Rückforderung von Bezügen nach Entlassung des Beamten auf Probe
Eine schwierige, von den Juristen nicht unbedingt gerecht gelöste Konstellation ergibt sich, wenn ein Beamter auf Probe gegen seine Entlassung Widerspruch und Klage erhebt, wegen der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe weiter aktiv Dienst verrichtet und besoldet wird - und nach Jahren erfährt, dass die Entlassung nach Meinung der Verwaltungsgerichte doch wirksam war.
Dann steht fest, dass er während des Rechtsstreits keinen Anspruch auf Besoldung hatte.
Aber er hat doch gearbeitet.
Muss er die Bezüge dennoch zurückzahlen?
Ziehen Sie aus neuerer Zeit bitte die Entscheidung (Beschluss) des OVG Niedersachsen vom 01.09.14 - 5 LA 240 / 13 - heran, sofern Sie dieses Problem plagt. Sie finden die für den entlassenen Beamten ungünstige Entscheidung in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Gerichte.
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts - 2 B 29.08 - vom 03.02.09
Die Klägerin war Beamtin auf Probe, sie wurde entlassen und legte dagegen Rechtsmittel ein. Während des Verfahrens erhielt sie Bezüge, weil die Gerichte Ihre Sache zunächst für erfolgversprechend hielten. Später verlor sie jedoch den Prozess endgültig. Der Dienstherr forderte die gezahlten Bezüge zurück: zu Recht.
Nur am Rande: Sie können der Entscheidung auch andeutungsweise entnehmen, dass das ursprüngliche Verfahren fast vier Jahre lang gedauert hat.
Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:
Die Klägerin wurde zu Ende März 2000 wegen mangelnder Bewährung aus dem Probebeamtenverhältnis entlassen. Sie erhielt aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (im einstweiligen Rechtsschutzverfahren) bis Januar 2004 weiter Bezüge, insgesamt EUR 51.312,71.
Nach Rechtskraft des die Entlassungsverfügung bestätigenden Urteils vom 31.07.03 forderte der Beklagte diesen Betrag zurück. In dem Rückforderungsbescheid erklärte sich der Beklagte bereit, der Klägerin eine Ratenzahlung zu ermöglichen, sofern sie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darlege. Die hiergegen gerichtete Klage und Berufung blieben erfolglos.
Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage der Rückforderung sei § 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. §§ 812 ff. BGB. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts habe nur einen vorläufigen Grund für die Fortzahlung eines Teils der Bezüge dargestellt, der mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens entfallen sei. Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn folge nicht, dass diese weitergezahlten Bezüge dem Beamten dauerhaft zu belassen seien. Die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG sei nicht zu beanstanden, da für die Behörde im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nicht ersichtlich gewesen sei, dass es die aktuelle wirtschaftliche Lage der Klägerin erforderte, von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen oder ihr Ratenzahlungen zu ermöglichen.
Die Beschwerde der entlassenen Beamtin gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
(1) ob der entlassene Probebeamte, wenn er aus Gründen der Fürsorgepflicht für die Dauer des Rechtsschutzverfahrens Bezüge erhält, diese zurückzahlen muss, wenn er im Hauptsacheverfahren gegen den Dienstherrn unterliegt, und
(2) ob zumindest eine rechtmäßige Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 BBesG bei einem Beamten, der die Bezüge aus Fürsorgegesichtspunkten weiter erhalten habe, um eine wirtschaftliche Notlage zu verhindern, bei unveränderter wirtschaftlicher Situation nur in einem Absehen von einer Rückforderung der Bezüge liegen könne.
Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sind bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
(1) Vorläufiger Rechtsgrund für die Fortzahlung eines Teils der Bezüge an die Klägerin war der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Dieser Rechtsgrund ist rückwirkend mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens entfallen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Dienstbezüge, die einem entlassenen Beamten aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage bzw. seines Widerspruchs fortgezahlt worden sind, nach rechtskräftiger Abweisung der Klage gemäß § 12 Abs. 2 BBesG zurückzufordern sind und der verschärften Haftung des Empfängers unterliegen.
Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist lediglich ein vorläufiger Rechtsgrund für die Fortzahlung der Dienstbezüge. Sie fingiert das vorläufige Fortbestehen des Beamtenverhältnisses, dessen Ausfluss die während des Rechtsbehelfsverfahrens fortwährende Fürsorgepflicht ist. Dieser vorläufige Rechtsgrund entfällt mit rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens rückwirkend.
Dass wie im Fall der Klägerin der Dienstherr zunächst die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung angeordnet hat und erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage wiederhergestellt worden ist, macht rechtlich keinen Unterschied.
Die Fortzahlung der Bezüge aufgrund einer gerichtlichen Anordnung während des Klageverfahrens erfolgt unter dem Vorbehalt des rückwirkenden Wegfalls des Leistungsgrundes bei Abweisung der Klage. Die Zahlungen beruhten damit auf einem Rechtsgrund, dessen Wegfall im Sinne des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen worden und tatsächlich erfolgt ist. Die Klägerin haftet damit gemäß § 820 Abs. 1 BGB i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB verschärft, d.h. sie kann sich nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen.
Allerdings kann in außergewöhnlich gelagerten Fällen auch bei verschärfter Haftung eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung durch den Verbrauch der wegen der aufschiebenden Wirkung fortgezahlten Bezüge zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen sein, wenn besondere Umstände nach Treu und Glauben es verbieten, diesen Umstand unberücksichtigt zu lassen. Ob und inwieweit diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls und keine rechtsgrundsätzliche Frage.
Es besteht kein Rechtsgrundsatz, dass der seine Entlassung anfechtende Beamte in jedem Falle die einstweilen fortgezahlten Bezüge in Höhe des notwendigen Lebensbedarfs ersatzlos verbrauchen dürfe. Die Bestimmung der fortgezahlten Bezüge ist zwar der Verbrauch, aber nicht der in jedem Falle von einer Ersatzleistung befreiende Verbrauch. Dies folgt aus der verschärften Haftung gemäß § 820 Abs. 1 BGB.
Die Annahme, dass der Dienstherr durch seine Fürsorgepflicht an der Rückforderung der vorläufig fortgezahlten Bezüge nach rechtskräftiger Abweisung der gegen die Entlassung erhobenen Klage gehindert sein könnte, liefe einerseits dem rein vorläufigen, verfahrensrechtlichen Charakter der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und andererseits den materiellrechtlichen Vorschriften zuwider, durch die der Gesetzgeber abschließend den Schutz eines zu entlassenden Beamten durch Entlassungsfristen (§ 34 LBG NRW) und durch Anspruch auf ein Übergangsgeld (§ 47 BeamtVG) geregelt hat. Ein Anspruch auf (endgültige) Fortzahlung von Bezügen über deren gesetzlich geregeltes Ende hinaus kommt, wie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, nicht in Betracht.
(2) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist außerdem geklärt, dass die gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG bei der Rückforderung vom Dienstherrn zu treffende Billigkeitsentscheidung die Aufgabe hat, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Sie ist insbesondere in Fällen der verschärften Haftung bedeutsam. Dabei ist nicht nochmals die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Dafür kommt es entscheidend auf die Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung an, aber nicht auf die Lage in dem Zeitraum, für den die Zahlung geleistet worden ist.
Ob die der Klägerin angebotene Ratenzahlung eine den Erfordernissen des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ausreichend Rechnung tragende Billigkeitsentscheidung ist, kann deshalb nicht rechtsgrundsätzlich geklärt, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden.
b) Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 15.12.1989 - 2 BvR 1574/89 - NVwZ 1990, 853) lege nahe, dass der Beamte dann, wenn er auf der Grundlage der den Dienstherrn treffenden Fürsorgepflicht für die Dauer des gegen die Entlassungsverfügung gerichteten Rechtsschutzverfahrens Bezüge erhalte, diese auch behalten dürfe, sodass das Urteil des Berufungsgerichts von dieser Rechtsprechung abweiche.
Auch diese Rüge vermag nicht zur Zulassung der Revision führen.
Die Beschwerde legt schon nicht dar, von welchem abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1989 2 BvR 1574/89 (a.a.O.) das Berufungsgericht abgewichen sein soll. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geht es ausschließlich um die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eines entlassenen Probebeamten in die Abwägung einzustellende vorläufige Sicherung seines Lebensunterhalts. Das Bundesverfassungsgericht hat keinen abstrakten Rechtssatz zum endgültigen Behaltendürfen dieses Betrages aufgestellt.
c) Schließlich macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe die Billigkeitsentscheidung des Beklagten zu Unrecht aufgrund der Aktenlage gebilligt. Aus den Verwaltungsakten hätte sich dem Beklagten geradezu aufdrängen müssen, dass die Klägerin über keine nennenswerten materiellen Mittel verfügt habe, sodass er zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet gewesen sei. Dem Beklagten hätte sich auch aufdrängen müssen, dass die Klägerin die Mittel vollständig zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes habe verwenden müssen, was in die Billigkeitsentscheidung einzustellen gewesen wäre. Es sei nicht erkennbar, dass der Dienstherr überhaupt eine Billigkeitsentscheidung getroffen habe. Dies habe das Berufungsgericht übersehen.
Dieses Vorbringen geht an der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorbei. Es ist zudem nur eine allgemeine Kritik an der Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts, ohne dass zugleich zumindest sinngemäß ein Revisionszulassungsgrund dargelegt wird.