Entlassung / Trunkenheitsfahrt während Polizeiausbildung
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.09.19 - 4 S 2577/19 -
Die Entlassung eines in Ausbildung befindlichen Polizeibeamten auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG kann auch wegen nur einer Trunkenheitsfahrt mit 1,88 Promille Blutalkoholkonzentration gerechtfertigt sein.
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Am 01.07.2016 wurde der Antragsteller als Polizeikommissaranwärter bei der Hochschule für Polizei unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Polizeivollzugsdienst eingestellt. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 26.06.2019 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verurteilt, nachdem er nach einer Studentenparty am 11.04.2019 gegen 02:00 Uhr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,88 Promille von einer mobilen Verkehrskontrolle aufgegriffen worden war. Nach Zustimmung des Personalrats verfügte der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung am 23.07.2019 die Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst wegen fehlender charakterlicher Eignung. Über den Widerspruch hiergegen wurde noch nicht entschieden. Mit Widerspruch, Eilantrag und Beschwerde macht der Antragsteller insbesondere geltend, damals aufgrund einer außergewöhnlichen privaten Stresssituation (Trennung von seiner Partnerin sowie den 2008 und 2015 geborenen Kindern) auf die Studentenparty mitgegangen zu sein, was eigentlich persönlichkeitsfremd sei, auch weil er „eigentlich nie“ trinke. Zudem sei er bald am Ende der Ausbildung und müsse noch die Chance erhalten, den „Bachelor of Arts (B.A.) - Polizeivollzugsdienst/Police Service“ abzuschließen.
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Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der erforderlichen charakterlichen Eignung ist - ebenso wie die der fachlichen Eignung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 28.10.2004 - 2 C 23.03 - und vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 -, jeweils Juris) und anders als die der gesundheitlichen Eignung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 - 2 C 12.11 - und Beschluss vom 24.01.2017 - 2 B 75.16 -, beide Juris) - ein Akt wertender Erkenntnis. Der dem Dienstherrn bei der Ausfüllung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Bewährung eingeräumte Beurteilungsspielraum führt dazu, dass die hierauf beruhende Entscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann, und zwar darauf, ob der gesetzliche Begriff der Bewährung oder die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt worden sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.03.1998 - 2 C 5.97 -, vom 31.05.1990 - 2 C 35.88 - und vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, jeweils Juris m.w.N.).
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Ausgehend von diesen Maßstäben geht auch der Senat bei der hier nur summarisch möglichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass der Antragsteller zu Recht wegen charakterlicher Nichteignung für den Polizeivollzugsdienst entlassen wurde. Vor allem ist es für den Senat wenig überzeugend, wenn der Antragsteller immer wieder vorträgt, „eigentlich nie“ Alkohol zu trinken. Der Bundesgesetzgeber geht im Rahmen des Fahrerlaubnisrechts davon aus, „dass alkoholauffällige Kraftfahrer bereits mit einer BAK ab 1,6 Promille über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen. Da diese Personen doppelt so häufig rückfällig werden wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen“, sei hier „das Erfordernis zusätzlicher Verdachtsmomente nicht mehr vertretbar“ (BR-Drs. 443/98 S. 6).
Vor diesem Hintergrund ist entweder davon auszugehen, dass der 1989
geborene, mithin nicht mehr jugendliche Antragsteller zwar kein
Alkoholproblem hat, jedoch dazu neigt, in persönlichen Konfliktsituationen
Stress und Sorgen in Alkohol „zu ertränken“, oder aber ein Alkoholproblem
hat, sich diesem aber nicht stellen und keine Therapie angehen möchte. In
beiden Fällen besteht die vom Antragsgegner bei einer Autofahrt mit einer
Blutalkoholkonzentration von 1,88 Promille schlüssig angenommene Gefahr
einer erneuten Trunkenheitsfahrt und Verkehrsstraftat, weswegen die
charakterliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst verneint werden durfte.
Dass der Antragsteller strafrechtlich wegen Fahrlässigkeit und (nur) mittels
Strafbefehl verurteilt wurde, spielt insoweit dienstrechtlich keine
entscheidende Rolle. Wegen der rechtskräftig festgestellten Straftat mussten
auch keine Einschätzungen und Bewertungen von Vorgesetzten eingeholt werden.
Ohne entscheidungserhebliche Relevanz ist weiter, dass der Antragsteller
nach seinen Angaben momentan in einer stabileren familiären Situation lebt,
denn jeder Mensch durchlebt im Laufe seines Lebens immer wieder auch
Krisensituationen.
8 Der Antragsgegner war im konkreten Einzelfall des Antragstellers nicht, auch nicht aus § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG, wonach die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, gezwungen, den Antragsteller noch seine Ausbildung abschließen zu lassen. Natürlich ist ein „Bachelor of Arts (B.A.) - Polizeivollzugsdienst/Police Service“ (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 1 APrOPol gD) im Lebenslauf wesentlich günstiger als eine wegen Entlassung abgebrochene Ausbildung. Da im Fall der Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst jedoch keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt, wie das Verwaltungsgericht auch insoweit vollumfänglich zutreffend ausgeführt hat, und der Antragsteller nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat ohnehin keine Aussicht mehr auf Übernahme in den Polizeivollzugsdienst hat, kann keine Rechtspflicht des Antragsgegners gegeben sein, einen ungeeigneten Beamten dennoch auf Staatskosten weiter auszubilden.
Die Entlassung eines in Ausbildung befindlichen Polizeibeamten auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG kann auch wegen nur einer Trunkenheitsfahrt mit 1,88 Promille Blutalkoholkonzentration gerechtfertigt sein.
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Am 01.07.2016 wurde der Antragsteller als Polizeikommissaranwärter bei der Hochschule für Polizei unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Polizeivollzugsdienst eingestellt. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 26.06.2019 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verurteilt, nachdem er nach einer Studentenparty am 11.04.2019 gegen 02:00 Uhr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,88 Promille von einer mobilen Verkehrskontrolle aufgegriffen worden war. Nach Zustimmung des Personalrats verfügte der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung am 23.07.2019 die Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst wegen fehlender charakterlicher Eignung. Über den Widerspruch hiergegen wurde noch nicht entschieden. Mit Widerspruch, Eilantrag und Beschwerde macht der Antragsteller insbesondere geltend, damals aufgrund einer außergewöhnlichen privaten Stresssituation (Trennung von seiner Partnerin sowie den 2008 und 2015 geborenen Kindern) auf die Studentenparty mitgegangen zu sein, was eigentlich persönlichkeitsfremd sei, auch weil er „eigentlich nie“ trinke. Zudem sei er bald am Ende der Ausbildung und müsse noch die Chance erhalten, den „Bachelor of Arts (B.A.) - Polizeivollzugsdienst/Police Service“ abzuschließen.
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Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der erforderlichen charakterlichen Eignung ist - ebenso wie die der fachlichen Eignung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 28.10.2004 - 2 C 23.03 - und vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 -, jeweils Juris) und anders als die der gesundheitlichen Eignung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 - 2 C 12.11 - und Beschluss vom 24.01.2017 - 2 B 75.16 -, beide Juris) - ein Akt wertender Erkenntnis. Der dem Dienstherrn bei der Ausfüllung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Bewährung eingeräumte Beurteilungsspielraum führt dazu, dass die hierauf beruhende Entscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann, und zwar darauf, ob der gesetzliche Begriff der Bewährung oder die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt worden sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.03.1998 - 2 C 5.97 -, vom 31.05.1990 - 2 C 35.88 - und vom 27.11.1980 - 2 C 38.79 -, jeweils Juris m.w.N.).
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Ausgehend von diesen Maßstäben geht auch der Senat bei der hier nur summarisch möglichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass der Antragsteller zu Recht wegen charakterlicher Nichteignung für den Polizeivollzugsdienst entlassen wurde. Vor allem ist es für den Senat wenig überzeugend, wenn der Antragsteller immer wieder vorträgt, „eigentlich nie“ Alkohol zu trinken. Der Bundesgesetzgeber geht im Rahmen des Fahrerlaubnisrechts davon aus, „dass alkoholauffällige Kraftfahrer bereits mit einer BAK ab 1,6 Promille über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen. Da diese Personen doppelt so häufig rückfällig werden wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen“, sei hier „das Erfordernis zusätzlicher Verdachtsmomente nicht mehr vertretbar“ (BR-Drs. 443/98
8 Der Antragsgegner war im konkreten Einzelfall des Antragstellers nicht, auch nicht aus § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG, wonach die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, gezwungen, den Antragsteller noch seine Ausbildung abschließen zu lassen. Natürlich ist ein „Bachelor of Arts (B.A.) - Polizeivollzugsdienst/Police Service“ (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 1 APrOPol gD) im Lebenslauf wesentlich günstiger als eine wegen Entlassung abgebrochene Ausbildung. Da im Fall der Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst jedoch keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt, wie das Verwaltungsgericht auch insoweit vollumfänglich zutreffend ausgeführt hat, und der Antragsteller nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat ohnehin keine Aussicht mehr auf Übernahme in den Polizeivollzugsdienst hat, kann keine Rechtspflicht des Antragsgegners gegeben sein, einen ungeeigneten Beamten dennoch auf Staatskosten weiter auszubilden.