Schwerbehinderung und beamtenrechtliche Eignung
Zu der Frage, ob und in wie weit bei einer anerkannten Schwerbehinderung die Anforderungen zu senken sind, die sonst an die gesundheitliche Eignung von Beamten gestellt werden, gibt es verschiedene Auffassungen.
Wir stellten Ihnen das Urteil des OVG Hamburg vom 26.09.08 vor, welches die Hansestadt angreifen wollte.
Die Zulassung der Revision wurde aber vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.09, BVerwG 2 B 79.08).
Man muss dazu ergänzend anmerken, dass die gesamte Problematik "Eignung im Beamtenrecht" im Jahr 2013 grundlegend neu bewertet wurde. Das konnte eigentlich keine Entscheidung aus früherer Zeit vorwegnehmen. Aber die nachstehende Entscheidung deutete vielleicht doch schon in die neue Richtung, wenngleich es hier primär um die Frage ging, welches Maß körperlicher Eignung von schwerbehinderten Bewerbern gefordert werden darf.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.04.09 - BVerwG 2 B 79.08 -
(zu OVG Hamburg 1 Bf 19/08)
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 26.09.08 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die 1986 geborene Klägerin begehrt die Übernahme als Beamtin auf Widerruf in den mittleren Dienst der Steuerverwaltung der Beklagten. Auf ihre Bewerbung sagte ihr die Beklagte die Einstellung als Steueranwärterin zum 01.09.06 unter dem Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung zu. Das Gutachten des Personalärztlichen Dienstes verneinte die gesundheitliche Eignung der Klägerin, weil wegen ihrer langjährigen chronisch-entzündlichen Darmkrankheit (Morbus Crohn) vermehrte Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit oder der Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten. Dies gelte trotz der Behinderung der Klägerin zu 30 % und der Herabsetzung des Prognosezeitraums für den Erhalt der Dienstfähigkeit auf 10 Jahre.
Der Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein die Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Einstellung der Klägerin als Steueranwärterin zum Zweck ihrer Ausbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, weil die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung der einer Schwerbehinderten gleichgestellten Klägerin aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen fehlerhaft sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg:
...
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,
ob „sich der vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht formulierte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, demgemäß das Mindestmaß körperlicher Eignung für die vorgesehene Verwendung bei Schwerbehinderten oder ihnen Gleichgestellten gemäß § 13 Abs. 1 HmbLVO lediglich verlangt, dass für die Dauer eines Prognosezeitraumes von etwa 10 Jahren eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 % dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und darüber hinaus in diesem Zeitraum krankheitsbedingte Fehlzeiten nicht mehr als etwa 2 Monate pro Jahr auftreten werden, wobei die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen etwas längeren Ausfallzeit im Prognosezeitraum anstelle wiederkehrender längerer krankheitsbedingter Ausfallzeiten einer insgesamt positiven Prognose nicht entgegen steht, bei verfassungskonformer Auslegung in Einklang mit dem Aussagegehalt von Art. 33 Abs. 2 GG bringen“ lässt.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision nicht, weil das Oberverwaltungsgericht, soweit seine Erwägungen verallgemeinerungsfähig sind, von einem Maßstab für die Prognose der gesundheitlichen Eignung schwerbehinderter Menschen ausgegangen ist, der sich dem Gesetz und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen lässt. Danach darf bei der Einstellung eines Schwerbehinderten aufgrund des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG die gesundheitliche Eignung nur verneint werden, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an dem allgemeinen Maßstab sprechen (Urteil vom 21.06.07 BVerwG 2 A 6.06). Allgemeiner Maßstab für Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines (Probe )Beamten ist die „hohe“ Wahrscheinlichkeit vorzeitiger dauernder Dienstunfähigkeit und häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten (Urteil vom 18.07.01 BVerwG 2 A 5.00). Wenn das Oberverwaltungsgericht zwingende Gründe für das Festhalten an diesem Maßstab bei Schwerbehinderten und Gleichgestellten verneint und es für eine positive Eignungsprognose für ausreichend erachtet hat, dass ihre Dienstfähigkeit im Prognosezeitraum mit „überwiegender“ Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, hält es sich im Rahmen dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es hat damit zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass nach § 13 der Hamburgischen Laufbahnverordnung bei schwerbehinderten Menschen nur ein „Mindestmaß körperlicher Eignung“ für die vorgesehene Verwendung verlangt werden darf. Die Behauptung der Beschwerde, der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Wahrscheinlichkeitsmaßstab werde zu einem „Verbeamtungsanspruch“ der Schwerbehinderten führen, liegt neben der Sache.
(zu OVG Hamburg 1 Bf 19/08)
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 26.09.08 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die 1986 geborene Klägerin begehrt die Übernahme als Beamtin auf Widerruf in den mittleren Dienst der Steuerverwaltung der Beklagten. Auf ihre Bewerbung sagte ihr die Beklagte die Einstellung als Steueranwärterin zum 01.09.06 unter dem Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung zu. Das Gutachten des Personalärztlichen Dienstes verneinte die gesundheitliche Eignung der Klägerin, weil wegen ihrer langjährigen chronisch-entzündlichen Darmkrankheit (Morbus Crohn) vermehrte Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit oder der Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten. Dies gelte trotz der Behinderung der Klägerin zu 30 % und der Herabsetzung des Prognosezeitraums für den Erhalt der Dienstfähigkeit auf 10 Jahre.
Der Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein die Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Einstellung der Klägerin als Steueranwärterin zum Zweck ihrer Ausbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, weil die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung der einer Schwerbehinderten gleichgestellten Klägerin aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen fehlerhaft sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg:
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Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,
ob „sich der vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht formulierte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, demgemäß das Mindestmaß körperlicher Eignung für die vorgesehene Verwendung bei Schwerbehinderten oder ihnen Gleichgestellten gemäß § 13 Abs. 1 HmbLVO lediglich verlangt, dass für die Dauer eines Prognosezeitraumes von etwa 10 Jahren eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 % dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und darüber hinaus in diesem Zeitraum krankheitsbedingte Fehlzeiten nicht mehr als etwa 2 Monate pro Jahr auftreten werden, wobei die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen etwas längeren Ausfallzeit im Prognosezeitraum anstelle wiederkehrender längerer krankheitsbedingter Ausfallzeiten einer insgesamt positiven Prognose nicht entgegen steht, bei verfassungskonformer Auslegung in Einklang mit dem Aussagegehalt von Art. 33 Abs. 2 GG bringen“ lässt.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision nicht, weil das Oberverwaltungsgericht, soweit seine Erwägungen verallgemeinerungsfähig sind, von einem Maßstab für die Prognose der gesundheitlichen Eignung schwerbehinderter Menschen ausgegangen ist, der sich dem Gesetz und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen lässt. Danach darf bei der Einstellung eines Schwerbehinderten aufgrund des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG die gesundheitliche Eignung nur verneint werden, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an dem allgemeinen Maßstab sprechen (Urteil vom 21.06.07 BVerwG 2 A 6.06). Allgemeiner Maßstab für Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines (Probe )Beamten ist die „hohe“ Wahrscheinlichkeit vorzeitiger dauernder Dienstunfähigkeit und häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten (Urteil vom 18.07.01 BVerwG 2 A 5.00). Wenn das Oberverwaltungsgericht zwingende Gründe für das Festhalten an diesem Maßstab bei Schwerbehinderten und Gleichgestellten verneint und es für eine positive Eignungsprognose für ausreichend erachtet hat, dass ihre Dienstfähigkeit im Prognosezeitraum mit „überwiegender“ Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, hält es sich im Rahmen dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es hat damit zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass nach § 13 der Hamburgischen Laufbahnverordnung bei schwerbehinderten Menschen nur ein „Mindestmaß körperlicher Eignung“ für die vorgesehene Verwendung verlangt werden darf. Die Behauptung der Beschwerde, der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Wahrscheinlichkeitsmaßstab werde zu einem „Verbeamtungsanspruch“ der Schwerbehinderten führen, liegt neben der Sache.