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Disziplinarrecht: Besitz oder Handel mit Anabolika als Dienstvergehen

Die nachfolgende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat schon einige Jahre auf dem Buckel.
Aus neuerer Zeit sind vielleicht erwähnenswert:

VG Köln, Urteil vom 02.06.15 - 19 K 7230/13 -, Entlassung eines Beamten auf Probe im Justizvollzugsdienst

VG München, Beschluss vom 06.02.2014 - M 13 DA 13.5131
Der Besitz von Dopingmitteln erfüllt den Straftatbestand des § 95 AMG. Ein solches Vergehen kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber einer solchen Straftat erhebliches Gewicht beimisst. Wer als Polizeivollzugsbeamter diesen Straftatbestand verwirklicht, begeht damit gleichzeitig ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen, das zu einem erheblichen Ansehens- und Vertrauensverlust führt. Allein dieser Strafrahmen (nicht die tatsächlich ausgesprochene Strafe) legt schon eine Disziplinarmaßnahme im oberen Bereich nahe.

OVG Magdeburg: Urteil vom 03.04.08 - 10 L 2/07 -
Ein Justizvollzugsbeamter, der entgegen den eindeutigen Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Justizvollzug (DSVollz) Gegenstände, insbesondere verbotene Anabolika in die Justizvollzugsanstalt einschmuggelt, um dieses Gefangenen zu überlassen, verstößt massiv gegen die ihm gemäß § 55 Abs. 2 BG LSA obliegenden Pflichten zu einer korrekten Amtsführung. Dieses Verhalten ist geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit in die Integrität des Beamten nachhaltig zu beeinträchtigen.

Hier nun die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, ergangen vor etwa 20 Jahren:

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.12.98 - 1 D 111/ 97 -

Disziplinarrechtliche Bewertung des Handelns mit Anabolika

Der Beamte hat mit Anabolika gehandelt. Gegen ihn wird durch Strafbefehl wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 60,00 DM festgesetzt.

Das Bundesdisziplinargericht hat im anschließenden Disziplinarverfahren die Dienstbezüge des Beamten um ein Zwanzigstel auf die Dauer von 30 Monaten gekürzt. Hiergegen hat der Disziplinaranwalt Berufung eingelegt.

Aus den Gründen:

Die Berufung des Bundesdiziplinaranwalts führt zu einer längeren Laufzeit der Gehaltskürzung:

Das außerdienstliche Dienstvergehen des Beamten ist von erheblichem Gewicht.
Für das festgestellte Fehlverhalten besteht zwar keine Regelrechtsprechung, da es sich im Hinblick auf die vielfältigen Verwirklichungsformen einer einheitlichen disziplinaren Bewertung entzieht. Die erschwerenden Umstände des vorliegenden Falls werfen jedoch die Frage nach der weiteren Tragbarkeit des Beamten auf. Der Beamte hat über den relativ langen Zeitraum von etwa einem halben Jahr in erheblichem Umfang Handel mit Anabolika betrieben und in allen Anschuldigungspunkten gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen. Dies gilt auch insoweit, als in der Wohnung des Beamten Anabolika in Form von Ampullen und Tabletten vorgefunden wurden. Soweit der Beamte angegeben hat, diese Anabolika seien für den Eigenverbrauch bestimmt gewesen, kann er damit nicht gehört werden. Aufgrund des übernommenen Sachverhalts aus dem Strafbefehl steht bindend fest, dass der Beamte die Anabolika zum Verkauf vorrätig gehalten hat. Dies stellt nach § 4 XVII AMG ein Inverkehrbringen dar.

Erschwerend fällt das besondere Gewinnstreben des Beamten ins Gewicht, wie es insbesondere in dem Anschuldigungspunkt 3 zum Ausdruck kommt, da ihm ein Gewinn von 2.000,00 DM verbleiben sollte.
Den Beamten belastet im Anschuldigungspunkt 2 erheblich der enge dienstliche Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens. Nach § 12 V b BGSG ist er, da er seit mindestens vier Jahren dem Polizeivollzugsdienst angehört, Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft mit Rechten und Pflichten der Polizeibeamten. Der Verhinderung von Straftaten kommt hierbei gerade im Grenzbereich besondere Bedeutung zu. Dadurch, dass der Beamte illegal Anabolika über die Grenze nach Osterreich gebracht hat, hat er das getan, was zu verhindern generell seine Aufgabe gewesen wäre.

Entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift kann dem Beamten nicht angelastet werden, er habe durch die Einnahme der Anabolika über einen längeren Zeitraum seine Pflicht zur Gesunderhaltung verletzt. Eine derartige Pflichtverletzung hat das Bundesdisziplinargericht nicht festgestellt. Es hat ausdrücklich nur die Vorschrift des § 54 S. 3 BBG, nicht die des § 54 S. 1 BBG angeführt. Im übrigen ist ein derartiger Vorwurf vom Bundesdisziplinaranwalt in der Anschuldigungsschrift nicht erhoben worden.

Entgegen der Ansicht des Bundesdisziplinaranwalts kann bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch nicht erschwerend berücksichtigt werden, das Dopingproblem habe "erschreckende Parallelen zum Rauschgiftproblem" und die Einnahme von Anabolika in größeren Dosierungen könne zu zumindest psychischer Abhängigkeit führen. Der Gesetzgeber hat Anabolika nicht in den zu § 1 BtMG ergangenen Anlagen aufgeführt. Nach dieser Vorschrift ist die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates diese Anlagen zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit, erforderlich ist. Der Grund für die Berechtigung zur Aufnahme dieser Stoffe liegt darin, dass auch deren Wirkungsweise zu einer psychischen oder physischen Abhängigkeit führt. Obwohl bekannt ist, dass die Einnahme von Anabolika auch zu psychischen Veränderungen führen kann, wurden anabole Steroide nicht in die Anlagen des § 1 BtMG aufgenommen. Sie unterliegen vielmehr den apothekenpflichtigen Arzneimitteln i. S. von § 2 I AMG. Eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur disziplinaren Bewertung von Drogen- und Rauschgiftdelikten kommt deshalb hier nicht in Betracht.

Auch soweit der Bundesdisziplinaranwalt als erschwerenden Umstand anführt, der Beamte habe durch den Verkauf von Anabolika die Gesundheit anderer Personen gefährdet, kann dem nicht gefolgt werden. Die Einnahme von Anabolika unterliegt, wie beispielsweise der Genuss von Alkohol, der privaten, von eigenen Interessen und Risiken geprägten Lebensführung. Ein jeder trägt hierfür die eigene Verantwortung. Dass der Beamte andere zur Einnahme von Anabolika verleitet oder verführt hätte, ist nicht festgestellt.

Den festgestellten Erschwerungsgründen stehen Milderungsgründe gegenüber, die es rechtfertigen, eine Gehaltskürzung unter Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens als noch angemessen erscheinen zu lassen.

So kann dem Beamten jedenfalls zu Beginn seines Fehlverhaltens geglaubt werden, dass er sich der Tragweite seines Handelns nicht völlig bewusst gewesen ist, da die Einnahme von Anabolika besonders in Fitness-Studios weit verbreitet ist. Er hat die Konsequenzen aus seinem gesetzeswidrigen Verhalten gezogen. Er nimmt keine Anabolika mehr ein, betreibt kein Bodybuildingtraining mehr und geht auch nicht mehr in Fitness-Studios. Er hat sich von seinem früheren Bekanntenkreis getrennt und vermeidet jeden Kontakt zu diesem.

Bezüglich des Transports von Anabolika über die Grenze nach Österreich spricht für den Beamten, dass er diesen besonders belastenden Vorfall bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsführer gestanden hat, ohne dass es für dieses Fehlverhalten irgendwelche Anhaltspunkte gab oder der Beamte hätte befürchten müssen, dass dieser Sachverhalt bekannt werden würde. Durch dieses Geständnis hat der Beamte die Beweislage erheblich geändert. Er hat das Geständnis aus eigenem Antrieb abgelegt und ein dem Dienstherrn bisher nicht bekanntes Fehlverhalten offenbart (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.09.98 - 1 63/97; vgl. auch BVerwG , Urteil vom 15.09.98 - 1 D 87/97).

Zugunsten des Beamten können seine überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen gewertet werden. Er hat auf Anordnung seiner Dienststelle im Dezember seinen Dienst wieder aufgenommen und ist nach eigenen Angaben wieder voll integriert.

Der Verhängung der Gehaltskürzung steht die Vorschrift des § 14 BDO nicht entgegen, da der festgestellte Sachverhalt mit dem durch den Strafbefehl geahndeten nicht identisch ist, sondern im Anschuldigungspunkt 1 über diesen hinausgeht.
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A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
B. Beispiele Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Arbeitszeitbetrug Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Chatgruppen Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Drogenerwerb Betäubungsmittel / Soldat Eigentumsdelikt im Dienst fehlerhafte Arbeitsweise Fernbleiben vom Dienst Flucht in die Öffentlichkeit Gesunderhaltungspflicht Impfpflicht / Soldaten / Beamte Internetauftritt Kinderpornografie / Übersicht Körperverletzung im Amt Meineid Nebentätigkeit Nichtbefolgen von Weisung Reaktivierung abgelehnt sexuell Motiviertes Sonderrechtsfahrt/ Unfall Steuerhinterziehung Kein Streikrecht für Beamte Trunkenheitsfahrt Unfallflucht als Dienstvergehen Untreue, § 266 StGB Verfassungstreue Verrat von Dienstgeheimnissen Vorteilsnahme Vorteilsnahme 2 Zugriffsdelikte
Bitte beachten Sie: ab Februar 2009 gilt ein neues BBG (Bundesbeamtengesetz). In dieser Entscheidung ist noch das alte BBG erwähnt.




Anabolika fallen nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.