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Disziplinarrecht: sexuell gefärbtes Verhalten als Dienstvergehen


Wie das gesamte Recht, so wandelt sich auch das Disziplinarrecht mit den gesellschaftlichen Vorstellungen und Konventionen. Es orientiert sich, zeitgemäß angewandt, nicht mehr an verstaubten Moralbegriffen. Vielmehr sucht man auch bei der Bewertung eines Verhaltens als Dienstvergehen nach rational nachvollziehbaren, möglichst objektiven Kriterien.
Dies gilt auch für den (bisweilen) schwierigen Bereich des sexuell motivierten menschlichen Verhaltens.

Unterscheidung zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichem Verhalten

Im innerdienstlichen Bereich ist eine neue Sensibilität für den Begriff der sexuellen Belästigung gewachsen.
Dabei hat insbesondere § 3 Absatz 4 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) große Bedeutung.

Außerdienstliches Verhalten wird hingegen meist nur noch dann als ein Dienstvergehen angesehen, wenn es nach dem Strafgesetzbuch strafbar ist, sei es nun als Sexualdelikt im engeren Sinne oder zum Beispiel als Beleidigung auf sexueller Basis.
Für die liberalere Auffassung, dass das private Sexualleben des Beamten den Dienstherrn grundsätzlich nichts angeht, so weit es sich nicht um strafbares Verhalten handelt oder sonstige besondere Umstände hinzu treten, also gewissermaßen für den Schutz der Privatsphäre des Beamten, steht eine
Entscheidung des OVG NRW vom 03.04.09
Glauben Sie aber bitte nicht, die Juristerei sei sich einig bei der Abgrenzung zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichen Verhalten. Abgesehen davon, dass manche Mitbürger immer noch glauben, der Beamte habe stets - auch im privaten Lebensbereich - eine Vorbildfunktion für uns alle, gibt es besonders in neuerer Zeit wieder große Diskussionen darüber, welches (eigentlich private) Verhalten eines Beamten dienstliche Belange berühre. Ein prominenter Fall bot Anlass zu dem Aufsatz "Das Tinder-Profil einer Bataillonskommandeurin und die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht - zugleich Anmerkung zum Beschluss des BVerwG vom 25.5.2022 - 2 WB 2.21" von Dr. Andreas Nitschke in ZBR  2023 154 ff.
Etwas genereller befasst sich Thorsten Masuch in ZBR 2023, 145 ff. mit dem Thema in seinem Aufsatz "Vom überzogenen Dienstbezug -Zum inner- und außerdienstlichen Fehlverhalten von Beamtinnen und Beamten".

Disziplinarrecht und Strafrecht

Übersehen Sie bitte nicht, dass Sexualstraftaten schon wegen der Höhe der von dem Strafgericht zu verhängenden Strafe zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führen können und dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einigen Bereichen von großer Strenge geleitet ist.
So wird zum Beispiel jede Form des Kindesmissbrauchs im Regelfall als (besonders) schweres Dienstvergehen angesehen, das zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann, aber nicht in jedem Fall führen muss.
Ähnliches gilt für den Besitz und insbesondere für das Verbreiten kinderpornografischer Dateien mit den den ohnehin schon mehrfach erhöhten Mindeststrafandrohungen.
Wenn Sie sich als Anwalt oder in anderer Rolle im juristischen Umfeld mit diesen Fragen befassen müssen, kann Ihnen vielleicht ein Aufsatz von Prof. Dr. Hans-Dietrich Weiß in ZBR 2014, 114 ff hilfreich sein: "Pornografisches Fehlverhalten als Dienstvergehen". Sie finden dort eine ganz umfassende Darstellung, die allerdings - u.a. wegen der erwähnten mehrfachen Veränderungen des Sexualstrafrechts nicht mehr in jedem Detail aktuell sein kann.
So sind zum Beispiel im November 2016 als weitgehende Änderungen von §§ 177 ff. StGB in Kraft getreten.

Bei uns finden Sie nur einige Beispiele und Anmerkungen zu disziplinarrechtlich relevantem Fehlverhalten. Dabei geht es uns, um eine häufig gestellte Frage einmal zu beantworten, nicht um die Darstellung von uns selbst bearbeiteter Fälle, sondern um die Erläuterung der Problematik anhand von Gerichtsurteilen, die uns wichtig erscheinen.
Sexuelle Handlungen von Lehrer an Schüler / BVerwG - 2 B 11.20 - Beschluss vom 09.06.20 (Auszug) Intimes Verhältnis eines Lehrers zu minderjähriger Schülerin / VG Aachen, Beschluss vom 08.02.17 - 1 L 50/17 - Sexuelle Belästigung durch SMS (innerdienstliches Dienstvergehen) Sexuelle Belästigung: Rückstufung oder Gehaltskürzung oder ...? Sexuelle Belästigung nach Beendigung einer Liebesbeziehung Besitz von Kinderpornografie und Jugendpornografie Kindesmissbrauch als besonders schweres außerdienstliches Dienstvergehen

Im übrigen kann es Probleme auch in anderen Bereichen geben, etwa im Gewerberecht oder bei Ausbildungsverhältnissen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.02.11 - 11 CS 10.3056 -,hat gebilligt, dass einem Fahrlehrer wegen eines Fehlverhaltens gegenüber einer Fahrschülerin die Fahrlehrererlaubnis entzogen wurde.

Aus dem Arbeitsrecht: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.06.11 zu den Folgen einer sexuellen BelästigungDas Bundesarbeitsgericht billigt die außerordentliche Kündigung eines nebenberuflich als Kirchenmusiker tätigen Lehrers wegen sexueller Handlungen mit einer Minderjährigen, wie Sie einer in NJW 2014, 1691 ff. veröffentlichen Entscheidung (Urteil vom 26.09.13 in der Sache 2 AZR 741/12) entnehmen können.
Es ging um die nebenberufliche Tätigkeit eines Lehrers, der von den Verwaltungsgerichten aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden war und nun auch seine nebenberufliche Tätigkeit als Kirchenmusiker verlor.



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A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
B. Beispiele Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Anabolika Arbeitszeitbetrug Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Chatgruppen Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Drogenerwerb Betäubungsmittel / Soldat Eigentumsdelikt im Dienst fehlerhafte Arbeitsweise Fernbleiben vom Dienst Flucht in die Öffentlichkeit Gesunderhaltungspflicht Impfpflicht / Soldaten / Beamte Internetauftritt Kinderpornografie / Übersicht Körperverletzung im Amt Meineid Nebentätigkeit Nichtbefolgen von Weisung Reaktivierung abgelehnt
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