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Was tun nach Erhalt der Negativmitteilung?

Der VGH Baden-Württemberg hat in einer Beschwerdeentscheidung vom 26.03.19 in sehr verständlicher Form dargestellt, was der abgelehnte Bewerber tun kann, sobald er von der Ablehnung seiner Bewerbung erfahren hat.

Zunäüchst erläutert das Gericht die Bedeutung der Negativmitteilung (kein Vewaltungsakt).
Dann legt es dar, weshalb dennoch Widerspruch (bzw. in einigen Bundesländern: Klage) erhoben werden sollte, nämlich wegen der besonderen Ausgestaltung des Beamtenrechts.
Und danach erklärt das Gericht das weitere Vorgehen, das darauf gerichtet sein muss, die Ernennung des ausgewählten Bewerbers vorläufig zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen ist ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren einzuleiten. Dafür gibt es einen zeitlichen Rahmen von 14 Tagen ab Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung.

Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg, Beschluss vom 26.03.19 - 4 S 177/19 -

Leitsatz:

3. Die der Ernennung vorgelagerte Auswahlentscheidung sowie die sog. Negativmitteilung sind keine Verwaltungsakte.
Letztere soll unterlegenen Bewerbern Gelegenheit geben, vorbeugend gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.12.11 - 2 B 106.11 -).

aus der Begründung:

2 Soweit der Antragsgegner bereits einen Anordnungsgrund für nicht gegeben hält, greift sein Vorbringen allerdings nicht durch. Insoweit macht der Antragsgegner geltend, die angegriffene Auswahlentscheidung sei ein Verwaltungsakt und der Bestandskraft fähig. Diese Ansicht trifft nicht zu.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ... sind die der Ernennung vorgelagerte Auswahl­entscheidung sowie deren Bekanntgabe keine Verwaltungsakte.

Die sogenannte Negativ-Mitteilung an nicht ausgewählte Bewerber kündigt die Ernennung, d.h. den Erlass eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung, für den Fall an, dass eine Wartefrist verstreicht oder die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erfolglos bleibt.
Sie soll unterlegenen Bewerbern Gelegenheit geben, vorbeugend gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, mit dem Ziel, die Ernennung vorläufig zu verhindern.
Ein Bewerber, der davon Gebrauch macht, verfolgt einen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf vorbeugende Unterlassung der Ernennung.

Da weder die Auswahlentscheidung noch deren Bekanntgabe damit der Bestandskraft fähig sind, steht insoweit die nicht erfolgte Anfechtung selbst nach Ablauf der Jahresfrist der Zulässigkeit einer Bescheidungsklage nicht entgegen.
[Anmerkung: Dieser Satz sollte Sie nicht verwirren. Die Sache ist und bleibt eilbedürftig und Sie sollten - nach unserer Meinung - auch Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung erheben.]

3 Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob dem Eilverfahren in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren ein von einem Hauptsacheverfahren abgekoppelter Sicherungszweck zukommt, der unabhängig von der Zulässigkeit eines grundsätzlich möglichen, aber regelmäßig nicht mehr stattfindenden vorbeugenden Hauptsacheverfahrens zu bejahen ist.
Denn die Zulässigkeit eines ggf. noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens ist hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das gemäß § 54 Abs. 2 BeamtStG durchzuführende beamtenrechtliche Vorverfahren nicht innerhalb der Jahresfrist durch Einlegung eines Widerspruchs eingeleitet worden ist.
Grundsätzlich müssen Beamte gegen jedes Tun oder Unterlassen des Dienstherrn sowie gegen jeden von ihm zu verantwortenden Zustand, in dem sie eine Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung aus dem Beamtenverhältnis sehen, Widerspruch einlegen, wenn sie den Rechtsweg beschreiten wollen. Die Klagemöglichkeit wird durch den Erlass des Widerspruchsbescheids eröffnet. Dieser ändert die Rechtsnatur der vom Beamten geforderten oder beanstandeten Maßnahme aber nicht. Eine verwaltungsinterne Maßnahme wird durch den Widerspruchsbescheid nicht zum Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.13 - 2 C 23.12 -, m.w.N.).

4 Auch in beamtenrechtlichen Angelegenheiten dient das Widerspruchsverfahren der Selbstkontrolle der Verwaltung, dem individuellen Rechtsschutz und der Entlastung der Verwaltungsgerichte. Sind diese Ziele vor Klageerhebung schon auf andere Weise erreicht worden oder können sie nicht mehr erreicht werden, ist ein Widerspruchsverfahren sinnlos. Seine Durchführung würde einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Formalismus darstellen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unnötig verzögern. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens in diesen Fällen stellt eine der gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Ausnahmen dar, die sich aus Sinn und Zweck der § 126 Abs. 2 BRRG, § 54 Abs. 2 BeamtStG, §§ 68 f. VwGO ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.13 - 2 C 23.12 -, Juris m.w.N.).

5 Den genannten Zielen trägt im Konkurrentenstreitverfahren - soweit sie in diesem Verfahren erreichbar sind - das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Rechnung.
Der abgelehnte Bewerber muss vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen mit dem Ziel, die Stelle bis zu einer abschließenden Entscheidung über seinen Bewerbungsverfahrensanspruch freizuhalten, um zu verhindern, dass durch die Ernennung des ausgewählten Konkurrenten vollendete Tatsachen geschaffen werden.
Wird die umstrittene Stelle anderweitig besetzt, bleibt ihm sowohl die erfolgreiche Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes als auch primärer Rechtsschutz in der Hauptsache versagt. Der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit erledigt sich regelmäßig mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle, weil Beförderung und Besetzung der Stelle grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.03 - 2 C 14.02 -, Juris m.w.N.).

Es obliegt daher dem unterlegenen Bewerber, rechtzeitig, nämlich vor oder spätestens zwei Wochen nach der Bekanntgabe vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Macht er hiervon Gebrauch wird deutlich, dass er die getroffene Auswahlentscheidung nicht hinnimmt. Tritt der Dienstherr dem Antrag entgegen, steht zudem fest, dass dieser von der Möglichkeit der Selbstkorrektur vor Ergehen der gerichtlichen Entscheidung keinen Gebrauch macht. Insofern erschiene es als reine Förmelei, parallel zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Durchführung eines beamtenrechtlichen Vorverfahrens im Hinblick auf ein regelmäßig nicht mehr stattfindendes Hauptsacheverfahren zu verlangen.

Vielleicht sollte man noch anmerken:
Das Gericht führt aus, dass innerhalb eines Jahres Widerspruch erhoben werden solle / könne.
Wir pflegen allerdings in unseren Fällen nicht so lange mit der Widerspruchserhebung zu warten, sondern schon vor Einleitung des Eilverfahrens Widerspruch zu erheben, weil es dazu unterschiedliche Meinungen geben könnte.

Bitte prüfen Sie bei landesrechtlichen Streitigkeiten auf jeden Fall, ob das Landesrecht ein Vorverfahren ausgeschlossen hat. Darüber informiert man sich im jeweiligen Landesbeamtengesetz.

Die Zweiwochenfrist ist keine gesetzliche Ausschlussfrist. Ob ein Eilantrag auch später noch anhängig gemacht werden kann, entscheidet sich im Wesentlichen danach, ob die Ernennung des ausgewählten Beamten (m/w/d) bereits erfolgt ist.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
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