Wenn die Beförderung abgelehnt wird: Absage = Negativmitteilung
Es geht hier um den Anspruch des Beamten (m/w/d), über eine für ihn negative Beförderungsentscheidungen angemessen informiert zu werden, falls also eine Bewerbung abgelehnt oder in Verfahren ohne Ausschreibung mitgeteilt wird, dass der einzelne Beamte nicht für eine Beförderung vorgesehen ist.Dabei wollen wir zeigen,
dass die Verletzung dieses Anspruchs einen Verstoß gegen Art. 19 IV GG darstellt,
dass nach überwiegender Auffassung die Auswahlentscheidung in dieser Mitteilung nicht unbedingt zu begründen ist,
dass aber jedenfalls ein Akteneinsichtsrecht des nicht ausgewählten Bewerbers besteht.
Bedenken Sie, dass ggf. innerhalb von 14 Tagen ein gerichtliches Eilverfahren anzustrengen ist.
Die Mitteilung vom Ausgang eines Auswahlverfahrens an die unterlegenen Bewerber, deren Bewerbung damit praktisch abgelehnt wird, nennt man im juristischen Sprachgebrauch Negativmitteilung. Sie ist wahrscheinlich nicht als Verwaltungsakt anzusehen. Dennoch sollten Sie gegen die Negativmitteilung vorgehen.
Die nachstehenden Erwägungen gelten auch für Fälle, in denen weit im Vorfeld einer Beförderung bereits bestimmte Stellen vergeben werden, wenn diese Vergabe direkt zu einer Beförderung führen soll.
Der Dienstherr hat erfolglose Bewerber rechtzeitig darüberzu informieren, dass sie nicht ausgewählt wurden.
Beamte, die für die Beförderung in Betracht kommen können, aber nicht ausgewählt werden, müssen vom Dienstherrn rechtzeitig vor der Beförderung des ausgewählten Beamten informiert werden.Es ist allerdings insbesondere dann, wenn die Stellen nicht ausgeschrieben werden, in einigen Verwaltungen nicht unüblich, die nicht ausgewählten Beamten ohne jede Nachricht zu lassen oder sie erst später - ganz nebenbei - über eine bereits erfolgte Beförderung zu informieren. Das verstößt eindeutig gegen Art. 19 IV / 33 II GG.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.06.11 - BVerwG 2 C 19.10 -:
"Schließlich war die frühere Beförderungspraxis der Beklagten mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz zur Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs (Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG) nicht zu vereinbaren. Dies folgt schon daraus, dass sie die bevorstehenden Beförderungen den nicht berücksichtigten Listenbewerbern nicht vorher rechtzeitig mitgeteilt hat. Sie hat damit verhindert, dass diese vor der Ernennung der für eine Beförderung vorgesehenen Beamten gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen konnten (Urteile vom 01.04.04 - BVerwG 2 C 26.03 -, ...)."
Ist die Auswahlentscheidung in der Negativmitteilung schriftlich zu begründen?
Falls Sie sich über die Art und Weise ärgern, in der man Ihnen die Mitteilung von der Ablehnung Ihrer Beförderung bzw. der entsprechenden Bewerbung überbracht hat, oft nämlich ohne Begründung und ohne Rechtsbehelfsbelehrung, so nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Diese ärgerliche Praxis hat sich breit gemacht, weil die Rechtsprechung die Anforderungen an die Form und den Inhalt dieser Ablehnungen stark gesenkt hatte.Als immer noch aktuell wird man folgende Formulierung aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bezeichnen können:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.18 - BVerwG 2 A 5.18 -
RN 35
Der im Verfahren unterlegene Bewerber hat Anspruch auf eine verbindliche Information durch den Dienstherrn über das Ergebnis des Auswahlverfahrens, damit er nicht Gefahr läuft, ein Rechtsmittel auf ungesicherter tatsächlicher oder rechtlicher Grundlage zu ergreifen oder mit dem Rechtsmittel zu spät zu kommen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179>; BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 2 C 26.03 - NVwZ 2004, 1257, vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 34 und zuletzt vom 30. August 2018 - 2 C 10.17 - NVwZ 2018, 1866 Rn. 11).
Dem erfolglosen Bewerber ist nicht nur der Name des ausgewählten Bewerbers bekanntzugeben, sondern es sind ihm jedenfalls auf sein Verlangen hin die für die Auswahlentscheidung wesentlichen Erwägungen mitzuteilen oder zumindest im Wege der Akteneinsicht zugänglich zu machen.
Die Mitteilung soll den unterlegenen Bewerber in die Lage versetzen, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Im Umkehrschluss folgt aus diesen allgemeinen Anforderungen an die Konkurrentenmitteilung aber auch, dass der unterlegene Bewerber gerichtlichen Eilrechtsschutz grundsätzlich in Anspruch nehmen kann und zur Wahrung seiner rechtlichen Interessen auch muss, wenn er Zugang zu diesen Informationen hatte und die Ernennung des vom Dienstherrn ausgewählten Bewerbers derzeit jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30.15 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 78 Rn. 32).
Im Jahr 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht die von dem Bundesverwaltungsgericht erwähnte Entscheidung getroffen und dabei die Möglichkeit erwähnt, dass der abgelehnte Bewerber sich über die Gründe unterrichten kann, indem er Akteneinsicht nimmt.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss 09.07.07 - 2 BvR 206/07 -:
Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <70>; 103, 142 <160>).
Die Annahme, die Auswahlerwägungen könnten auch erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers in unzumutbarer Weise. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass ohne die Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen eine substantiierte Begründung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs kaum - oder jedenfalls nur sukzessive auf die Erwiderung des Dienstherrn hin - möglich ist. Vielmehr ist es dem Beschwerdeführer insbesondere nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung seines Dienstherrn gewissermaßen "ins Blaue hinein" in einem gerichtlichen Eilverfahren angreifen zu müssen, um überhaupt nur die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung zu erfahren. Im Übrigen stellt nur die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind, und erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG.
...
Die Auffassung im angegriffenen Beschluss des Hessischen VGH steht überdies im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach lässt § 114 Satz 2 VwGO nur die Ergänzung von Ermessenserwägungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu, nicht aber die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (vgl. BVerwGE 106, 351 <365>; 107, 164 <169> sowie Beschluss vom 20.08.03 - 1 WB 23/03 -, RiA 2004, S. 35 <37> für ein beamtenrechtliches Konkurrentenverfahren). So liegen die Dinge aber hier, weil die Auswahlerwägungen des Dienstherrn im gerichtlichen Verfahren nicht lediglich ergänzt, sondern erstmals dargelegt worden sind. In der angegriffenen Entscheidung wird hierzu ausgeführt: "Diese schriftliche Fixierung der Auswahlerwägungen ist vorliegend während des Auswahlverfahrens unterblieben; vielmehr enthält der Besetzungsvorgang lediglich einen Vermerk darüber, dass 'nach Vortrag bei Herrn Staatssekretär am ...' der Beigeladene als der am besten geeignete Kandidat im Bewerberfeld die ausgeschriebene Stelle erhalten soll. Weshalb der Beigeladene als der am besten geeignete Kandidat erscheint, lässt sich dieser Auswahlentscheidung jedoch nicht entnehmen. Vielmehr ist erst durch den Erwiderungsschriftsatz im gerichtlichen Eilverfahren erkennbar geworden, auf welche Gründe der Antragsgegner sich bei seiner Entscheidung für den Beigeladenen gestützt hat."
Das Bundesverfassungsgericht betont also Art. 19 IV GG.
Es fordert zumindest eine Dokumentation, die durch Akteneinsicht zur Kenntnis des Beamten gelangen kann.
Daraus wird die Verwaltung immer noch folgern: wir müssen in der Negativmitteilung an den abgelehnten Beamten noch keine Gründe nennen, wir können ihn auf Akteneinsicht verweisen. Aber nicht nur das Oberverwaltungsgericht NRW hat sich mit einem Beschluss vom 26.11.08 - 6 B 1416/08 - ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezogen und einem abgelehnten Beamten Recht gegeben, sondern Folgendes ist heutzutage wohl unbestrittene Meinung:
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 26.11.08 - 6 B 1416/08 -
"Das Schreiben, mit dem die Bezirksregierung die Antragstellerin vom Ausgang des Auswahlverfahrens in Kenntnis gesetzt hat, ist im Hinblick auf die Auswahlerwägungen nichtssagend. Darin heißt es: "Die Auswahlentscheidung erfolgte unter Zuhilfenahme der Kriterien dienstliche Beurteilung sowie Dienstalter".Eine solche Mitteilung versetzt den unterlegenen Bewerber nicht in die Lage, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Ihr ist nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen, dass und auf welcher Grundlage die Bezirksregierung ... von einem Qualifikationsgleichstand ausgegangen ist und die Auswahlentscheidung daher allein anhand des Hilfskriteriums "Dienstalter" getroffen hat.
Ebenso wenig sind die wesentlichen Auswahlerwägungen in den Verwaltungsvorgängen hinreichend schriftlich fixiert, sodass sich die Antragstellerin auch durch Akteneinsicht keine Kenntnis davon verschaffen, sondern allenfalls Vermutungen anstellen konnte. Dass sich der Dienstherr die Einschätzung des schulfachlichen Dezernenten zu eigen gemacht hat, wonach mangels signifikanter Unterschiede bei den vorgelegten dienstlichen Beurteilungen keine Auswahl im Wege der Binnendifferenzierung getroffen werden könne, ist an keiner Stelle ausdrücklich vermerkt. Da die dienstlichen Beurteilungen, auf Grund derer er seine Einschätzung abgegeben hat, weder nach Datum noch sonst irgendwie gekennzeichnet sind, kann nur vermutet werden, dass es sich ausschließlich um die jeweils aktuellen dienstlichen Beurteilungen der in die nähere Wahl einbezogenen Bewerber gehandelt hat. Ob der Dienstherr darüber hinaus auch zurückliegende dienstliche Beurteilungen geprüft hat, um einen möglichen Qualifikationsvorsprung eines Bewerbers zu ermitteln, ergibt sich aus den Verwaltungsvorgängen nicht."
Die Dokumentationspflicht und das Akteneinsichtsrecht abgelehnter Bewerber
Hieraus ist zumindest der Schluss zu ziehen, dass auf jeden Fall eine Dokumentationspflicht besteht, die im Zusammenspiel mit dem Akteneinsichtsrecht im Bereich des Konkurrentenschutzes eine herausragende Rolle spielt.Durch Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 16.12.08 - BVerwG 1 WB 19.08 - hat das Bundesverwaltungsgericht ähnlich entschieden:
"Bei militärischen Auswahl- und Verwendungsentscheidungen sind die wesentlichen der Entscheidung zugrundeliegenden Auswahlerwägungen so zu dokumentieren, dass eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung – insbesondere auch darauf, ob diese ermessens- und beurteilungsfehlerfrei ergangen ist – möglich ist.
Eine im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Begründung, mit der Auswahlerwägungen für die getroffene Entscheidung nachgeholt werden, genügt nicht der Dokumentationspflicht."
Hierzu gibt es eine ganze Reihe von Folgeentscheidungen aller möglichen Verwaltungsgerichte.