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Disziplinarrecht: Besitz kinderpornografischer Bilder als Dienstvergehen

Die Rechtsprechung zum Disziplinarrecht unterliegt - wie auch zum Beispiel die Rechtsprechung zum Polizeirecht - Veränderungen. Sie ist dem "Zeitgeist" verbunden und reflektiert (natürlich) den Wandel gesellschaftlicher Anschauungen. Nicht immer steht dabei die nüchterne Analyse im Vordergrund.
Die nachstehende Entscheidung ist heute nicht mehr relevant, niemand wird sich noch auf sie beziehen und andere gerichtliche Entscheidungen erfassen die Probleme besser - oder sagen wir: zeitgemäßer.
Die werden die Entscheidung deshalb in Kürze vom Netz nehmen.

OVG Saarlouis Beschluss vom 06.09.07, 7 B 346/07

Zwischen dem sexuellen Missbrauch von Kindern und dem Besitz kinderpornografischer Schriften, dem ein sexueller Missbrauch notwendig vorausgegangen ist, besteht kein qualitativer Unterschied, der es rechtfertigt, Straftaten der letztgenannten Art aus disziplinarer Sicht grundsätzlich in einem milderen Licht als den Missbrauch als solchen zu sehen.

Ein Beamter, dem es obliegt, andere - wenn auch nur hinsichtlich bestimmter Rechtsbereiche - auf die Gesetzmäßigkeit ihres Handelns hin zu überprüfen, steht in besonderem Maße in der Pflicht, selbst nicht straffällig zu werden.


Das Verwaltungsgericht hat den gemäß § 63 BDG zulässigen Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung des Beamten und Einbehaltung von 25 % seiner Dienstbezüge zurückgewiesen.
Das OVG stimmt dem zu:

1.
Der Beamte meine, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sei es bei Vorliegen eines außerdienstlichen Vergehens erforderlich, dass dieses Auswirkungen auf die Kernpflichten des Beamten haben müsse, um eine Entfernung aus dem Dienst zu rechtfertigen.

Das OVG antwortet darauf:
Dieser Einwand verkennt, dass es bezogen auf ein außerdienstliches Fehlverhalten in Gestalt der Beschaffung und des Besitzes kinderpornografischen Materials einen Rechtsgrundsatz des behaupteten Inhalts nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gibt.

Weder in seiner grundlegenden Entscheidung zur disziplinaren Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Schriften (BVerwG, Urteil vom 06.07.00 - 2 WD 9/00 -, BVerwGE 111, 291 ff.) noch in Folgeentscheidungen (BVerwG, Urteile vom 08.11.01 - 2 WD 29/01 -, NVwZ 2002, 1378 f., vom 11.02.03 - 2 WD 35/02 -, NVwZ-RR 2003, 573 f., vom 27.08.03 - 2 WD 39/02 -, NVwZ 2004, 625 f., vom 17.02.04 - 2 WD 15/03 -, DÖV 2005, 344 f. = NVwZ-RR 2006, 553, und vom 28.04.05 - 2 WD 25/04 -) hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage einer Kernpflichtverletzung als Voraussetzung der Höchstmaßnahme problematisiert. Es knüpft vielmehr an seine ständige Rechtsprechung zum sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen an, den es als in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich beschreibt, weswegen als dessen disziplinare Ahndung regelmäßig die Höchstmaßnahme angemessen sei, und führt aus, dass Gleiches grundsätzlich auch für Fehlverhalten gelte, das der Beschaffung und dem Besitz von kinderpornografischen Schriften für sich oder einen Dritten diene.
Denn der Konsument, der sich kinderpornografische Filme, Fotografien, Videofilme oder Tonaufnahmen beschaffe, trage dazu bei, dass Kinder sexuell missbraucht werden. Daraus erwachse eine mittelbare Verantwortlichkeit des Verbrauchers für die Existenz eines entsprechenden Marktes und den mit seiner Versorgung verbundenen sexuellen Kindesmissbrauch. Denn die Nachfrage schaffe erst den Anreiz, kinderpornografische Bilder herzustellen und die betroffenen Kinder beziehungsweise Jugendlichen zu missbrauchen.
In die Maßnahmebemessung eines solchen Fehlverhaltens seien auch generalpräventive Erwägungen einzubeziehen. Als generalpräventive Erwägungen seien vor allem die Warn- und Abschreckungswirkung zu berücksichtigen, die aus der Sicht eines vorurteilsfreien und besonnenen Betrachters die Ahndung nicht nur des unmittelbaren, sondern auch des mittelbaren sexuellen Missbrauchs eines Kindes oder Jugendlichen im Wege der Beschaffung und des Besitzes von kinderpornografischen Schriften erfordere. (BVerwG, Urteil vom 06.07.00, a.a.O., S. 295 f.)
Diese am Fall eines Soldaten in Vorgesetztenstellung entwickelte Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht in den Folgejahren konsequent fortgeführt und immer wieder bekräftigt, dass ein solches Fehlverhalten eines Soldaten in Vorgesetztenstellung so gravierend sei, dass er im Allgemeinen für die Bundeswehr untragbar werde und nur in minder schweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe in seinem Dienstverhältnis, jedoch grundsätzlich nicht mehr als Vorgesetzter, verbleiben könne. Maßgeblich für diese Bewertung sei insbesondere, dass Verstöße gegen einschlägige strafgerichtliche Schutzbestimmungen, die zugunsten von Kindern und Jugendlichen erlassen worden sind, gerade auch wegen der Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Kinder und der Sozialschädlichkeit nach wie vor als verabscheuungswürdig angesehen würden; sie setzten den Täter dementsprechend einer sehr kritischen Resonanz und Missachtung in der Bevölkerung aus und offenbarten in der Regel gravierende Persönlichkeitsmängel. (BVerwG, Urteil vom 28.04.05, a.a.O.)
In seinem Urteil vom 08.11.01, durch welches einem Offizier das Ruhegehalt aberkannt wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass ein Dienstvergehen nicht deshalb weniger schwer wiege, weil der Beamte sich nicht selbst an Kindern sexuell vergangen habe. (BVerwG, Urteil vom 08.11.01, a.a.O., S. 1378)

Diese Rechtsprechung belege, so meint das OVG Saarlouis, dass das Bundesverwaltungsgericht zwischen dem sexuellen Missbrauch von Kindern und dem Besitz kinderpornografischer Schriften, dem ein sexueller Missbrauch notwendig vorausgegangen ist, keinen qualitativen Unterschied sehe, der es rechtfertigen würde, Straftaten der letztgenannten Art aus disziplinarer Sicht grundsätzlich in einem milderen Licht zu sehen als den Missbrauch als solchen.
Ob der Beamte durch sein außerdienstliches Fehlverhalten eine Kernpflicht verletzt habe, spiele in der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Rolle.
Auch die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte gehe von der grundsätzlich gleich schwer zu gewichtenden Sozialschädlichkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des Besitzes kinderpornografischer Schriften aus, wobei Gegenstand der ergangenen Entscheidungen regelmäßig Verfehlungen von Lehrern oder Polizeibeamten gewesen seien.
"Dass fallbezogen auch mit dem Begriff der Kernpflichtverletzung argumentiert wird, ergibt sich bei diesen Berufsgruppen aus der Natur der Sache. Beinhaltet das Begehen einer Straftat des Besitzes kinderpornografischer Materialien - wie bei Lehrern und Polizeibeamten - gleichzeitig die Verletzung einer Kernpflicht, so drängt sich die Notwendigkeit der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme in besonderem Maße auf. Dies bedeutet aber nicht, dass die Entfernung aus dem Dienst nur im Falle einer Kernpflichtverletzung die angemessene disziplinare Ahndung sein kann."

2.
Der weitere Einwand des Beamten, das Bundesverwaltungsgericht sei bislang davon ausgegangen, dass außerdienstlich begangene Vergehen für eine Entfernung aus dem Dienst nicht ausreichend seien, nur bei Verbrechen könnten auch außerdienstliche Verfehlungen mit einer Entfernung aus dem Dienst geahndet werden, entbehrt ebenfalls der Grundlage.

So hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 08.11.01 einem Offizier, der wegen Verstoßes gegen § 184 Abs. 5 StGB a.F. angeklagt war (das Strafverfahren war nach § 153 a StPO eingestellt worden), das Ruhegehalt aberkannt, ohne zu dem Umstand, dass sein Fehlverhalten sich strafrechtlich als Vergehen und nicht als Verbrechen darstellte, auch nur ein Wort zu verlieren. Auch in den übrigen einschlägigen Entscheidungen wird die strafrechtliche Untergliederung strafbaren Handelns in Vergehen und Verbrechen nicht als Kriterium des Disziplinarmaßes problematisiert, was konsequent ist, da das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung hervorhebt, dass Straf- und Disziplinarverfahren von unterschiedlichen Zwecksetzungen geprägt werden und die strafrechtliche Bewertung daher keine Indizwirkung für die Disziplinarentscheidung habe. (z.B. BVerwG, Urteil vom 08.11.01, a.a.O., S. 1379)
Schon wegen dieser unterschiedlichen Zwecksetzungen kommt dem Umstand, dass das Strafrecht den sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ausweislich des vorgegebenen Strafrahmens tendenziell schwerer bestraft als den in § 184 b Abs. 4 StGB geregelten Besitz kinderpornografischer Schriften, im Rahmen der disziplinaren Ahndung nicht die Bedeutung zu, es widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil die Auffassung vertreten habe, dass der Besitzer von Kinderpornografie nicht wesentlich günstiger beurteilt werden könne als der Missbrauchstäter selbst.


3.
Demnach bleibt zusammenzufassen, dass die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst im Falle eines außerdienstlich begangenen Verstoßes gegen § 184 b Abs. 4 StGB auch ohne Kernpflichtverletzung durchaus die angemessene Disziplinarmaßnahme sein kann.

Eine mit Blick hierauf verfügte vorläufige Dienstenthebung setzt nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Dies ist der Fall, wenn im konkreten Disziplinarverfahren eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigt, dass auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird. Ob diese Prognose gerechtfertigt ist, ist fallbezogen zu klären.
Vorliegend ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme gegen den Antragsteller nach derzeitigem Sach- und Streitstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Das in den Verwaltungsunterlagen dokumentierte, vom Antragsteller gesammelte Bildmaterial belegt in einer Vielzahl von Darstellungen eindeutig, dass die Kinder - insbesondere auch Kleinkinder - von Erwachsenen in einer besonders rücksichtslosen und anstößigen Art und Weise durch Ausübung des Oral-, Vaginal- und Analverkehrs missbraucht worden sind. Das Sammeln und Abspeichern derartiger Darstellungen zeigt tiefgreifende Persönlichkeitsmängel auf. Die bisherige persönliche Einlassung des Antragstellers gibt keine Veranlassung zur Annahme, dass dieser das Unrecht und Verwerfliche seines Handelns erkannt hat. So hat er anlässlich seiner Vernehmung vom 14.02.06 bekundet, es sei richtig, dass er sich eine Vielzahl pornografischer Bilder und Filme aus dem Internet runtergeladen habe, darunter "offenbar" auch die Kinderpornos; warum er dies getan habe, sei ihm nicht erklärlich. Diese Aussage spricht dafür, dass er der Kinderpornografie keinen besonderen Unrechtsgehalt beigemessen, sich also über die Folgen des Missbrauchs für die kindlichen Opfer keinerlei Gedanken gemacht hat. Seine Einlassung anlässlich der Hauptverhandlung in der Strafsache bestätigt dies, so dass die Einschätzung des Strafrichters in dem gegen den Antragsteller ergangenen Urteil, dass der Antragsteller eine tiefergehende Einsicht und Reue vermissen lasse, überzeugt.
Zwar lässt der Antragsteller zwischenzeitlich über seinen Bevollmächtigten vortragen, er habe sich seit der Verurteilung durch das Amtsgericht intensiv mit dem Vorwurf beschäftigt und bereue sein Verhalten nunmehr zutiefst. Dieses Vorbringen entbehrt allerdings jeglicher inhaltlichen Konkretisierung und erschöpft sich daher aus derzeitiger Sicht in einer bloßen Behauptung.

Schließlich wird das Gewicht der Tat - ungeachtet der nicht entscheidungserheblichen Frage eines Versagens im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten - auch dadurch geprägt, dass der Beamte im Ermittlungsdienst der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eingesetzt war und die Durchsetzung gesetzlicher Ge- und Verbote daher - wenn auch hinsichtlich anderer Rechtsbereiche - zu seinen Dienstaufgaben gehörte. Ein Beamter, dem es obliegt, andere auf die Gesetzmäßigkeit ihres Handelns hin zu überprüfen, unterliegt - was die Notwendigkeit eigenen gesetzeskonformen Handelns angeht - aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit mit guten Gründen strengeren Anforderungen an seine eigene Gesetzestreue und seine moralische Integrität als ein Beamter, dessen Dienstaufgaben keine derartigen Besonderheiten aufweisen. Er steht in besonderem Maße in der Pflicht, selbst nicht straffällig zu werden.

Schließlich wird die Prognose, der Antragsteller habe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit verloren, nicht dadurch grundsätzlich in Frage gestellt, dass sein Fehlverhalten in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden ist. (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18.11.04, a.a.O., S. 352) Angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens kann dem Antragsteller die disziplinare Höchstmaßnahme nach derzeitiger Einschätzung auch nicht aus Milderungsgründen, die in seiner Person liegen, erspart werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass er bisher gute dienstliche Leistungen erbracht hat und weder strafgerichtlich noch disziplinar vorbelastet ist. Allerdings wiegt dies nicht auf, dass er jedenfalls im Verlauf des Strafverfahrens keinerlei Reue oder Scham erkennen ließ und auch zwischenzeitlich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass er mit der Aufarbeitung des in der Tat zum Ausdruck kommenden schweren Persönlichkeitsmangels zumindest begonnen hat.

Disziplinarrecht / Übersicht Dienstvergehen / Übersicht
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