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Disziplinarrecht der Bundesbeamten: Unfallflucht
Sie finden hierzu einen Überblick über aktuellere Meinungen zur disziplinarrechtlichen Bewertung der Trunkenheitsfahrt in dem Kommentar zum Bundesdisziplinargesetz von Köhler / Baunack, 7. Auflage 2021, unter B. II. 12 RN 5 (S. 310).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 05.07.06 - 1 D 5/05 - unter anderem dazu ausgeführt, wie es den Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (also eine außerdienstlich begangene Unfallflucht) eines Beamten der Bundespolizei bewertet. Ob die Entscheidung noch zeitgemäß erscheint, mag bezweifelt werden.
Allerdings setzt sich auch die Entscheidung selbst von früherer Rechtsprechung (vorsichtig) ab.

Es waren mehrere Verfehlungen angeschuldigt. Wir beschränken uns hier auf die Ausführungen zur Unfallflucht.

Das Bundesverwaltungsgericht verhängt insgesamt eine Gehaltskürzung um 1/10 auf die Dauer von 18 Monaten.
Die erste Instanz hatte auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt!


Aus der Entscheidung:


Das unter Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigte außerdienstliche Verhalten des Beamten stellt einen vorsätzlichen Verstoß dar, der nach seiner Bedeutsamkeit die Schwelle zum außerdienstlichen Dienstvergehen überschreitet, weil eine Verkehrsunfallflucht geeignet ist, negative Rückschlüsse auf die dienstliche Vertrauenswürdigkeit des Beamten in seinem Amt als Angehöriger der Bundespolizei zu ziehen und eine ansehensschädigende Wirkung auslösen kann (vgl. zuletzt Urteil vom 15.03.06).
Um eine Kernpflichtverletzung kann es sich bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen freilich nicht handeln. Von einem Polizeibeamten, dessen Aufgabe es unter anderem ist, Straftäter zu verfolgen, muss aber in besonderem Maße erwartet werden, dass er sich auch selbst im privaten Bereich gesetzestreu verhält, insbesondere nicht in Konflikt mit den Strafvorschriften gerät. Im vorliegenden Fall schwächt sich allerdings der daraus zu erhebende Vorwurf ab. Die Unfallflucht sowie die dabei gezeigte und für Dritte schädliche Verantwortungslosigkeit erscheinen in einem etwas milderen Licht, weil der verursachte Fremdschaden mit etwa DM 400,00 einen eher geringen Umfang hatte; bei sog. "Bagatellschäden" nach misslungenen Parkmanövern werden auch die wirtschaftlichen Folgen vom Schädiger oftmals unterschätzt und subjektiv bagatellisiert. Milder zu beurteilen ist der Verstoß auch insofern, als er hier nicht im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen Verkehrsgefährdung steht. Dementsprechend hat auch das Amtsgericht mit der Verhängung einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je DM 60,00 der geringeren Schuld des Beamten durchaus Rechnung getragen.

...

Bei der Gesamtwürdigung nach der Schwere des Dienstvergehens und des Verschuldens steht das Gewicht des außerdienstlichen Teils des Dienstvergehens, der Unfallflucht des Beamten, im Vordergrund.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wäre diese aber im Beamtendisziplinarrecht auch bei einem Polizisten isoliert betrachtet nicht etwa regelmäßig mit einer Maßnahme oberhalb der Gehaltskürzung zu ahnden.

Zu Unrecht beruft sich das Verwaltungsgericht insofern auf Rechtsprechung des Wehrdisziplinarsenats, der für Soldaten in derartigen Fällen regelmäßig eine Beförderungssperre für angebracht hält (vgl. u.a. Urteil vom 16.10.02 2 WD 23.01 und BVerwGE 117, 117). Zum einen ist die Systematik im Wehrdisziplinarrecht insofern eine andere, als Beförderungsverbot und Kürzung der Dienstbezüge zwei selbständige Maßnahmearten darstellen und das Beförderungsverbot als eine im Verhältnis zur Gehaltskürzung gesteigerte Disziplinarmaßnahme anzusehen ist (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 WDO), während nach der Bundesdisziplinarordnung die Gehaltskürzung automatisch mit einer Beförderungssperre verbunden ist.
Fallbezogen kommt zum anderen noch hinzu, dass die Unfallflucht in den beiden vom Wehrdisziplinarsenat entschiedenen Fällen mit vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdungen und Personenschäden einhergingen.
Der Rechtsprechung des Senats entspricht es, weniger schematisch vorzugehen und je nach den Gesamtumständen eine Gehaltskürzung im unteren Bereich auszusprechen. Davon ist hier nicht abzuweichen. Der Umstand, dass es sich bei dem Beamten um einen Polizeibeamten handelt, geht zwar zu seinen Lasten; dass es nur um einen "Bagatellschaden" ging, lässt den Verstoß aber wiederum in einem milderen Licht erscheinen.
(vgl. auch Urteil vom 29.08.01, ZBR 2002, 212; zur Trunkenheitsfahrt mit erheblichem Sachschaden eines Polizeihauptkommissars im BGS mit BGS-Führerschein vgl. auch Urteil vom 06.09.1994 ; zur Unfallflucht außerhalb des Dienstes im Rückfall: Urteil vom 04.06.1984; zur Unfallflucht im Dienst mit Dienstfahrzeug: Urteil vom 21.07.1986 DokBerB 1986, 277).

§ 142 Strafgesetzbuch (StGB) Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).

(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
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A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
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