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Corona: Dienstunfall oder Berufskrankheit?

Zu der Coronaproblematik gibt es zur Zeit erst wenige gerichtliche Entscheidungen und kaum Literatur.
Bisher bekannte gerichtliche Entscheidungen - Sie finden sie im Internet:

VG Augsburg, Urteil vom 21.10.21 – Au 2 K 20.2494
VG Würzburg, Urteil vom 26.10.21 – W 1 K 21.536

VG Sigmaringen Urteil vom 02.02.2022 - 5 K 1819/21 -, im Internet und in NVwZ 2022, 496 ff.
(Keine) Anerkennung einer Coronainfektion eines Lehrers als Dienstunfall oder Berufskrankheit
Leitsatz
Die COVID-19 Infektion eines einzelnen Schülers in einer Schulklasse begründet noch nicht ohne Weiteres ein wesentlich erhöhtes Ansteckungsrisiko im Sinne von § 45 Abs. 3 S. 1 LBeamtVG oder Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO für den unterrichtenden Lehrer. Tenor
Die Klage wird abgewiesen.


Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.12.22 - 1 L 123/22.Z -

Orientierungssatz

Die Annahme eines Dienstunfalls im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG setzt die Feststellung voraus, dass der Beamte sich an einem bestimmten Ort zu einem konkret bestimmbaren Zeitpunkt infiziert hat; jede Verwechslung mit einem anderen Ereignis muss ausgeschlossen sein. Es begegnet keinen Bedenken, wenn ein Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich ein Beamter nicht ausschließlich bei der Verrichtung seines Dienstes mit dem Coronavirus infiziert hat.

Verfahrensgang
vorgehend VG Magdeburg, 27.09.22, 5 A 6/22 MD, Urteil
Der Leitsatz der vorangegangenen Entscheidung des VG Magdeburg in dessen Sache 5 A 6/22 lautete wie folgt:
"Leitsatz:
Vereinzelt aufgetretene Infektionsfälle im beruflichen Umfeld machen die Verrichtung des Streifen- und Kontrolldienstes eines Zollbeamten noch nicht zu einer dienstlichen Verrichtung, für welche die Gefahr einer SARS-CoV-2 Infektion typisch ist im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 BeamtVG."
Sie finden die Entscheidung im Internet in der Rechtsprechungsdatenbank des Bundeslandes.


Sollten Sie mit diesen Fragen befasst sein, dann besorgen Sie sich auf jeden Fall auch die Abhandlung "Dienstunfallrechtliche Fragen bei COVID-19-Infektionen von Beamten" von Dr. Jörg-Michael Günther und Paula Fischer in "Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter", 2020, 309 ff.
Herr Dr. Günther ist auch Co-Autor der Besprechung des oben erwähnten Urteils des VG Sigmaringen vom 02.02.22 in NVwZ 2022, 500 f.

Wir empfehlen auch einen Besuch auf der Internetseite www.dguv.de (Deutsche gesetzliche Unfallversicherung).

Im günstigsten Fall können sich mit Hilfe von Untersuchungen gentechnisch Ansteckungswege nachverfolgen lassen, wenn Testmaterial aller in Betracht kommenden Personen vorliegt. Aber das wird sich in der Praxis wohl nur selten organisieren lassen.

Es gibt zwei denkbare Grundlagen für Dienstunfallfürsorgeleistungen nach Coronainfektion:

A. Corona-Infektion als Dienstunfall?

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.19, 2 A 1.19

Leitsätze:

1. Ein Körperschaden ist als Dienstunfallfolge anzuerkennen, wenn er durch einen Dienstunfall verursacht worden ist und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände (keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung) gegeben sind.

2. Das Merkmal "plötzlich" in der Legaldefinition des Dienstunfalls in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dient der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen und bedarf der wertenden Betrachtung. Erforderlich sind kurzzeitige Begebenheiten; sich über mehrere Tage hinziehende Ereignisse genügen in der Regel nicht.

Wer eine Corona-Infektion in Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit bringt, wird die Anerkennung als Dienstunfall beantragen.
Ob der Antrag erfolgreich ist, wird davon abhängen, ob die Umstände der Ansteckung plausibel und konkret auf bestimmte Situationen zurückgeführt werden können.
Da der Dienstunfall ein plötzliches, zeitlich und örtlich bestimmtes Ereignis - im Grunde eine Einwirkung auf den Körper des Betroffenen - voraussetzt und der Beamte im Zweifel den Zusammenhang mit der Dienstverrichtung beweisen muss, wird man zwar bei einer Ansteckung eine plötzliche, von außen kommende Einwirkung bejahen können, aber es wird Beweisschwierigkeiten geben können. Dabei geht es nicht nur um die persöniche Gewissheit des Betroffenen, dass die Ansteckung bei einer bestimmten Gelegenheit erfolgt ist. Sondern dies ist unter auch zu beweisen und insbesondere ist auch plausibel darzulegen, dass die Ansteckung nicht im privaten Bereich erfolgt ist.
Man müsste deshalb vielleicht jedermann nahelegen, eine Art Gefährdungstagebuch zu führen, wie es jetzt zum Beispiel von der Corona-App angeboten (und vermutlich nicht von vielen genutzt) wird.

Es könnten sich, wenn ein Dienstunfall anerkannt werden sollte, auch viele weitere im Dienstunfallrecht gängige Fragen stellen, etwa ob sich die entsprechenden Berufsgruppen im Einzelfall bewusst einer Lebensgefahr ausgesetzt haben und ob daraus etwas für die Gewährung von Dienstunfallfürsorge folgt.

Neben den juristischen werden sich auch viele medizinische Fragen stellen, insbesondere werden Spätfolgen einer Erkrankung diskutiert werden können.

Zunächst kann man nur dazu raten, möglichst genau Protokoll über die einzelnen Situationen zu führen, die medizinischen Befunde zeitnah zu dokumentieren und immer die Frage des Nachweises der Kausalität im Auge zu haben.
Letztlich werden also oft Fragen der Beweisbarkeit von entscheidender Bedeutung sein, wobei der kundige Jurist immer auch nach Beweislastregeln fragen wird. Mit ihnen befasst sich der Aufsatz
"Die Beweislastverlagerung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG - effektive prozessuale Stütze in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr?" von Kristina Knauber und Dr. Sandro Köpper in ZBR 2022, 86 ff.
Ein Patentrezept zur Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Dienstunfallfürsorge finden Sie allerdings auch in jenem Aufsatz nicht. Inhaltlich führt der Aufsatz direkt zur nächsten Fragestellung, da im Einzelfall vielleicht eher die Regelungen über die Berufskrankheit heranzuziehen sein mögen. Auch dann bleibt die Sache aer sehr schwierig.

B. Coronainfektion als Berufskrankheit?

Die Verwaltungsgerichte haben eine Unmenge von Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Grundrechtsbeschränkungen wegen der Pandemie zu entscheiden, aber die Materie wird sie vermutlich auch künftig beschäftigen, da sich Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige anderer Berufsgruppen im Umgang mit infizierten Personen selbst anstecken können.
So weit Beamte betroffen sind, werden bisher nur selten bearbeitete Fragen wahrscheinlich in größerer Zahl zu beantworten sein, denn es kommt durchaus in Betracht, dass entsprechende Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt werden.
Die Berufskrankheitenverordnung erkennt u. a. folgende Erkrankungen an:
"3 Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten
3101 Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war
3102 Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten ..."

Es kann durchaus die Meinung vertreten werden, dass es angemessen sei, eine Coronainfektion jedenfalls unter bestimmten Bedingungen als Berufskrankheit anzuerkennen und damit den Weg zu Leistungen der Dienstunfallfürsorge zu ebnen.
Die Abgrenzung zwischen Dienstunfall und Berufskrankheit anhand des gesetzlichen Begriffes eines "plötzlichen" Ereignisses ist nicht immer einfach und für Laien ist es oft wahrscheinlich kaum nachvollziehbar, warum die Juristen lange darüber streiten, wie eine Infektion nun rechtlich einzuordnen ist.

Berufskrankheiten entstehen in der Regel nicht durch ein plötzliches Unfallereignis.
Deshalb bedürfen sie anderer Überlegungen und anderer Prüfmuster.
Langsam sich entwickelnde Krankheiten können grundsätzlich nicht auf ein einzelnes, isoliertes Unfallereignis zurückgeführt werden. Dies gilt auch für Infektionskrankheiten, sofern nicht konkret bestimmt werden kann, wann und bei welcher konkreten Gelegenheit sich der Beamte infiziert hat.
Durch § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz (und entsprechendes Landesrecht) werden - wie im Sozialrecht - jene Erkrankungen in den rechtlichen Folgen einem Dienstunfall gleich gestellt, die in der Berufskrankheitenverordnung genannt sind.
Gewisse Unterschiede zur sozialrechtlichen Behandlung gibt es.
So ist die Aufzählung in der Berufskrankheitenverordnung für die Beamtenversorgung abschließend und die Anerkennung anderer Erkrankungen nicht möglich.

Einzelne Bundesländer haben eigene Rechtsverordnungen. Im hamburgischen Landesrecht gibt es eine Verordnung zur Bestimmung von Krankheiten in der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge vom 22.11.16 mit folgender Bestimmung:
§ 1 Hamburgische Verordnung zur Bestimmung von Krankheiten in der Beamtenunfallversorgung

Als Krankheiten im Sinne des § 34 Absatz 3 Satz 1 HmbBeamtVG werden die in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 (BGBl. I S. 2623), zuletzt geändert am 22.12.14 (BGBl. I S. 2397), in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im Einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt.
Sofern ein Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheiten-Verordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, nach § 9 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch ... in der jeweils geltenden Fassung anerkannt hat, gilt diese als Krankheit im Sinne von Satz 1.

Berufskrankheit: Es muss eine besondere Gefährdung gegeben gewesen sein.

Der Beamte muss nach der Art seines Dienstes der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen sein, wenn die Erkrankung als Berufskrankheit Anerkennung finden soll und Ansprüche aus dem Recht der Dienstunfallfürsorge hergeleitet werden sollen.
In der Berufskrankheitenverordnung findet sich folgende Regelung:
3101 Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
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