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Beamtenrechtliche Dienstunfallfürsorge - auch zu Hause?

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über den Unfall einer Lehrerin in ihrem eigenen häuslichen Arbeitszimmer, wo sie sich auf dienstliche Tätigkeiten vorbereitete.
Die im Einzelfall schwierige Abgrenzung geht hier zu Lasten der Lehrerin aus, weil das Risiko, das sich verwirklicht, ihrem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist, ihrer eigenen Risikosphäre.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.01.08, 2 C 23 / 06

In diesem Fall kein Dienstunfall bei Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer

Jedenfalls in den Fällen, in denen der Beamte die Wahl hat, ob er die dienstliche Tätigkeit in einem vom Dienstherrn hierfür vorgehaltenen Dienstzimmer oder andernorts (etwa im häuslichen Arbeitszimmer) ausüben will, kommt Dienstunfallschutz nur dann in Betracht, wenn der Unfall umgebungsunabhängig seine wesentliche Ursache in einer dienstlichen Verrichtung hat. Dabei ist maßgeblich, ob die den Unfall auslösende konkrete Tätigkeit bei objektiver Betrachtung typischerweise zu den Dienstaufgaben des Beamten gehört.


Die Klägerin ist Beamtin und Schulleiterin. Sie hatte in der Schule ein Dienstzimmer, das sie sich mit der stellvertretenden Schulleiterin teilen musste. Am 01.01.1998 wollte die Klägerin in ihrem ausschließlich mit einem Kohleofen beheizbaren häuslichen Arbeitszimmer eine Schulleiterbesprechung vorbereiten und dienstliche Schreiben an ihrem Computer abfassen. Als sie zwei gefüllte Kohleeimer in das Arbeitszimmer hineintragen wollte, stolperte sie über die Schwelle und stürzte mit dem Kopf gegen die Zimmertür. Dabei erlitt sie eine Verletzung der Halswirbelsäule und ist seitdem querschnittsgelähmt. Der Beklagte lehnte die Anerkennung als Dienstunfall ab. Die hiergegen erhobene Klage wurde in der Berufungsinstanz abgewiesen.
Auch die Revision blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unfallfürsorge, weil der Unfall
kein Dienstunfall im Sinne des § 31 I 1 BeamtVG ist.
Nach dieser Vorschrift ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.


Das gesetzliche Merkmal "in Ausübung des Dienstes" gemäß § 31 BeamtVG verlangt - außer dem hier nicht zweifelhaften Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Schaden - einen bestimmten Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Ausübung des Dienstes. Dieser Zusammenhang ist das entscheidende Kriterium, so dass nicht jeder ursächliche Zusammenhang mit der Ausübung des Dienstes genügt, sondern eine besonders enge ursächliche Verknüpfung mit dem Dienst bestehen. muss (BVerwG, NVwZ-RR 2002, 761; BVerwG, NVwZ-RR 2008, 269 Rdnr. 11). Ausgehend von dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos, das der gesetzlichen Regelung in § 31 I 1 BeamtVG nach Sinn und Zweck der Vorschrift zu Grunde liegt, steht der Beamte bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Risiken, die sich am Dienstort während der Dienstzeit verwirklichen, sind daher in der Regel dem Dienstherrn zuzurechnen (BVerwG, NVwZ-RR 2008, 269 Rdnr. 11).

Die Ausübung des Dienstes wird aber nicht stets durch Dienstzeit und Dienstort geprägt. Dies gilt vor allem für Beamte, die Dienstaufgaben in unterschiedlichem Umfang außerhalb der Dienststelle und außerhalb der "regelmäßigen" Arbeitszeit ausüben. Jedenfalls in den Fällen, in denen der Beamte die Wahl hat, ob er die dienstliche Tätigkeit in einem vom Dienstherrn hierfür vorgehaltenen Dienstzimmer oder andernorts (etwa im häuslichen Arbeitszimmer) ausüben will, verlässt der Beamte, der sich für den Dienst außerhalb des Dienstgebäudes entscheidet, grundsätzlich den unfallfürsorgerechtlich geschützten Risikobereich des Dienstherrn, den zu erweitern nicht in sein Belieben gestellt ist. In diesen Fällen kommt Dienstunfallschutz nur dann in Betracht, wenn der Unfall umgebungsunabhängig seine wesentliche Ursache in einer dienstlichen Verrichtung hat. Dabei ist maßgeblich, ob die den Unfall auslösende konkrete Tätigkeit bei objektiver Betrachtung typischerweise zu den Dienstaufgaben des Beamten gehört.

Lehrer gehören zu den Beamten, deren Dienstausübung sich nicht in Tätigkeiten im Schulgebäude, d. h. im räumlichen Risikobereich des Dienstherrn erschöpft. Hinsichtlich des Ortes und der Zeit bestimmter ihnen obliegender Tätigkeiten, etwa der Unterrichtsvorbereitung, der Korrektur von Klassenarbeiten oder wie hier der Vorbereitung der Schulleiterbesprechung und des Abfassens dienstlicher Schreiben ist ihnen weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt.

Es stand der Klägerin als Schulleiterin frei, diese Tätigkeiten in ihrem Dienstzimmer oder andernorts, auch außerhalb der üblichen Dienstzeit zu verrichten. Entscheidet sie sich aber, die Dienstaufgaben in ihrem häuslichen Arbeitszimmer zu erledigen, kommt Dienstunfallschutz nur eingeschränkt in Betracht. Die sich dort verwirklichenden Risiken sind in der Regel dem privaten (eigenwirtschaftlichen) Risiko des Beamten zuzuordnen; denn der Beamte, der darauf verzichtet, für die Erledigung dienstlicher Aufgaben das ihm vom Dienstherrn zur Verfügung gestellte Dienstzimmer zu benutzen, hat freiwillig die unfallfürsorgegeschützte Risikosphäre des Dienstherrn verlassen.

Ereignet sich in diesen Fällen, in denen der Beamte den Dienst wahlweise auch außerhalb des Dienstgebäudes ausüben kann, ein Unfall im privaten Lebensbereich des Beamten, kann gleichwohl ein Dienstunfall vorliegen. Um die fragliche Verrichtung des Beamten nicht der vorgegebenen Privatsphäre, sondern dem dienstlichen Bereich zuzurechnen, ist entscheidend auf die Anforderungen des Dienstes abzustellen. Diese müssen entsprechend dem Sinn und Zweck der Unfallfürsorgeregelung die wesentliche (objektive) Ursache der Verrichtung sein, bei der der Beamte den Unfall erleidet; die in Frage kommende Verrichtung muss durch die Erfordernisse desjenigen Dienstes, den der Beamte typischerweise zu leisten hat, ihre maßgebende Prägung erfahren (BVerwGE 37, 203 (206 f.); 51, 220 (222) ).

Bei der Beurteilung, welche Verrichtungen typischerweise zu den Dienstaufgaben des Beamten gehören, ist auf die dem Beamten in seinem Amt übertragenen Obliegenheiten und das sich daraus ergebende Berufsbild abzustellen. Die jeweiligen Verrichtungen des Beamten müssen ihre wesentliche Ursache in diesen Erfordernissen haben und in ihrer ganzen Eigenart durch sie geprägt sein. Diese Kriterien sind nicht nur für die Beurteilung maßgebend, ob Verrichtungen außerhalb der Dienstzeit und des Dienstortes überhaupt der Dienstausübung und damit dem unfallgeschützten Bereich zugeordnet werden können, sondern auch für die Entscheidung, ob dies in Bezug auf die jeweilige konkrete Verrichtung geschehen kann (BVerwGE 51, 220 [222f.]). Bei einem Beamten, der Arbeitszeit und Arbeitsort weitgehend selbst bestimmen darf, bei dem also der Eigeninitiative in Bezug auf die Dienstausübung ein weiter Spielraum einzuräumen ist, muss die konkrete Tätigkeit, bei der der Unfall sich ereignet hat, die maßgebende Prägung durch die Erfordernisse des Dienstes erfahren haben, d.h. diese Tätigkeit muss typischerweise zu den Dienstaufgaben des Beamten gehören (BVerwGE 37, 203 [207f.]).

Die konkrete Verrichtung, bei der sich der Unfall der Klägerin ereignete, war weder die Vorbereitung einer Schulleiterkonferenz noch das Abfassen dienstlicher Schreiben, beides eindeutig dienstliche Tätigkeiten, sondern das Tragen befüllter Kohleeimer zum Beheizen des häuslichen Arbeitszimmers. Es handelte sich hierbei um eine die dienstlichen Arbeiten vorbereitende Tätigkeit, die entscheidend durch die spezifische Beschaffenheit des häuslichen Bereichs, nämlich die Ausstattung des Arbeitszimmers mit einem Kohleofen geprägt war. Unerheblich ist, ob das Schleppen von Kohleeimern in der Schule der Klägerin zur Jahreswende 1997/1998 zu den dienstlichen Obliegenheiten des gesamten Lehrkörpers und auch der Schulleiterin gehörte, denn die von der Klägerin transportierten Kohleeimer waren nicht zum Beheizen der Schulräume gedacht.

Damit hatte der Unfall seine wesentliche Ursache nicht umgebungsunabhängig in· der konkreten dienstlichen Verrichtung. Vielmehr lag die wesentliche Unfallursache in äußeren Umständen, auf die der Dienstherr keinen Einfluss hatte und die daher weiterhin dem privaten Lebensbereich des Beamten zuzuordnen war. Die Ausstattung des häuslichen Arbeitszimmers - Kohleofen, Türschwelle - ist von der privaten Lebensführung geprägt und daher allein dem privaten Risikobereich der Klägerin zuzuordnen.



Einen ähnlichen Fall hat der VGH Bayern mit Beschluss vom 10.06.08 - 3 ZB 07/2366 -, in: ZBR 2010, 127 f., entschieden und die Anerkennung eines Dienstunfalles abgelehnt. Ein Steueroberinspektor, der zuhause "Wohnraumarbeit" leisten durfte (~ Telearbeitsplatz), war auf dem Weg von der Toilette zu seinem ein Stockwerk höher gelegenen Telearbeitsplatz auf der Treppe ausgerutscht und hatte sich das Knie verdreht.
Das Gericht nimmt eine Risikoverteilung zwischen dem privatem und dem unter Dienstunfallschutz stehenden häuslichen Bereich vor. Lesen Sie es nach in ZBR 2010, 127 f.

Wie die Sozialgerichtsbarkeit in diesen Fällen abgrenzt, können Sie einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.08.17 - B 2 U )/16 R - in NJW 2018, 1207 f. entnehmen.
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