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Konkurrentenschutz: Bedeutung aktueller Beurteilungen für Beförderungsauswahl

Die nachstehende Entscheidung hat zwar schon fast 20 Jahre auf dem Buckel, aber ihr Leitsatz entspricht noch immer der ganz unbestrittenen Auffassung, dass einer Beförderungsauswahl vergleichbare und rechtmäßig dienstliche Beurteilungen zugrunde gelegt werden müssen.
Um die Frage, wann eine Beurteilung als rechtmäßig anerkannt werden kann und wann ein Vergleich der Beurteilungen in akzeptabler Weise durchgeführt wurde, gab es aber in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder heftigen Streit mit vielem Hin und Her und mancher Kehrtwendung in der Rechtsprechung.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.08.03, - 2 C 14 / 02 -,
NJW 2004, 870 ff. (Auszug);
den Leitsatz finden Sie auch in NVwZ 2004, 1380

Es entspricht dem Grundsatz der Bestenauslese, zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen; regelmäßig sind dies die im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen (vgl. BVerwG, NVwZ 2003, 1398).

Der Dienstherr hat dafür zu sorgen, dass die Beamten regelmäßig beurteilt werden. Die dienstliche Beurteilung mit ihrer auf das innegehabte Amt bezogenen Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung dient vor allem dem Vergleich zwischen den für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten.

Neben den aktuellen Beurteilungen sind auch frühere dienstliche Beurteilungen zu berücksichtigen. Aus ihnen ergeben sich Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig sind. Vor allem bei einem Vergleich zwischen den Bewerbern um ein Beförderungsamt können sie bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen für die künftige Bewährung in dem Beförderungsamt ermöglichen. Die daraus ableitbaren Entwicklungstendenzen haben nicht nur Bedeutung für den Vergleich von Bewerbern mit gleichwertigen aktuellen Beurteilungen (vgl. NVwZ 2003, 1398). Sie vermögen auch Aufschluss darüber zu geben, ob ein Bewerber bei einer Beurteilung im Hinblick auf die Besetzung eines Beförderungsamtes bevorteilt oder benachteiligt wird. Unter diesem Gesichtspunkt unterliegen auch die anlassbezogenen Beurteilungen der Mitbewerber in einem Konkurrentenstreitverfahren der gerichtlichen Kontrolle.

Das angefochtene Urteil hat bei der Überprüfung der Auswahlentscheidung zum Teil auf dienstliche Beurteilungen abgestellt, die wegen Rechtsfehler aufgehoben worden sind. Auf Aussagen solcher unwirksamer Beurteilungen kann eine Auswahlentscheidung nicht gestützt werden. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob von dem Gericht die "Gesamtnote" oder nur die Benotung einzelner Merkmale herangezogen wird. ...
Schließlich hätte das OVG die Leistungsentwicklung der Bewerber nachzeichnen müssen, bevor es auf sogenannte Hilfskriterien abstellen durfte. Erst wenn sich nach den vorrangigen Kriterien kein Vorsprung eines anderen Bewerbers gegenüber dem Kläger ergibt, darf die Beklagte leistungs- und eignungsbezogene Hilfskriterien bestimmen, nach denen die Auswahl erfolgt (vgl. BVerwG NJW 1989, 538).

Soweit wirksame dienstliche Beurteilungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung fehlen, hindert dies nicht, das Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen. Von der Behörde sind jedoch die eignungs-, leistungs- und befähigungsrelevanten Merkmale des Bewerbers zu ermitteln, die einen Vergleich nach den Anforderungen des Art. 33 II GG ermöglichen. Auch dabei ist die originäre, durch die Verwaltungsgerichte nicht ersetzbare Beurteilungskompetenz des Dienstherrn zu beachten. Hat dieser indessen versäumt, die Auswahlentscheidung auf fehlerfreie Grundlagen zu stützen, und ist es nicht mehr möglich, eine gesicherte Vergleichsbasis zu rekonstruieren, so trägt der Dienstherr die materielle Beweislast dafür, dass der nicht ernannte Bewerber auch nach einem fehlerfreien Auswahlverfahren ohne Erfolg geblieben wäre. Dies gilt sowohl für die nachzuholende Auswahl als auch für den Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung.

Die Beförderung des Mitbewerbers ohne eine fehlerfreie Beurteilung der Leistung, Eignung und Befähigung sämtlicher Bewerber indiziert zwar nicht, dass die getroffene Maßnahme auch im Ergebnis fehlerhaft war. Das Versäumnis der Beklagten führt jedoch zu einer Umkehrung der materiellen Beweislast. Ist unter Berücksichtigung der Beurteilungsprärogative des Dienstherrn nicht mit der erforderlichen richterlichen Überzeugung festzustellen, dass der Kläger aller Voraussicht nach auch dann nicht ausgewählt worden wäre, wenn die Beklagte die Grundsätze des Art. 33 II GG beachtet hätte, muss dem Begehren stattgegeben werden.

Zwar trifft die Beweislast für die Fehlerhaftigkeit einer Auswahlentscheidung wie auch für die Ursächlichkeit von Pflichtverletzung und Schaden grundsätzlich den Beförderungsbewerber.
Fehlen jedoch bereits die Grundlagen für eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung, so trägt die Behörde die Beweislast dafür, dass der unterlegene Bewerber auch bei fehlerfreier Auswahl nicht zum Zuge gekommen wäre. Denn die Beschaffung und die Erhaltung der für die Auswahlentscheidung erforderlichen Grundlagen liegt ausschließlich im Verantwortungsbereich der zuständigen Behörde (vgl. zu diesem Kriterium für die Beweislastverteilung BVerwGE 55, 288 [297] = NJW 1978, 2047; BVerwGE 109, 174 = NVwZ 2000, 81, und BVerwG, NVwZ-RR 2000, 690). Dabei geht es nicht nur darum, mit welcher Eignung seinerzeit Bewerber für das Beförderungsamt zur Verfügung gestanden haben; vielmehr geht es auch um die Kriterien, nach denen die Beklagte die Auswahl getroffen hat. Grundsätzlich hat die Behörde die Folgen von Fehlern zu tragen, die ausschließlich ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen sind.

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