Kindesunterhalt: Sonderbedarf
Die Beträge der Düsseldorfer Tabelle decken den so genannten Regelbedarf des Kindes vollständig ab: Essen, Trinken, Wohnen, Ferienreisen, sportliche Interessen, Taschengeld ...
Das Unterhaltsrecht will aber dem Kind unter Berücksichtigung seiner individuellen Lebenssituation gerecht werden, so dass jeweils auch zu fragen ist, ob Bedarf gegeben ist, der über das hinaus geht, der von Tabellen ganz schematisch erfasst wird.
Im Gegensatz zum Sonderbedarf ist Mehrbedarf voraussehbar und planbar.
Leider knüpfen die Juristen an die Unterscheidung zwischen Mehrbedarf und Sonderbedarf manchmal nur schwer nachzuvollziehende Bewertungen und sehen sogar unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Geltendmachung vor.
Wichtig ist hier zunächst einmal eine Abgrenzung: anzuerkennen ist nur das, was aus der Sicht eines objektiven Betrachters für die Lebensführung des Kindes wirklich angemessen oder notwendig ist, wie zum Beispiel eine kieferorthopädische Behandlung.
Die Juristen tun sich aber darüber hinaus schwer mit der Einordnung als Sonderbedarf.
Es muss sich um unregelmäßigen, plötzlich auftretenden oder zumindest nicht planbaren Bedarf handeln, der im Tabellenbedarf nicht enthalten ist und auch nicht vorhersehbar war, als über die Höhe des Unterhalts entschieden wurde.
Da kann man dann trefflich streiten, was vorhersehbar war und was nicht.
Die Antworten erscheinen bisweilen ein wenig willkürlich, so dass wir Ihnen hier auch keinen verbindlichen Katalog vorstellen können.
Kosten von Fahrstunden zum Erwerb des Führerscheins sind vorhersehbar und kein Sonderbedarf, Kosten von Klassenreisen werden unterschiedlich betrachtet, Konfirmation und Kommunion sind vorhersehbar und begründen keinen Sonderbedarf. Aber all dies ist umstritten. Es gibt wahre Listen von unterschiedlichen Entscheidungen zu gleichen Fragestellungen.
Beziehen Sie solche Positionen auf jeden Fall möglichst frühzeitig in die Überlegungen und in die Verhandlungen über den Kindesunterhalt ein und melden Sie den Bedarf beim anderen Elternteil möglichst frühzeitig an.
Mehrbedarf kann grundsätzlich nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
Ähnliche Überlegungen - Notwendigkeit rechtzeitiger Geltendmachung - gibt es übrigens in allen Feldern des Unterhaltsrechts, also nicht nur bezogen auf den Kindesunterhalt.
"Kosten des Schulhorts sind nur dann Mehrbedarf des Kindes, wenn der Hortbesuch im Interesse des Kindes (etwa aus pädagogischen Gründen) geboten ist. Kein Mehrbedarf sind diese Kosten, soweit deren Aufwendung erforderlich ist, um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen." (OLG Naumburg, aaO)
Nach der Rechtsprechung des OLG Hamburg sind Studiengebühren nicht im laufenden Unterhalt enthalten.
Kranken- und Pflegeversicherungskosten sind in den Tabellensätzen nicht enthalten, weil die Kinder meistens bei einem Elternteil mitversichert sind. Fallen besondere Kosten an, so besteht ein Anspruch auf Übernahme dieser Beträge. Sind Kinder seit ihrer Geburt privat krankenversichert, so haben sie nach Meinung des OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.04.12 - 3 UF 279/11) grundsätzlich auch einen Anspruch darauf, dass es so bleibt.
Ein Bedarf, der wegen seiner Unvorhersehbarkeit nicht berücksichtigt sein kann, kann als Sonderbedarf zusätzlich zum Tabellenunterhalt geltend gemacht werden:
- unvorhergesehene Arztkosten oder Kosten einer Operation, so weit die Krankenkasse nicht eintritt;
- Kosten für Nachhilfestunden (umstritten, kann Mehrbedarf sein),
- für eine Klassenfahrt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2004, 1446 f. - geringer laufender Unterhalt reicht nicht für Rücklagen für Klassenfahrt; anders aber das OLG Hamm in einem Beschluss vom 21.12.10 - 2 WF 285/10-), sehr umstritten,
- oder für einen Schüleraustausch (sehr zweifelhaft, vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.10 - 2 WF 285/10 -).
Bisweilen versteigt sich die Rechtsprechung ins Absonderliche, etwa wenn sie einem getrennt lebenden Vater anteilig die Telefonsex-Kosten seines 14 Jahre alten Sohnes aufbürdet, obwohl die Kosten im Haushalt der betreuenden Mutter verursacht wurden.
Die Gerichte sind bei der Anerkennung von Sonderbedarf oft zurückhaltend. Was längerfristig geplant werden kann, wie etwa eine Konfirmationsfeier, begründet keinen Sonderbedarf, so der BGH, das OLG Hamm und das OLG Brandenburg. Aber auch die Bewertung der Konfirmation ist in der Rechtsprechung umstritten. Jedes Oberlandesgericht hat seine eigene Meinung. Das OLG Karlsruhe verneint Sonderbedarf, bemühte aber eine andere rechtliche Konstruktion, um den barunterhaltspflichtigen Vater an den Kosten zu beteiligen. Alles ist umstritten.
Dazu könnte eine Entscheidung des BGH vom 10.07.13 eine Art Handlungsanweisung bieten, die zur Frage des unterhaltsrechtlichen Mehrbedarfs ergangen ist:
Am 10.07.13 hat der Bundesgerichtshof zur Frage des Mehrbedarfs unter dem Aktenzeichen XII ZB 298/12 folgendes beschlossen:
1. Kosten für den längerfristigen Besuch von Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut (hier: Therapie einer Lese-Rechtschreib-Schwäche) können unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf begründen.
2. Für berechtigten Mehrbedarf eines minderjährigen Kindes haben grundsätzlich beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen, so dass vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen ist (im Anschluss an Senatsurteil vom 26.11.08, XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962).
Hier geht es um Sonderbedarf, der sich überraschend ergibt.
Leider knüpfen die Juristen an die Unterscheidung zwischen Mehrbedarf und Sonderbedarf manchmal nur schwer nachzuvollziehende Bewertungen und sehen sogar unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Geltendmachung vor.
Wichtig ist hier zunächst einmal eine Abgrenzung: anzuerkennen ist nur das, was aus der Sicht eines objektiven Betrachters für die Lebensführung des Kindes wirklich angemessen oder notwendig ist, wie zum Beispiel eine kieferorthopädische Behandlung.
Die Juristen tun sich aber darüber hinaus schwer mit der Einordnung als Sonderbedarf.
Es muss sich um unregelmäßigen, plötzlich auftretenden oder zumindest nicht planbaren Bedarf handeln, der im Tabellenbedarf nicht enthalten ist und auch nicht vorhersehbar war, als über die Höhe des Unterhalts entschieden wurde.
Da kann man dann trefflich streiten, was vorhersehbar war und was nicht.
Die Antworten erscheinen bisweilen ein wenig willkürlich, so dass wir Ihnen hier auch keinen verbindlichen Katalog vorstellen können.
Kosten von Fahrstunden zum Erwerb des Führerscheins sind vorhersehbar und kein Sonderbedarf, Kosten von Klassenreisen werden unterschiedlich betrachtet, Konfirmation und Kommunion sind vorhersehbar und begründen keinen Sonderbedarf. Aber all dies ist umstritten. Es gibt wahre Listen von unterschiedlichen Entscheidungen zu gleichen Fragestellungen.
Beziehen Sie solche Positionen auf jeden Fall möglichst frühzeitig in die Überlegungen und in die Verhandlungen über den Kindesunterhalt ein und melden Sie den Bedarf beim anderen Elternteil möglichst frühzeitig an.
Mehrbedarf kann grundsätzlich nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
Ähnliche Überlegungen - Notwendigkeit rechtzeitiger Geltendmachung - gibt es übrigens in allen Feldern des Unterhaltsrechts, also nicht nur bezogen auf den Kindesunterhalt.
Beispiele
"Beim Schulgeld handelt es sich um unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf des Kindes, für den die Eltern ihrem Kind gegenüber im Verhältnis ihrer Einkünfte zueinander haften." (OLG Naumburg, Beschluss vom 22.09.11 - 8 UF 118/11 -, in: NJW 2012, 623 ff.)"Kosten des Schulhorts sind nur dann Mehrbedarf des Kindes, wenn der Hortbesuch im Interesse des Kindes (etwa aus pädagogischen Gründen) geboten ist. Kein Mehrbedarf sind diese Kosten, soweit deren Aufwendung erforderlich ist, um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen." (OLG Naumburg, aaO)
Nach der Rechtsprechung des OLG Hamburg sind Studiengebühren nicht im laufenden Unterhalt enthalten.
Kranken- und Pflegeversicherungskosten sind in den Tabellensätzen nicht enthalten, weil die Kinder meistens bei einem Elternteil mitversichert sind. Fallen besondere Kosten an, so besteht ein Anspruch auf Übernahme dieser Beträge. Sind Kinder seit ihrer Geburt privat krankenversichert, so haben sie nach Meinung des OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.04.12 - 3 UF 279/11) grundsätzlich auch einen Anspruch darauf, dass es so bleibt.
Ein Bedarf, der wegen seiner Unvorhersehbarkeit nicht berücksichtigt sein kann, kann als Sonderbedarf zusätzlich zum Tabellenunterhalt geltend gemacht werden:
- unvorhergesehene Arztkosten oder Kosten einer Operation, so weit die Krankenkasse nicht eintritt;
- Kosten für Nachhilfestunden (umstritten, kann Mehrbedarf sein),
- für eine Klassenfahrt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2004, 1446 f. - geringer laufender Unterhalt reicht nicht für Rücklagen für Klassenfahrt; anders aber das OLG Hamm in einem Beschluss vom 21.12.10 - 2 WF 285/10-), sehr umstritten,
- oder für einen Schüleraustausch (sehr zweifelhaft, vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.10 - 2 WF 285/10 -).
Bisweilen versteigt sich die Rechtsprechung ins Absonderliche, etwa wenn sie einem getrennt lebenden Vater anteilig die Telefonsex-Kosten seines 14 Jahre alten Sohnes aufbürdet, obwohl die Kosten im Haushalt der betreuenden Mutter verursacht wurden.
Die Gerichte sind bei der Anerkennung von Sonderbedarf oft zurückhaltend. Was längerfristig geplant werden kann, wie etwa eine Konfirmationsfeier, begründet keinen Sonderbedarf, so der BGH, das OLG Hamm und das OLG Brandenburg. Aber auch die Bewertung der Konfirmation ist in der Rechtsprechung umstritten. Jedes Oberlandesgericht hat seine eigene Meinung. Das OLG Karlsruhe verneint Sonderbedarf, bemühte aber eine andere rechtliche Konstruktion, um den barunterhaltspflichtigen Vater an den Kosten zu beteiligen. Alles ist umstritten.
Anteilige Haftung der Eltern für Sonderbedarf
Für (anerkannten) Sonderbedarf haften beide Eltern anteilsmäßig. Derjenige, bei dem das Kind wohnt bzw. der es betreut, kann also einen Teil der Kosten von dem getrennt lebenden oder geschiedenen Expartner verlangen. Wie viel das ist, hängt von den jeweiligen Einkommensverhältnissen beider Eltern ab.Dazu könnte eine Entscheidung des BGH vom 10.07.13 eine Art Handlungsanweisung bieten, die zur Frage des unterhaltsrechtlichen Mehrbedarfs ergangen ist:
Am 10.07.13 hat der Bundesgerichtshof zur Frage des Mehrbedarfs unter dem Aktenzeichen XII ZB 298/12 folgendes beschlossen:
1. Kosten für den längerfristigen Besuch von Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut (hier: Therapie einer Lese-Rechtschreib-Schwäche) können unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf begründen.
2. Für berechtigten Mehrbedarf eines minderjährigen Kindes haben grundsätzlich beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen, so dass vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen ist (im Anschluss an Senatsurteil vom 26.11.08, XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962).