Rückforderung von Bezügen: Die Einrede der Entreicherung zieht nicht immer
In Hamburg war es zu einer Vielzahl von Rückforderungen von Beamtenbezügen gekommen.
Man kann die vielen Fälle bestimmten Kategorien zuordnen: ein Beamter erhielt zu Unrecht eine Wechselschichtdienstzulage, bei dem nächsten Beamten war das Besoldungsdienstalter falsch berechnet, so dass er eine zu hohe Besoldung erhielt, ein weiterer Beamter erhielt zu Unrecht eine Ausgleichszulage nach § 13 Bundesbesoldungsgesetz alter Fassung ...
Die Rechtsprechung in Hamburg ist streng mit den Beamten, sie meint in nahezu allen Fällen, dass der Beamte die Überzahlung hätte erkennen müssen.
Die nachfolgende, teils gekürzte Entscheidung bezieht sich auf die Zahlung einer Ausgleichszulage nach Bundesbesoldungsgesetz.
Sie wurde bestätigt durch eine gleich lautende Entscheidung in ähnlicher Sache (Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 24.07.08, 21 K 4216/07).
Urteil des VG Hamburg - 20 K 2674/07 - vom 12.02.2008
Erfolglose Berufung auf den Einwand der Entreicherung bei Überzahlung einer Ausgleichszulage zur Besitzstandwahrung
Erfolglose Berufung auf den Einwand der Entreicherung bei Überzahlung einer Ausgleichszulage zur Besitzstandwahrung
Die Klage ist unbegründet.
Die Rückforderung der Bezüge beruht auf § 12 Abs. 2 BBesG. Die Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat Bezüge von der Beklagten ohne Rechtsgrund erlangt (hierzu unter 1.). Der Rückforderung steht nicht der Einwand der Entreicherung entgegen (hierzu unter 2.). Schließlich scheitert die Rückforderung weder an der Einrede der Verjährung (unter 3.) noch an der unterbliebenen Beteiligung des Personalrats (unter 4.).
1.
Die Zahlung von Ausgleichszulagen in der Zeit von 1998 bis Dezember 2004 erfolgte ohne Rechtsgrund. Denn der zuvor gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 BBesG gewährten Ausgleichszahlung war aufgrund der Beförderung der Klägerin in einen mit A 10 besoldeten Dienstposten die rechtliche Grundlage entzogen. Vor der Beförderung der Klägerin in die Besoldungsstufe A 10 diente die Ausgleichszahlung dazu, den von der Klägerin im Rahmen ihres Amtes im mittleren Dienstes in der Besoldungsstufe A 9 erzielten Besitzstand zu wahren. Durch den Wechsel der Klägerin in ein mit A 9 besoldetes Amt des gehobenen Dienstes wäre aufgrund des Wegfalls der Zulage im mittleren Dienst die Klägerin in der Besoldungsstufe A 9 im gehobenen Dienst schlechter gestellt worden als mit A 9 im mittleren Dienst. Zum Ausgleich dieser Schlechtersteilung erfolgte gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 BBesG die Gewährung einer Zulage, die in den Bezügemitteilungen als "Man.AusgI.Besitzst." Lohnart 277 erkennbar war. Die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Zulage entfielen aber durch die Beförderung der Klägerin. Da die Besoldung im gehobenen Dienst in der Besoldungsgruppe A 10 über der Besoldung der Klägerin in der Besoldungsgruppe A 9 im mittleren Dienst lag, bedurfte es keiner Besitzstandwahrung durch Ausgleichszahlung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 BBesG mehr.
2.
Die Klägerin kann sich nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen. Die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung scheitert an der verschärften Haftung der Klägerin gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 BBesG in Verbindung mit den §§ 818 Abs. 4. 819 Abs. 1 BGB. Gemäß § 819 Abs. 1 BGB ist der Empfänger der rechtsgrundlosen Leistung, der den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kennt oder ihn später erfährt, von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu diesem Zeitpunkt rechtshängig geworden wäre. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin keine positive Kenntnis von der Zuvielzahlung hatte, so hindert dies eine Berufung auf die Entreicherung dennoch, da es gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 BBesG einer Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleichsteht, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen; die Offensichtlichkeit des Mangels ist gegeben, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat. Dabei bedeutet "offensichtlich" nicht "ungehindert sichtbar", vielmehr ist eine Tatsache schon dann offensichtlich, wenn sie der Erkenntnis leicht durch andere als optische Wahrnehmung zugänglich ist, insbesondere dann, wenn sie durch Nachdenken, logische Schlussfolgerungen oder durch sich aufdrängende Erkundigungen in Erfahrung gebracht werden kann (BVerwG, Urt. v. 09.05.06, 2 C 12.05; BVerwG Urt. v. 21.04.1982, 6 C 112.78; BVerwG, Urt. v. 08.02.1968, 11 C 6.67; OVG Saarland, Urteil vom 27.04.07, 1 R 22/06).
Vorliegend war der Mangel des rechtlichen Grundes erkennbar, da die Klägerin nach der Beförderung in die Besoldungsstufe A 10 weiterhin anhand ihrer Bezügemitteilungen erkennen konnte, dass ihr eine Ausgleichzahlung gewährt wurde. Auch wenn der Klägerin der ursprüngliche Grund für die Zahlung dieser manuellen Ausgleichzahlung nicht bekannt war und von ihr nicht erwartet werden kann, dass sie die komplexen besoldungsrechtlichen Fragen der Besitzstandwahrung und des Wegfalls derselben durch Beförderung in eine höhere Besoldungsstufe kennt, so ist es von einem Beamten mit den Kenntnissen der Klägerin zu erwarten, dass er sich bei Erhalt der ersten Bezügemitteilung nach einer Beförderung fragt, welchen Rechtsgrund eine in der Bezügemitteilung enthaltene Zahlung "Man.Ausgl. Besitzst. Lohnart 277" haben kann. Dass sich die Klägerin diese Frage bereits bei der erstmaligen Gewährung der Zulage nach der Beförderung in den gehobenen Dienst im Jahr 1998 hätte stellen können, hindert nicht, dass bei einer erneuten Beförderung die rechtliche Grundlage für eine derartige Zahlung erneut in Frage zu stellen war. Dabei geht es nicht darum, dass man von einem Beamten erwartet, dass er die besoldungsrechtlichen Hintergründe erkennt und versteht. Es geht allein darum, ob die Bezügemitteilung hinreichend Anlass bietet, dass von einem Beamten im Rahmen der Treuepflicht erwartet werden kann, dass dieser bei seinem Dienstherrn nach dem Rechtsgrund für eine derartige Zahlung erfragt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aufgrund einer nach der Beförderung in den Bezügemitteilungen auftauchenden Zulage, die nicht ohne weiteres aus sich heraus verständlich ist, nach Auffassung des Gerichts gegeben.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Zulage durch die Abkürzung "Besitzst." erahnen lässt, dass es um eine Besitzstandwahrung geht. Bei der Besitzstandwahrung handelt es sich um einen besoldungsrechtlichen Begriff, der soweit er der Klägerin bekannt war, einen konkreten Anlass zur Nachfrage gegeben hat. Aber auch wenn man aus der Abkürzung nicht den dahinterstehenden Begriff erkannt hat, so handelt es sich um eine offensichtliche Unklarheit. Zudem gibt es bei einer Beförderung in die nächsthöhere Besoldungsstufe derselben Laufbahn grundsätzlich keinen Anlass für die Gewährung einer besonderen Zulage. Insoweit entspricht es der Treuepflicht eines Beamten, seine Bezügemitteilungen selbst zu hinterfragen und nicht blind darauf zu vertrauen, dass die Bezüge von der Beklagten richtig errechnet werden. Bei einer entsprechenden Nachfrage wäre die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen bekannt geworden.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass die Beklagte durch fehlende Kommunizierung der Gründe für die Gewährung der Ausgleichszulage nach der Beförderung der Klägerin in die Besoldungsstufe A 9 gehobener Dienst maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Klägerin auf die Überzahlung nicht aufmerksam geworden sei, führt dies nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Rückforderung. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Beklagte durch eine entsprechende Aufklärung für eine größere Transparenz der Bezügemitteilung hätte Sorge tragen können. Ein insoweit der Beklagten möglicherweise anzulastender Mitverursachungsbeitrag kann jedoch im Rahmen des § 12 Abs. 2 S. 2 BBesG keine Beachtung finden.
Die Entscheidung der Beklagten ist auch nicht aus Billigkeitsgründen zu beanstanden. Gemäß § 12 Abs. 2 S. 3 BBesG kann aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden. Das durch § 12 Abs. 2 S. 3 BBesG eröffnete Ermessen hat die Beklagte durch das Ratenzahlungsangebot ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht liegen nicht vor. Insoweit reicht die fehlende Mitteilung der Gründe für die Gewährung der Ausgleichszulage nicht aus, als dass eine fehlerfreie Ermessensausübung über die Gewährung der Ratenzahlung hinaus ein Absehen von der Rückforderung erfordert hätte.