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Disziplinarrecht: Dienstvergehen innerdienstlich / außerdienstlich


Es versteht sich heute eigentlich nicht mehr von selbst, dass auch außerdienstliches Verhalten eines Beamten als Dienstvergehen angesehen und geahndet werden kann.
Früher sollte der Beamte Vorbild sein, man erwartete stets eine tadellose - oder eben sogar vorbildliche - Lebensführung. Der Beamte war "immer im Dienst".
Dieses Bild spukt in Beamtenköpfen bisweilen noch herum, aber das Disziplinarrecht als solches hat sich von dieser Vorstellung schon lange verabschiedet.
Dennoch ist es heute unbestritten, dass auch außerdienstliches Verhalten ein Dienstvergehen darstellen kann.
Man ringt darum, die richtigen Maßstäbe zu finden.

Für die Bewertung eines Verhaltens, das ein Dienstvergehen darstellen könnte, macht es jedenfalls einen gravierenden Unterschied,

- ob Sie aktiver Beamter oder Ruhestandsbeamter sind,

- ob es sich um ein innerdienstliches oder ein außerdienstliches Verhalten handelt.

Ruhestandsbeamte und Disziplinarrecht

Der Ruhestandsbeamte hat keine innerdienstlichen Pflichten mehr, bei ihm wird es sich ggf. um außerdienstliche Dienstvergehen handeln. Auch außerdienstliches Fehlverhalten kann jedoch zur Kürzung oder zur Aberkennung des Ruhegehalts führen.
Bitte beachten Sie auch die (wenige) spezielle Verhaltenspflichten (insbesondere für vorzeitig pensionierte Beamte) in den Beamtengesetzen.


Aktive Beamte und Disziplinarrecht

Sind Sie aktiver Beamter, so gilt:
Sofern man ein Dienstvergehen annimmt, spielt es bei der Ahndung eine ganz wesentliche Rolle,
ob Sie Beamter auf Lebenszeit
oder Beamter auf Widerruf / Probe sind.
Auf diese Unterschiede weisen wir bei den einzelnen Disziplinargesetzen hin.

Wichtig ist dann aber eben auch die Unterscheidung zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichem Verhalten.
Glauben Sie aber bitte nicht, die Juristerei sei sich einig bei der Abgrenzung zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichen Verhalten. Abgesehen davon, dass manche Mitbürger immer noch glauben, der Beamte habe stets - auch im privaten Lebensbereich - eine Vorbildfunktion für uns alle, gibt es besonders in neuerer Zeit wieder große Diskussionen darüber, welches (eigentlich private) Verhalten eines Beamten dienstliche Belange berühre. Ein prominenter Fall bot Anlass zu dem Aufsatz "Das Tinder-Profil einer Bataillonskommandeurin und die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht - zugleich Anmerkung zum Beschluss des BVerwG vom 25.5.2022 - 2 WB 2.21" von Dr. Andreas Nitschke in ZBR  2023 154 ff. Etwas genereller befasst sich Thorsten Masuch in ZBR 2023, 145 ff. mit dem Thema in seinem Aufsatz "Vom überzogenen Dienstbezug -Zum inner- und außerdienstlichen Fehlverhalten von Beamtinnen und Beamten".

Außerdienstliches Fehlverhalten ist nicht stets ein Dienstvergehen.

Außerdienstliches Verhalten interessiert den Dienstherrn weniger, sofern nicht der Bereich des Strafrechts berührt wird oder eine andere außergewöhnliche Situation gegeben ist.
Es käme zum Beispiel die unerlaubte Nebentätigkeit als außerdienstliches Dienstvergehen in Betracht, die strafrechtlich nicht relevant ist, aber disziplinarrechtlich streng geahndet werden kann.

In der Regel wird nur strafbares außerdienstliches Verhalten ein Dienstvergehen darstellen.

Leitsatz des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.08.10 - 2 C 13.10 -:

Wird der Beamte wegen einer vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Straftat verurteilt, für die das Strafgesetzbuch zumindest eine mittelschwere Strafdrohung (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) vorsieht, so liegt in aller Regel ein Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG vor.

Die grundlegende Bedeutung dieser Entscheidung ist erläutert in der Besprechung von Dr. Ulrich Pflaum, "Straftaten als außerdienstliche Dienstvergehen", in: NVwZ 2011, 280 f.
Er arbeitet den der Entscheidung zugrunde liegenden Gedanken heraus, dass bei außerdienstlichen Straftaten der Strafrahmen Rückschlüsse auf das Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung zulasse.
So hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht immer wieder geäußert.

Die Rechtsprechung hat wiederholte Male darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber schon vor Jahrzehnten entschieden hat, das Privatleben der Beamten nur noch dann disziplinieren zu wollen, wenn wesentliche Belange des Beamtentums berührt sind.
Der Beamte ist nicht "immer im Dienst", er hat auch nicht unbedingt eine Vorbildfunktion. Auch einen von Vorgesetzten bisweilen immer noch bemühten "polizeilichen Imperativ" - verstanden als Verpflichtung, sich auch außerhalb des Dienstes stets absolut tadellos zu verhalten - gibt es nicht mehr.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.03.18 - BVerwG 2 B 48.17

RN 11
Außerhalb seines Dienstes ist der Beamte grundsätzlich nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Außerdienstliches Verhalten kann deshalb den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Die Pflichtverletzung als solche reicht zur Annahme eines Dienstvergehens nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist. Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände.

Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken. Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 18.06.15 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 11 m.w.N.).
RN 12
Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab. Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu. Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist. Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.15 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 16 ff.).
RN 13
Weist ein Dienstvergehen hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteil vom 10.12.15 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 18 m.w.N.).

Die soeben mehrfach erwähnte Entscheidung vom 18.06.15 lautet auszugsweise wie folgt:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.06.15 - 2 C 9.14 -

b) Außerhalb seines Dienstes ist der Beamte grundsätzlich nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG sowie § 19 Satz 3 LBG BB a.F.; hierzu BVerwG, Urteil vom 28.07.11 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 21).
Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen
(BVerwG, Urteil vom 30.08.00 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26>).

12 Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Unbeschadet des teilweise veränderten Wortlauts ist mit dieser Vorschrift eine inhaltliche Änderung gegenüber früheren Bestimmungen zur Qualifizierung außerdienstlichen Verhaltens - wie etwa § 43 Abs. 1 Satz 2 LBG BB a.F. - nicht verbunden (BVerwG, Urteile vom 25.08.09 - 1 D 1.08 - und vom 25.03.10 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 16 f.).

13 Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom Juli 1967 (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, Urteil vom 25.03.10 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 14). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken (BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.12.04 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <254>).

14 Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; hierzu auch BVerwG, Urteile vom 30.08.00 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26 f.> und vom 27.06.13 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24). Private Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.00 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23> zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).

15 Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.02.03 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteile vom 28.07.11 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.

16 c) Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne; soweit in der bisherigen Rechtsprechung auf das Amt im konkret-funktionellen Sinne (den Dienstposten) abgestellt worden ist, hält der Senat hieran nicht mehr fest.

17 Die Rechtsstellung des Beamten wird durch sein Statusamt geprägt (BVerwG, Urteil vom 11.12.14 - 2 C 51.13 - ZBR 2015, 166 Rn. 28). Dieses - und nicht die mit einem gegenwärtig innegehabten Dienstposten verbundene Tätigkeit - bestimmt, mit welchem Aufgabenbereich der Beamte amtsangemessen beschäftigt und damit künftig verwendet werden kann. Folgerichtig sind auch andere statusrechtliche Entscheidungen, wie etwa zu Eignung oder Dienstfähigkeit des Beamten, nicht auf die sich aus einem bestimmten Dienstposten ergebenden Anforderungen bezogen. Auch die spiegelbildliche Frage, ob der Beamte trotz begangener Pflichtverletzungen noch im Beamtenverhältnis verbleiben kann, muss daher auf sein Amt als Ganzes und nicht auf die Besonderheiten eines begrenzten Tätigkeitsbereichs bezogen werden (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 25.07.13 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 19). Andernfalls hinge die Möglichkeit der Vertrauensbeeinträchtigung von den Zufälligkeiten des jeweiligen Aufgabenzuschnitts und der Abgrenzung der Dienstposten zum Zeitpunkt der Tatbegehung ab. Der Beamte kann aber jederzeit umgesetzt oder versetzt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.01.14 - 2 B 102.13 -).

18 Die Bezugnahme auf das Statusamt folgt überdies aus der materiellen Pflichtenstellung in § 34 Satz 3 BeamtStG. Während Satz 2 dieser Vorschrift an die dem Beamten übertragenen Aufgaben angeknüpft, nehmen Satz 1 und 3 jeweils auf den Beruf Bezug. Die Verpflichtung, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, ist aber nicht nur auf den Dienstposten bezogen. Berufspflichten gehen vielmehr über die konkret übertragenen Dienstaufgaben hinaus und werden auch in anderen Rechtsgebieten umfassend verstanden (vgl. etwa § 43 Satz 2 BRAO). Entsprechendes gilt für die Pflicht, dem berufserforderlichen Vertrauen gerecht zu werden. Entstehungsgeschichtlich geht die Bezugnahme auf den Beruf und die hierfür erforderliche Vertrauensstellung bereits auf § 10 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 (RGBl. S. 61) zurück und war stets umfassend und nicht nur auf konkrete Dienstpflichten bezogen (vgl. Günther, DÖD 2007, 13 <23>).

19 Auch in funktionaler Hinsicht ist das außerdienstliche Verhalten des Beamten gerade nicht durch die ihm konkret übertragenen Aufgaben seines Dienstpostens bestimmt. Bezüge zu seinem Dienstverhältnis entfaltet das private Verhalten des Beamten vielmehr nur mittelbar, wenn es die Vertrauenswürdigkeit seiner Person berührt und damit auch seine künftige Amtsführung beeinträchtigen kann. Bezugspunkt für die Vertrauensbeeinträchtigung ist damit das dem Beamten als Lebensberuf übertragene Statusamt.

20 Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert; dieses hat er uneigennützig, nach bestem Gewissen und in voller persönlicher Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen wahrzunehmen (§ 34 Satz 1 und 2, § 36 Abs. 1 BeamtStG). Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 08.05.01 - 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <218 f.>; ähnlich bereits Urteil vom 30.08.00 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <27>).

21 d) Der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf.

22 Anders als Erziehern oder Lehrern (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19.08.10 - 2 C 5.10 -; Beschlüsse vom 25.05.12 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 17 und vom 19.03.13 - 2 B 17.12) ist Polizeibeamten zwar keine spezifische Dienstpflicht zu Schutz und Obhut gerade von Kindern auferlegt. Polizeibeamte haben indes Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit - insbesondere auch für schutzbedürftige Personen - eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 08.05.01 - 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219> und vom 25.07.13 - 2 C 63.11- BVerwGE 147, 229 Rn. 20 sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.01.08 - 2 BvR 313/07 - BVerfGK 13, 205 <209> für Staatsanwälte).

23 Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten - gerade zu Lasten Schutzbedürftiger - begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war oder Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen hatte. Erhebliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen.

Entfernung aus dem Dienst wegen außerdienstlichen Verhaltens nur bei Straftat?

Ein außerdienstliches Verhalten kann in aller Regel nur dann zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, wenn es einen Straftatbestand verwirklicht oder wenn es einen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben aufweist, etwa bei unerlaubter Nebentätigkeit während einer "Krankschreibung".
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.12.04 - 2 BvR 52/02 -

"2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer auch insoweit in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), als die Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme nicht von den getroffenen Tatfeststellungen getragen wird.

a) Aus dem Zusammenspiel von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgt eine verfassungsrechtliche Verankerung des Schuldprinzips: Jede Strafe oder strafähnliche Sanktion setzt Schuld voraus (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 58, 159 <163>; 80, 244 <255>; 95, 96 <140>). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 50, 5 <12>; 73, 206 <253 f.>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>). Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 50, 205 <215>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelten das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) grundsätzlich auch im Disziplinarverfahren (vgl. BVerfGE 27, 180 <188>; 28, 264 <280>; 37, 167 <185>; 46, 17 <27>; 98, 169 <198>).

Die Entfernung eines Beamten oder Richters aus dem Dienst ist demnach geboten, wenn dies zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Diensts erforderlich ist. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis durch das Dienstvergehen endgültig zerstört worden ist oder das Dienstvergehen einen so großen Ansehensverlust bewirkt hat, dass eine Weiterverwendung des Richters die Integrität des Richtertums unzumutbar belasten würde.

In beiden Fallgruppen ist der Richter für den Dienstherrn objektiv untragbar und daher die Entfernung aus dem Dienst geboten. Wann ein derartiger endgültiger Vertrauens- oder Ansehensverlust gegeben ist, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Schwere der Verfehlung und dem Ausmaß der Gefährdung dienstlicher Belange bei einer Weiterverwendung.

b) Ein Versagen im Kernbereich der dem Beschwerdeführer zugewiesenen richterlichen Aufgaben haben die Fachgerichte hier nicht festgestellt; die Vorwürfe betreffen den Bereich seiner dienstlichen Aufgaben nicht. Schwerpunkt der von den Fachgerichten vorgenommenen Würdigung zur Festsetzung der Disziplinarmaßnahme ist vielmehr eine Verletzung der Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten durch leichtfertige Überschuldung und die ungenehmigte Ausübung von Nebentätigkeiten.

Zwar kann grundsätzlich auch eine außerdienstliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten disziplinarrechtliche Maßnahmen erfordern; die Verhängung der Höchstmaßnahme lässt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier aber nur ausnahmsweise zu, insbesondere im Falle der Strafbarkeit der begangenen Tathandlung (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.06.00 - 2 BvR 993/94 -).

Auch aus der Spruchpraxis der Fachgerichte sind keine Vergleichsfälle ersichtlich, bei denen bereits auf Grund außerdienstlicher Verfehlungen, die keinen Straftatbestand erfüllen, auf die Höchstmaßnahme erkannt wurde.

Soweit der Dienstgerichtshof im Hinblick auf den außerdienstlichen Charakter der Handlungen angenommen hat, diese seien in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Richters und das Ansehen der staatlichen Rechtspflege bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen ..., erschöpfen sich die Darstellungen in einer Wiedergabe der gesetzlichen Vorgaben. Tatsächliche Feststellungen oder Subsumtionserwägungen fehlen, sodass sich aus den Entscheidungsgründen nicht entnehmen lässt, woraus sich diese besondere Eignung im Einzelfall ergeben soll. Gleiches gilt für die Darlegungen des Bundesgerichtshofs, die sich ausschließlich damit beschäftigen, ob der außerdienstliche Charakter des Dienstvergehens vom Dienstgerichtshof ausdrücklich hätte erwähnt werden müssen. Konkrete Feststellungen dazu, ob das Verhalten des Beschwerdeführers überhaupt öffentlich bekannt geworden ist, liegen den fachgerichtlichen Entscheidungen demnach nicht zu Grunde. ...
Entsprechende Feststellungen wären nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber Voraussetzung für die Annahme einer Ansehensschädigung gewesen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.02.03 - 2 BvR 1413/01 -).

Hinreichende Einzelfallumstände, die trotz des außerdienstlichen Charakters und der Straflosigkeit der begangenen Pflichtverletzungen die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, sind damit nicht ersichtlich. Die Entfernung aus dem Dienst wird von den getroffenen Tatfeststellungen nicht getragen und verletzt damit den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schuldgrundsatz."


Zur Bedeutung der Unterscheidung innerdienstlich / außerdienstlich noch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die alles noch einmal zusammenfasst:
BVerwG, Beschluss vom 21.06.17, 2 B 50.16

Bedeutung des Strafrechts für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bei außerdienstlichem Verhalten

Sofern außerdienstliches Verhalten ein Dienstvergehen darstellt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der Disziplinarmaßnahme im konkreten Einzelfall.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich für ein System entschieden, welches die Bemessung der disziplinarrechtlichen Sanktion für außerdienstliches Verhalten recht eng an die Wertungen des Strafgesetzbuchs bindet, die in der Höhe des für die jeweilige Deliktsart eröffneten Strafrahmens zum Ausdruck kommt.
Das Strafgesetzbuch gebe damit für die Disziplinarmaßnahme einen sog. Orientierungsrahmen vor, innerhalb dessen im Einzelfall die gerechte Maßnahme zu bestimmen sei. Der Orientierungsrahmen: Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.21 - 2 B 12.21 -

Verfahrensrecht: Zusammenfassung aller Vorwürfe ich einem Disziplinarverfahren

So viel an disziplinarrechtlicher Theorie.
Der Praktiker würde vielleicht darauf hinweisen, dass in Disziplinarsachen häufig eine Vielzahl von Verfehlungen gleichzeitig abgeurteilt wird, bisweilen in einem bunten Mix aus innerdienstlichem und außerdienstlichem Verhalten. Dann wird zwar immer noch bei den einzelnen Anschuldigungspunkten differenziert zwischen innerdienstlich und außerdienstlich, aber man könnte sagen, dass sich die Disziplinarmaßnahme letztlich danach bemisst, welches Persönlichkeitsbild man in einer Gesamtschau gewinnt. Denn es gibt einen "Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens". Mehrere Vorwürfe werden zusammen verhandelt.
Disziplinarrecht / Übersicht Dienstvergehen / Übersicht
A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß außerdienstliches Verhalten Orientierungsrahmen / 2 B 12.21 BVerwG 2 B 50.16
Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
B. Beispiele Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Anabolika Arbeitszeitbetrug Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Chatgruppen Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Drogenerwerb Betäubungsmittel / Soldat Eigentumsdelikt im Dienst fehlerhafte Arbeitsweise Fernbleiben vom Dienst Flucht in die Öffentlichkeit Gesunderhaltungspflicht Impfpflicht / Soldaten / Beamte Internetauftritt Kinderpornografie / Übersicht Körperverletzung im Amt Meineid Nebentätigkeit Nichtbefolgen von Weisung Reaktivierung abgelehnt sexuell Motiviertes Sonderrechtsfahrt/ Unfall Steuerhinterziehung Kein Streikrecht für Beamte Trunkenheitsfahrt Unfallflucht als Dienstvergehen Untreue, § 266 StGB Verfassungstreue Verrat von Dienstgeheimnissen Vorteilsnahme Vorteilsnahme 2 Zugriffsdelikte




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