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Familienrecht: Unterhalt für minderjährige Kinder und Schüler bis 21 Jahre


Unterhaltsansprüche der Kinder gegen ihre Eltern


Wir zeigen Ihnen nur ein einziges, verwirrendes Berechnungsbeispiel, das keinesfalls ungewöhnlich kompliziert ist. Wir wollen damit der Erwartung begegnen, Unterhaltsansprüche ließen sich in einer Erstberatung verbindlich und auf Heller und Pfennig genau berechnen.
Wird die Unterhaltsfrage streitig, so ist oft schon die Feststellung der Tatsachen schwierig.
Und zu vielen einzelnen Rechtsfragen werden unterschiedliche Meinungen vertreten, so dass derartige Verfahren wirklich in einen Rosenkrieg münden können.

Die nachfolgende Entscheidung beruht auf einem unstreitigen Sachverhalt. Nur deshalb ist sie so "übersichtlich". Sie bezieht sich auf das bis zum 31.12.07 geltende Recht.


OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.06.06 - 6 UF 105/05 -

1. Bei Unterhaltspflichten gegenüber einem privilegierten volljährigen Kind und weiteren minderjährigen Kindern ist, wenn der andere Elternteil ebenfalls barunterhaltspflichtig ist, von dem verfügbaren Einkommen der auf jedes Kind entfallende anteilige Barbetrag zu ermitteln.

2. Aus diesem Betrag im Verhältnis zu dem für Unterhaltszwecke einzusetzenden Einkommen des anderen Elternteils ergeben sich die Haftungsquoten für den nicht gedeckten Bedarf des privilegierten volljährigen Kindes.


Die im März 1987 geborene volljährige Klägerin, Kind aus der geschiedenen Ehe des Beklagten (also ihres Vaters) mit ihrer Mutter, lebt im Haushalt ihrer Mutter und besucht die Fachoberschule, die sie Mitte 2006 mit dem Fachabitur abschließen will.
Der Beklagte ist wieder verheiratet. Aus seiner neuen Ehe sind die Kinder A (geb. 1993) und B (geb. 1996) hervorgegangen.
Die Mutter der Klägerin ist berufstätig.
Der Beklagte hat bisher an die Klägerin monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 360,00 DM (= EUR 184,07) zu zahlen.

Auf die Abänderungsklage der Klägerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab Juli 2005 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von EUR 345,00 zu zahlen. Die Berufung des Beklagten dagegen hat überwiegend Erfolg:
Der Beklagte muss lediglich EUR 216,00 monatlichen Kindesunterhalt zahlen.

Aus den Gründen:
Der Unterhaltsanspruch beruht auf §§ 1601 ff. BGB. Die Klägerin befindet sich noch in der allgemeinen Schulausbildung und hat keinerlei Einkünfte.

Der Bedarf der seit März 2005 volljährigen Klägerin ist nunmehr nach den zusammengerechneten Einkünften der Kindeseltern zu ermitteln. Dabei ist auf Seiten des Beklagten von einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von EUR 2.405,00 und auf Seiten der Mutter der Klägerin von einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von EUR 1.612,00 auszugehen.

Aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern der Klägerin in Höhe von insgesamt EUR 4.017,00 ergibt sich nach der Altersstufe IV /Einkommensgruppe 12 der Düsseldorfer Tabelle ein monatlicher Bedarf in Höhe von EUR 637,00 ab Juli 2005.

Hierauf ist das volle Kindergeld anzurechnen , weil dieses bei volljährigen Kindern insgesamt bedarfsdeckend einzusetzen ist (vgl. BGH, NJW 2006, 57), so dass ein (restlicher) Bedarf von monatlich EUR 468,00 bzw. EUR 483,00 verbleibt.

Diesen Bedarf haben die Mutter der Klägerin und der Beklagte anteilig aufzubringen.
Dabei ist das jeweilige Einkommen nach Abzug des notwendigen - nicht des angemessenen - Selbstbehalts zur Berechnung der Quote heranzuziehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist sein Einkommen nicht vorab um die vollen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Töchtern A und B zu bereinigen, da der BGH den Vorwegabzug dieser weiteren Unterhaltsverpflichtungen als keine billigenswerte Methode angesehen hat, weil dies zu einem unangemessenen Ergebnis führen würde. Denn ein Vorwegabzug hätte dann, wenn der eine Elternteil hinreichend leistungsfähig ist, zur Folge, dass dieser übermäßig belastet würde, während der andere zu Gunsten der weiteren Unterhaltsberechtigten entlastet würde. Könnte beispielsweise vorliegend die Mutter der Klägerin ihren so ermittelten Anteil nicht in vollem Umfang aufbringen, so bliebe deren Unterhaltsbedarf - im Gegensatz zu demjenigen der weiteren Unterhaltsberechtigten - teilweise ungedeckt (vgl. BGH, NJW 2002, 2026 = FamRZ 2002, 815 [818]).

Vielmehr ist die gleichrangige Barunterhaltspflicht in der Weise zu berücksichtigen, dass der Einsatzbetrag für die Anteilsberechnung desjenigen Elternteils, der Barunterhalt für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder zu erbringen hat, im Verhältnis des Bedarfs aller unterhaltsberechtigten Kinder zu dem für die Anteilsberechnung insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommen aufgeteilt wird (BGH, NJW 2002, 2026). Die Ermittlung der Haftungsquote geschieht dann in der Weise, dass auf Seiten des Beklagten in die Anteilsberechnung nur der prozentuale Anteil seines (nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden) Einkommens eingestellt wird, der dem Anteil des auf die Klägerin entfallenden Bedarfs am Gesamtunterhaltsbedarf aller gleichrangiger Kinder entspricht (vgl. BGH, FamRZ 2002, 818).

Für die Zeit ab Juli 2005 ergibt sich unter Anwendung der Düsseldorfer Tabelle folgender Gesamtbedarf:

Klägerin (Düsseldorfer Tabelle 2005: IV/12 -154 Euro) EUR 483,00

A (Düsseldorfer Tabelle 2005: III/7) EUR 414,00

B (Düsseldorfer Tabelle 2005: II/7) EUR 351,00,

gesamt EUR 1.248,00.

Das verfügbare Einkommen des Beklagten beläuft sich auf EUR 1.515,00 (= Nettoeinkommen: 2.405,00  - notwendiger Selbstbehalt: 890,00). Der Anteil der Klägerin am Gesamtbedarf beträgt 38,70% (= Bedarf der Klägerin: EUR 483,00 Euro/Gesamtbedarf der Kinder: EUR 1.248,00).
Vom zu Unterhaltszwecken verfügbaren Einkommen des Beklagten sind mithin EUR 586,31 in die Quotenberechnung einzubeziehen. Auf Seiten der Mutter der Klägerin sind dies EUR 722,00 Euro (= Einkommen der Mutter: 1.612,00 -notwendiger Selbstbehalt: 890,00). Zusammen ergibt dies einen Betrag von EUR 1.308,31 (= 586,31 + 722,00); daraus ergibt sich in Bezug auf den Beklagten eine Quote von 44,81% (= 586,31 / 1.308,31). Der Anteil des Beklagten am Bedarf der Klägerin beläuft sich mithin auf EUR 216,43, so dass der Beklagte einen monatlichen Unterhalt in Höhe von rund EUR 216,00 schuldet.

Unter Zugrundelegung allein des Einkommens des Beklagten ergäbe sich ein Unterhaltsanspruch von EUR 322,00 (= EUR 476,00 - 154,00).

Nach alledem steht der Klägerin ein höherer Unterhalt zu, als im Urteil vom Dezember 1992 tituliert ist. Dieses ist entsprechend abzuändern, nachdem auch die Wesentlichkeitsgrenze des § 323 1 ZPO unter den gegebenen Umständen überschritten ist.



Das sollte doch eigentlich ein überzeugendes Beispiel dafür sein, dass eine Unterhaltsberechnung selbst dann äußerst schwierig sein kann, wenn die Fakten feststehen.
Aber im Unterhaltsstreit wird häufig auch um die Tatsachen gestritten, es werden Auskünfte verweigert, Vermutungen aufgestellt, alles bestritten ...
Familienrecht / Übersicht
Unterhaltsrecht / Übersicht

Dauer und Höhe
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18 bis 21 Jahre privilegierte Schüler unter 21
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