht zwar die konkreten Anhaltspunkte mitzuteilen, die den Verdacht eines (weiteren) Dienstvergehens rechtfertigen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BDG), jedoch nur, wenn er dies „für angezeigt“ hält. Das bedeutet ein erweitertes Ermessen des Dienstherrn. Das Gericht hat sodann freilich nicht ausnahmslos das Verfahren auszusetzen und eine Frist zu bestimmen, bis zu der die Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden "kann" (§ 53 Abs. 2 Satz 2 BDG). Von einer Aussetzung (und Fristbestimmung) kann das Gericht durch Beschluss absehen, „wenn die neuen Handlungen für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen oder ihre Einbeziehung das Disziplinarverfahren erheblich verzögern würde“ (§ 53 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BDG). Bis zur Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung etc. kann zwar weiterhin auch im anhängigen fortgesetzten Verfahren immer noch eine Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden (§ 53 Abs. 3 Satz 2 BDG). Ausdrücklich bestimmt jedoch § 53 Abs. 3 Satz 3 BDG, dass die neuen Handlungen auch falls es nicht zu einer Nachtragsdisziplinarklage kommt Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein können.
Aus dieser Gesetzeslage folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nicht mehr vorwiegend oder gar ausschließlich durch bestimmte Verfahrensweisen Rechnung zu tragen ist. Ihm ist vielmehr materiellrechtlich in der Form Geltung zu verschaffen, dass bei der Entscheidung im letzten von mehreren aufeinanderfolgenden Verfahren bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens vorauszugehen hat."
Die Position des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2021
Die aktuelle Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus folgenden Beschluss:
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.10.21 - BVerwG 2 A 9.20 -
2
Wie den Beteiligten in einem Berichterstatterschreiben mitgeteilt worden ist, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung Bedenken zumindest hinsichtlich der Maßnahmebemessung, § 13 BDG, weil die überlange Dauer des Disziplinarverfahrens nicht in die Maßnahmebemessung eingeflossen ist. Dieser Aspekt - der im Widerspruchsbescheid bei den Erwägungen zur Maßnahmebemessung nicht erwähnt ist - ist entgegen der Auffassung der Beklagten in der Klageerwiderungsschrift auch nicht deshalb ohne Bedeutung, weil während des laufenden Widerspruchsverfahrens ein zweites Disziplinarverfahren gegen den Kläger eingeleitet und dann im Hinblick auf das sachgleiche strafrechtliche Ermittlungsverfahren ausgesetzt worden ist.
3
Zwar war der Dienstherr in dieser Lage nicht durch den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gezwungen, beide disziplinarrechtlichen Vorwürfe in nur einem Disziplinarverfahren zu prüfen und ggf. zu ahnden. Denn unter der Geltung des Bundesdisziplinargesetzes gebietet der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens - anders als nach der früheren Bundesdisziplinarordnung - nicht mehr die gleichzeitige Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße eines Beamten. Dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens ist nicht mehr vorwiegend durch bestimmte Verfahrensweisen, sondern materiell-rechtlich durch die abschließende Würdigung der Dienstpflichtverletzungen des Beamten Rechnung zu tragen; bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme im letzten von mehreren aufeinander folgenden Verfahren ist eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens vorzunehmen. Ist bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ergibt sich der Verdacht weiterer Dienstpflichtverletzungen des Beamten aufgrund eines anderen Sachverhalts, so ist die zuständige Stelle verpflichtet, entweder ein weiteres Disziplinarverfahren einzuleiten oder das bereits laufende Verfahren auf die neuen Handlungen auszudehnen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 - 2 B 15.09 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 29 Rn. 6 ff. und vom 27. Dezember 2017 - 2 B 41.17 - jeweils m.w.N.).
4
Dementsprechend musste im vorliegenden Fall der Dienstherr den neuen disziplinarrechtlichen Vorwurf zwar nicht in das laufende Disziplinarverfahren einbeziehen, sondern durfte ein zweites Disziplinarverfahren eröffnen. Allerdings war es dann auch seine Pflicht, das - erste und im vorliegenden Fall streitgegenständliche - Disziplinarverfahren entsprechend dem Beschleunigungsgebot des § 4 BDG zügig zum Abschluss zu bringen. Geschieht das nicht, kann dies bei entsprechender Verfahrensdauer eine Milderung der Disziplinarmaßnahme ermöglichen und gebieten.
5
Denn anders als bei einer statusbeendenden Disziplinarmaßnahme kann bei einer pflichtenmahnenden Disziplinarmaßnahme im Falle einer überlangen Verfahrensdauer das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Dann kann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen sein (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 54 m.w.N.).
6
Eine überlange Dauer des - hier: behördlichen - Disziplinarverfahrens dürfte bei einem sachlich nicht gerechtfertigten Untätigbleiben im Widerspruchsverfahren über fast sechs Jahre hinweg ohne Weiteres anzunehmen sein. Damit dürfte die Disziplinarverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig sein. Zumindest im Hinblick auf die überlange Verfahrensdauer dürfte im Übrigen auch eine geringere Geldbuße als die im Widerspruchsbescheid ausgesprochenen 500 € nicht in Betracht kommen.
2
Wie den Beteiligten in einem Berichterstatterschreiben mitgeteilt worden ist, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung Bedenken zumindest hinsichtlich der Maßnahmebemessung, § 13 BDG, weil die überlange Dauer des Disziplinarverfahrens nicht in die Maßnahmebemessung eingeflossen ist. Dieser Aspekt - der im Widerspruchsbescheid bei den Erwägungen zur Maßnahmebemessung nicht erwähnt ist - ist entgegen der Auffassung der Beklagten in der Klageerwiderungsschrift auch nicht deshalb ohne Bedeutung, weil während des laufenden Widerspruchsverfahrens ein zweites Disziplinarverfahren gegen den Kläger eingeleitet und dann im Hinblick auf das sachgleiche strafrechtliche Ermittlungsverfahren ausgesetzt worden ist.
3
Zwar war der Dienstherr in dieser Lage nicht durch den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gezwungen, beide disziplinarrechtlichen Vorwürfe in nur einem Disziplinarverfahren zu prüfen und ggf. zu ahnden. Denn unter der Geltung des Bundesdisziplinargesetzes gebietet der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens - anders als nach der früheren Bundesdisziplinarordnung - nicht mehr die gleichzeitige Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße eines Beamten. Dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens ist nicht mehr vorwiegend durch bestimmte Verfahrensweisen, sondern materiell-rechtlich durch die abschließende Würdigung der Dienstpflichtverletzungen des Beamten Rechnung zu tragen; bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme im letzten von mehreren aufeinander folgenden Verfahren ist eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens vorzunehmen. Ist bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet und ergibt sich der Verdacht weiterer Dienstpflichtverletzungen des Beamten aufgrund eines anderen Sachverhalts, so ist die zuständige Stelle verpflichtet, entweder ein weiteres Disziplinarverfahren einzuleiten oder das bereits laufende Verfahren auf die neuen Handlungen auszudehnen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 - 2 B 15.09 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 29 Rn. 6 ff. und vom 27. Dezember 2017 - 2 B 41.17 - jeweils m.w.N.).
4
Dementsprechend musste im vorliegenden Fall der Dienstherr den neuen disziplinarrechtlichen Vorwurf zwar nicht in das laufende Disziplinarverfahren einbeziehen, sondern durfte ein zweites Disziplinarverfahren eröffnen. Allerdings war es dann auch seine Pflicht, das - erste und im vorliegenden Fall streitgegenständliche - Disziplinarverfahren entsprechend dem Beschleunigungsgebot des § 4 BDG zügig zum Abschluss zu bringen. Geschieht das nicht, kann dies bei entsprechender Verfahrensdauer eine Milderung der Disziplinarmaßnahme ermöglichen und gebieten.
5
Denn anders als bei einer statusbeendenden Disziplinarmaßnahme kann bei einer pflichtenmahnenden Disziplinarmaßnahme im Falle einer überlangen Verfahrensdauer das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Dann kann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen sein (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 54 m.w.N.).
6
Eine überlange Dauer des - hier: behördlichen - Disziplinarverfahrens dürfte bei einem sachlich nicht gerechtfertigten Untätigbleiben im Widerspruchsverfahren über fast sechs Jahre hinweg ohne Weiteres anzunehmen sein. Damit dürfte die Disziplinarverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig sein. Zumindest im Hinblick auf die überlange Verfahrensdauer dürfte im Übrigen auch eine geringere Geldbuße als die im Widerspruchsbescheid ausgesprochenen 500 € nicht in Betracht kommen.
Das Bundesverwaltungsgericht, auf dessen Rechtsprechung das OVG Hamburg in dem oben erwähnten Urteil Bezug nahm, hat sich wenige Wochen später in anderer Sache durch Beschluss vom 29.07.09 - BVerwG 2 B 15.09 - wie folgt zu diesen Rechtsfragen geäußert:
"Nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes lässt sich § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG kein striktes verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße mehr herleiten.
Dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens ist regelmäßig materiellrechtlich dadurch Rechnung zu tragen, dass im letzten von mehreren aufeinanderfolgenden Disziplinarverfahren bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens erfolgt.
(im Anschluss an das Urteil des Disziplinarsenats vom 14.02.07 - BVerwG 1 D 12.05 = BVerwGE 128, 125 -).
Der Einheitsgrundsatz, der unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG abgeleitet wird, ist zunächst materiellrechtlicher Natur. Hieraus ist in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts die verfahrensrechtliche Konsequenz gezogen worden, dass über alle entscheidungsreifen Pflichtverletzungen gleichzeitig, d.h. durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme, zu entscheiden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Geltung der Bundesdisziplinarordnung gebot es der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens daher nicht nur, das durch mehrere Verfehlungen zutage getretene Fehlverhalten eines Beamten einheitlich zu würdigen. Vielmehr schloss die Notwendigkeit der einheitlichen Betrachtung aller einem Beamten zur Last gelegten Pflichtverletzungen es grundsätzlich aus, für jede einzelne Verfehlung gesondert eine Disziplinarmaßnahme zu bestimmen. Danach war es in der Regel nicht zulässig, mehrere Verfehlungen in verschiedenen Verfahren zu ahnden (vgl. zusammenfassend: Urteil vom 14.02.07 a.a.O. S. 129 f.).
In der Rechtsprechung des Disziplinarsenats ist geklärt, dass nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes an diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht mehr unverändert festzuhalten ist (Urteil vom 14.02.07 a.a.O. S. 130 f.). Der Bundesgesetzgeber hat nunmehr die verfahrensrechtlichen Notwendigkeiten und Voraussetzungen der grundsätzlich einheitlichen Würdigung einer Mehrzahl von Pflichtverletzungen durch die Aufnahme von Ausnahmetatbeständen in § 19 Abs. 2, §§ 53, 56 BDG kodifiziert und damit die in der Rechtsprechung entwickelten Verfahrensgrundsätze ausdrücklich im Sinne einer weiteren Einschränkung des Einheitsgrundsatzes modifiziert (vgl. zu § 53 BDG: BTDrucks 14/4659, S. 48).
Der Einheitsgrundsatz ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht insbesondere den verschiedenen, in § 53 BDG vorgesehenen Verfahrensweisen anzupassen. Danach hat der Dienstherr dem Gericht zwar die konkreten Anhaltspunkte mitzuteilen, die den Verdacht eines (weiteren) Dienstvergehens rechtfertigen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BDG), jedoch nur, wenn er dies „für angezeigt“ hält. Das bedeutet ein erweitertes Ermessen des Dienstherrn. Das Gericht hat sodann freilich nicht ausnahmslos das Verfahren auszusetzen und eine Frist zu bestimmen, bis zu der die Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden "kann" (§ 53 Abs. 2 Satz 2 BDG). Von einer Aussetzung (und Fristbestimmung) kann das Gericht durch Beschluss absehen, „wenn die neuen Handlungen für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen oder ihre Einbeziehung das Disziplinarverfahren erheblich verzögern würde“ (§ 53 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BDG). Bis zur Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung etc. kann zwar weiterhin auch im anhängigen fortgesetzten Verfahren immer noch eine Nachtragsdisziplinarklage erhoben werden (§ 53 Abs. 3 Satz 2 BDG). Ausdrücklich bestimmt jedoch § 53 Abs. 3 Satz 3 BDG, dass die neuen Handlungen auch falls es nicht zu einer Nachtragsdisziplinarklage kommt Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens sein können.
Aus dieser Gesetzeslage folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens nicht mehr vorwiegend oder gar ausschließlich durch bestimmte Verfahrensweisen Rechnung zu tragen ist. Ihm ist vielmehr materiellrechtlich in der Form Geltung zu verschaffen, dass bei der Entscheidung im letzten von mehreren aufeinanderfolgenden Verfahren bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens vorauszugehen hat."
Im Gegensatz zu früher ist es jetzt also eher möglich, dass mehrere Disziplinarverfahren nebeneinander oder nacheinander geführt werden, wenn Vorwürfe zu unterschiedlichen Zeitpunkten bekannt werden und die neuen Vorwürfe nicht in ein bereits anhängiges Disziplinarverfahren einbezogen werden.
Auf der anderen Seite können später bekannt werdende Verfehlungen noch mit in das laufende Disziplinarverfahren einbezogen werden, etwa durch eine Nachtragsdisziplinarklage nach § 53 I BDG.
Fallen die Ergänzungen für die Entscheidung nicht ins Gewicht, kann man sie ausklammern.
Wehrdisziplinarordnung:
§ 18 Wehrdisziplinarordnung: Verbot mehrfacher, Gebot einheitlicher Ahndung
(1) Ein Dienstvergehen darf nur einmal disziplinar geahndet werden. § 96 bleibt unberührt.
(2) Mehrere Pflichtverletzungen eines Soldaten oder eines früheren Soldaten, über die gleichzeitig entschieden werden kann, sind als ein Dienstvergehen zu ahnden.
(1) Ein Dienstvergehen darf nur einmal disziplinar geahndet werden. § 96 bleibt unberührt.
(2) Mehrere Pflichtverletzungen eines Soldaten oder eines früheren Soldaten, über die gleichzeitig entschieden werden kann, sind als ein Dienstvergehen zu ahnden.