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Konkurrentenschutz bei Beförderungsauswahl / Anforderungsprofil

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erläutert in der nachfolgenden Entscheidung eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, an welchen Kriterien sich das Anforderungsprofil auszurichten hat und in welchem Maße Spezialkenntnisse verlangt werden dürfen.
Der Leser, der zwischen den Zeilen Stehendes zu deuten weiß, wird erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unbedingt überzeugt ist und dass es jedenfalls dem einzelnen Gesetzgeber (also: den Bundesländern) die Kompetenz zuspricht, das eigene Beamtenrecht jeweils anders auszurichten.


Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.05.14 - OVG 7 S 20.14 -

2. Die angegriffene Entscheidung erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als richtig. Die Antragstellerin hatte bereits erstinstanzlich zutreffend geltend gemacht, dass die Auswahlentscheidung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 20.06.13 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20) nicht zu vereinbaren sei. Das Bundesverwaltungsgericht führte in dem genannten Beschluss aus, dass eine – wie hier – an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung auf das Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen sei. Hiermit sei nicht vereinbar, einen Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen, nur weil er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspreche.
Denn nach dem Laufbahnprinzip werde ein Beamter auf Grund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind. Da grundsätzlich erwartet werden könne, dass der Beamte im Stande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten, solle der ausgewählte Bewerber der am besten Geeignete für jeden Dienstposten sein, der für einen Inhaber des Statusamtes, dem der konkret zu besetzende Dienstposten zugeordnet ist, amtsangemessen ist. Ausnahmen hiervon seien nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetze, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringe und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen könne. Die Voraussetzungen einer Ausnahme habe der Dienstherr darzulegen; deren Vorliegen unterliege voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 18 f., Rn. 28 f.).

Diesen Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts genügt die verfahrensgegenständliche Auswahlentscheidung nicht. Die Antragsgegnerin hat ihrer Auswahlentscheidung nicht die Anforderungen des der Besoldungsgruppe A 16 zugeordneten Statusamts einer Leitenden Archivdirektorin / eines Leitenden Archivdirektors zu Grunde gelegt, sondern das in der Stellenausschreibung aufgestellte Anforderungsprofil.
Sie begründet ihre Auswahlentscheidung ... damit, dass der Beigeladene zur Besetzung des Dienstpostens eines Leiters / einer Leiterin der Abteilung am besten geeignet sei. Diese Argumentation ist mit der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu vereinbaren. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Zulässigkeit des Abstellens auf ganz bestimmte Anforderungen des konkret zu besetzenden Dienstpostens nicht dargelegt. Hinsichtlich der im Anforderungsprofil unter den Spiegelstrichen zwei bis zehn genannten Voraussetzungen (mehrjährige Berufserfahrung auf mindestens zwei verschiedenen Dienstposten; ausgeprägte Führungsfähigkeiten, insbesondere Integrationskraft; Kenntnisse im Projektmanagement; Aufgeschlossenheit für die Anwendung neuer Elemente der Verwaltungssteuerung in der Facharbeit; hohe Innovationsbereitschaft; hohe Aufgeschlossenheit für die Anwendung der Informationstechnik; Entscheidungsfreude, Eigenständigkeit und Durchsetzungsvermögen; Engagement sowie Belastbarkeit; Präsentations- und Verhandlungsfähigkeiten) liegt der Ausnahmefall fern.

Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob er sich die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu eigen macht.
Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dient der Absicherung eines grundsätzlich im Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Anspruchs. In der Hauptsache ließe sich das Bundesverwaltungsgericht in dritter Instanz anrufen. Sollte der Senat vom Bundesverwaltungsgericht abweichen, könnte dieses seine neue Rechtsprechung bestätigen. Angesichts dieser Rechtsprechung dürfte der Senat nicht im vorläufigen Rechtsschutz abweichend entscheiden mit der Folge, dass die anschließende Beförderung des Beigeladenen unumkehrbar wäre. Dem stünde das Recht der Antragstellerin aus Art. 19 Abs. 4 GG auf effektiven Rechtsschutz entgegen.

Die Klärung der Rechtsfrage bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Der Senat hatte die Abweichung des Bundesverwaltungsgerichts von der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Ermittlung des gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung am besten geeigneten Bewerbers stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt unter Berücksichtigung von dessen Aufgabenbereich zu erfolgen habe (Beschlüsse vom 26.11.10 – 2 BvR 2435/10 – juris Rn. 12, vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 1120/12 – juris Rn. 11 und vom 7. März 2013 – 2 BvR 2582/12 – juris Rn. 16) in seinem Beschluss vom 14.04.14 – OVG 7 S 19.14 – (juris Rn. 6) so gedeutet, dass der verfassungsrechtliche Rahmen für das Bundesbeamtenrecht einfachgesetzlich konkretisiert sein könnte. Gegen die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind jedoch auch Einwände aus dem Bundesgleichstellungsgesetz angebracht worden (von Roetteken, jurisPR-ArbR 1/2014 Anm. 4), über die zu befinden sein wird.

Auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Aussichten der Antragstellerin, bei einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, offen, denn ihre dienstliche Beurteilung schließt mit demselben Gesamturteil wie diejenige des Beigeladenen. Der Anordnungsgrund liegt vor, weil die Auswahlentscheidung auf die spätere Vergabe eines Beförderungssamtes gerichtet ist, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter BewerbernKonkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Disziplinarverfahren Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Stehzeit im Amt als Voraussetzung Beförderungsplanstelle wertgleiche Umsetzung Einengung des Bewerberkreises Leistungsprinzip / Art. 33 II GG Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Bundesverfassungsgericht Befähigung zum Richteramt? Hess VGH 11.04.14 sog. konstitutive Auswahlkriterien NdsOVG 06.02.17 Berufserfahrung notwendig?
Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Widerspruch und/oder Klage Eilverfahren im Beförderungsstreit Der / die Beigeladene
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