Tauglichkeit für den Polizeivollzugsdienst / vermindertes Hörvermögen / Hörsturz
Die hier vorgestellte Gerichtsentscheidung äu0ert sich zu der Bedeutung der PDV 300, insbesondere auch zur Überprüfbarkeit ihrer Anwendung. Diese über den Einzelfall hinaus führenden Ausführungen finden Sie in Randnummern 31, 32.
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 10.10.19 – 11 K 3760/16 -
Leitsatz
1. Die Anforderungen an die medizinische Prognose für die vorzeitige Dienstunfähigkeit eines
Beamtenbewerbers nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.13 – 2 C 12.11 – gelten auch für die Einstellung in den Polizeidienst.
2. Das Merkmal Nr. 6.3.1 der PDV 300 (Normales Hörvermögen) kann in der Anwendung im Einzelfall allein dem Ausschluss einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit dienen und unterliegt dann der vollen gerichtlichen Kontrolle.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst rechtswidrig war und der Beklagte verpflichtet war, den Kläger zum 01.07.16 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Einstellung in den Polizeidienst.
2 Der 1999 geborene Kläger nahm im Jahr 2015 am Bewerbungsverfahren des Beklagten für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst im gehobenen Dienst als Polizeikommissaranwärter teil. Hierzu bewarb er sich am 31.08.15 mit dem vorgesehenen Bewerbungsformular, auf dem er als Einstellungstermin den 01.07.16 eintrug, und nahm in der Folge an den Auswahltests teil. Die Hochschule für Polizei des Beklagten teilte ihm mit Schreiben vom 10.12.15 mit, sie könne ihm aufgrund des Testwertes von 107,0 eine direkte Zusage für einen Ausbildungsplatz machen. Diese stehe unter dem Vorbehalt, dass keine Hinderungsgründe u. a. aus der ärztlichen Untersuchung zur Polizeidiensttauglichkeit bekannt würden.
3 Bei der polizeiärztlichen Untersuchung beim Polizeiärztlichen Dienst L... am 28.01.16 wurde eine Hörminderung beim Kläger festgestellt und ihm die Auflage gegeben, die Ergebnisse einer fachärztlichen audiometrischen Untersuchung vorzulegen. Der Kläger legte zunächst einen Untersuchungsbefund der HNO-Ärzte Dres. ...,, vom 22.02.16 vor. Auf Aufforderung nach einer zweiten Untersuchung aufgrund der Diskrepanzen der bisherigen Ergebnisse reichte der Kläger sodann einen weiteren Befund der HNO-Ärzte Dr. ... und ..., vom 01.03.16 ein. Auf dieser Grundlage teilte der Polizeiärztliche Dienst L... dem Kläger mit Schreiben vom 22.04.16 mit, dass der tonaudiometrische Befund die Hörverlustgrenze für Erstuntersuchungen bei der Polizei nach Ziff. 6.3.1 PDV 300 überschreite und der Kläger daher als polizeidienstuntauglich zu beurteilen sei.
Daraufhin teilte die Hochschule für Polizei dem Kläger mit Schreiben vom 03.05.16 mit, dass seine Bewerbung aufgrund fehlender Tauglichkeit für den Polizeiberuf nicht berücksichtigt werden könne.
4 Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.05.16 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus: Bei der amtsärztlichen Untersuchung sei eine Hörminderung lediglich im Frequenzbereich ab 4.000 Hz festgestellt worden. Daraus hätten sich im Alltag keine Einschränkungen und Hinweise auf ein reduziertes Hörvermögen ergeben. Da er somit gegenwärtig voll dienstfähig sei, beruhe die Ablehnung lediglich auf der potenziellen Möglichkeit einer späteren Dienstunfähigkeit.
Für diese Fälle genüge jedoch nach der aktuellen Rechtsprechung der alleinige Rückgriff auf die PDV 300 ohne Berücksichtigung des Einzelfalls nicht.
5 In der Akte des Polizeiärztlichen Dienstes liegt zum Widerspruch eine Stellungnahme des Leitenden Medizinaldirektors Dr. ... vom 10.06.16 vor, dem ein Übersichtsblatt der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu den Grundsätzen G 20 (im Folgenden: G 20-Grundsätze) beigelegt ist. Mit Schreiben vom 29.06.19 teilte die Hochschule für Polizei dem Kläger mit, dass der Polizeiarzt nach erneuter Überprüfung aller Unterlagen auf seinen Widerspruch hin die Diensttauglichkeit weiterhin nicht habe feststellen können. Einzelheiten seien dem beigelegten Schreiben des Polizeiärztlichen Dienstes B... zu entnehmen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht. In dem beiliegenden Schreiben führte der Polizeiärztliche Dienst B..., Dr. ..., aus, dass die Hörverlustgrenzwerte in der PDV 300 den G 20-Grundsätzen entnommen seien, die in zahlreichen Betrieben der Arbeitswelt sowie bei anderen Behörden, z. B. auch der Feuerwehr, zur Anwendung kämen. Da mit zunehmendem Alter mit einer physiologisch bedingten abnehmenden Hörwahrnehmung zu rechnen sei, könne eine zum bestehenden Vorschaden hinzukommende Verschlechterung des Hörvermögens beim Kläger nicht ausgeschlossen werden.
Schutzmaßnahmen seien bei Polizeieinsätzen regelmäßig nicht möglich.
6 Gegen die Ablehnung seiner Bewerbung mit Bescheid vom 03.05.16 und Widerspruchsbescheid vom 29.06.19 hat der Kläger am 05.08.19 Klage erhoben.
Zur Begründung lässt er ausführen: Der Beklagte habe in seiner ablehnenden Entscheidung die Grundsätze der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen seit 2013 missachtet. Die Behauptung, er sei nicht polizeidienstfähig, beruhe allein auf der pauschalen Annahme, dass eine bestimmte Personengruppe – hier mit Hörminderung im hohen Frequenzbereich ab 4.000 Hz – ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Dienstunfähigkeit aufweise. Eine solche Prognosebeurteilung setze jedoch eine fundierte medizinische Tatsachenbasis hinsichtlich der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers voraus. Eine solche fundierte Beurteilung habe der Beklagte jedoch nicht vorgenommen; auch im Widerspruchsverfahren sei nicht erkennbar, dass er sich irgendwie mit seiner konkreten gesundheitlichen Verfassung auseinandergesetzt habe.
7 Der Kläger beantragt,
8 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.16 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.16 zu verpflichten, den Kläger als Beamten in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen,
9 hilfsweise festzustellen, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst rechtswidrig war und der Beklagte verpflichtet war, den Kläger zum 01.07.16 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen,
10 weiter hilfsweise festzustellen, dass der Kläger nicht wegen der bei ihm festgestellten Hörminderung im Frequenzbereich ab 4.000 Hz für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich ungeeignet ist.
11 Der Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung trägt er vor: Die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags bereits unzulässig. Die Bewerbung des Klägers zum Einstellungstermin 01.07.16 habe sich aufgrund des Zeitablaufs erledigt. Alle zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze seien durch beamtenrechtliche Ernennung von Bewerbern vergeben worden. Da die Plätze nach dem Prinzip der Bestenauslese anhand der erzielten Testergebnisse vergeben würden, könnten die Erfolgsaussichten eines Bewerbers nur für jeden Einstellungstermin neu beurteilt werden. Der Hilfsantrag sei wegen eines fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Hinsichtlich des weiter hilfsweise erhobenen Feststellungsantrages sei die Klage unbegründet. Der Kläger übersehe, dass es in seinem Fall nicht auf die Prognose einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit ankomme; vielmehr fehle es bereits aktuell an einer uneingeschränkten Einsatzfähigkeit. Es sei unvermeidbar, dass Polizeibeamten im Dienst unvorhergesehenen starken Lärmexpositionen ausgesetzt werden könnten. Da für den Kläger hiermit die Gefahr einer weiteren Schädigung seines Hörvermögens verbunden sei, sei der Beklagte aus Fürsorgegründen gehindert, ihn einer solchen Gefahr auszusetzen, und könne ihn daher nicht voll einsetzen.
14 Replizierend lässt der Kläger vortragen: Der Hauptantrag sei entgegen der Ansicht des Beklagten nicht unzulässig. Da die vom Beklagten angenommene Dienstuntauglichkeit des Klägers das einzige Hindernis für die Einstellung gewesen sei, könne er direkt auf die Einstellung klagen. Die Klage sei auch nicht auf einen bestimmten Einstellungstermin beschränkt; der Kläger strebe vielmehr die Einstellung zum nächstmöglichen Zeitpunkt an.
15 Der Beklagte führt hierzu aus: Es sei nicht ersichtlich, dass die fehlende Polizeidiensttauglichkeit das einzige Einstellungshindernis gewesen sei, vielmehr hätte über die Einstellung des Klägers noch entschieden werden müssen. Jedenfalls stehe das Prinzip der Bestenauslese einer Einstellung zu einem späteren Zeitpunkt entgegen, da unklar sei, welchen Punktwert der Kläger hierfür erreichen müsse. In der Sache komme es nicht auf eine medizinische Prognose an, da der Kläger nach den anerkannten Grundsätzen des Arbeitsschutzes bereits gegenwärtig nicht für lärmintensive Einsätze eingeteilt werden dürfte.
16
...
17 Auf die Anfrage des Gerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.18 sein Einverständnis mit der Einsicht in seine ärztlichen Akten durch das Gericht und einen gerichtlichen Sachverständigen erklärt.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 18.02.19 durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu den Fragen, ob für den Kläger zum Einstellungszeitpunkt am 01.07.16 bei einer normalen Verwendung im Polizeidienst die deutlich erhöhte Gefahr eines Hörschadens vorlag und ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass der Kläger aufgrund eines eingeschränkten Hörvermögens vor Vollendung des 62. Lebensjahres dienstunfähig werden würde, erhoben.
Der Sachverständige Dr. med. ..., Facharzt für HNO-Heilkunde in ..., hat am 28.02.19 das Gutachten hierzu erstattet. Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen zu den Ergebnissen der Beweiserhebung geäußert, der Beklagte hat die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung angeregt.
18 In der weiteren mündlichen Verhandlung vom 10.10.19 hat der Sachverständige sein Gutachten erläutert. ...
19
...
21 Die Klage hat nur hinsichtlich des ersten Hilfsantrags Erfolg.
I.
22 Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihn in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen, ist die Klage unzulässig, da sich dieses Begehren durch das Verstreichen des begehrten Einstellungszeitpunktes erledigt hat. In Einstellungsverfahren wie dem vorliegenden, in denen eine feste Anzahl von Plätzen zu regelmäßig wiederkehrenden Terminen nach einem Auswahlverfahren unter den Bewerbern vergeben wird, erlischt ein materieller Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des Einstellungstermins (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.10 – 2 C 22.09 – NJW 2010, 3593, Rn. 19; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.17 – 6 A 2111/14 – juris, Rn. 53). Die Bewerbung des Klägers bezog sich, wie sich aus dem von ihm ausgefüllten Formular ergibt, auf den Einstellungstermin 01.07.16.
II.
23 Hinsichtlich der hilfsweise begehrten Feststellung, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers rechtswidrig war, ist die Klage zulässig und begründet.
1.
24 Die Klage ist insoweit als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog zulässig.
25 Es ist allgemein anerkannt, dass die in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Anfechtungsklage geregelte Fortsetzungsfeststellungsklage auch auf Verpflichtungsklagen anwendbar ist. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit sind vorliegend erfüllt. Durch das Verstreichen des Einstellungstermins am 01.07.16 hat sich das Verpflichtungsbegehren des Klägers – wie oben unter I. ausgeführt – objektiv erledigt. Dass der Kläger die Klage erst nach dem Eintritt der Erledigung erhoben hat, steht der analogen Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1993 – 6 C 20.92 – juris, Rn. 19). ...
26 Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog notwendige berechtigte Interesse an der Feststellung ist hier in Gestalt der Gefahr einer Wiederholung gleichartiger Verwaltungsentscheidungen gegeben. Hierzu bedarf es einer hinreichend bestimmten Gefahr, dass künftig unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Ablehnungsentscheidung ergehen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 – 7 B 108.89 – juris, Rn. 5; Beschl. v. 26.04.1993 – 4 B 31.93 – juris, Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 25.02.13 – 22 B 11.2587 – juris, Rn. 43).
27 Es ist zunächst hinreichend wahrscheinlich, dass der Beklagte in Zukunft erneut über eine Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu entscheiden hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er weiterhin an einer Einstellung in den Polizeivollzugsdienst des Beklagten interessiert sei und sich im Falle eines positiven Ausgangs des Verfahrens im nächsten Jahr erneut bei dem Beklagten bewerben werde. Die Tatsache, dass er sich seit 2016 nicht erneut beworben hat, vermag dies nicht in Zweifel zu ziehen.
Da der Beklagte deutlich gemacht hatte, dass er an seinem Standpunkt der fehlenden gesundheitlichen Eignung des Klägers festhalten würde, war eine erneute Ablehnung seiner Bewerbung sicher vorhersehbar, so dass es sich bei einer erneuten Bewerbung um eine unnötige Förmelei gehandelt hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.09 – 2 C 31.08 – juris, Rn. 12).
28 Das Gericht geht auch davon aus, dass sich die tatsächlichen Umstände seit der früheren Bewerbung des Klägers nicht wesentlich verändert haben. Zwar hat der Kläger im Jahr 2017 einen Hörsturz erlitten, der seine gesundheitliche Eignung in Hinblick auf das Hörvermögen zusätzlich in Zweifel ziehen könnte. Nach den Aussagen des Sachverständigen Dr. ... ist jedoch nicht von einer relevanten Änderung der tatsächlichen Umstände auszugehen, da sich der zwischenzeitliche Hörsturz im Vergleich der Tonaudiogramme der Jahre 2016 und 2019 nicht niedergeschlagen hat und er die Anfälligkeit des Klägers für eine progrediente Schwerhörigkeit unverändert beurteilt hat. Allein aufgrund der abstrakten Möglichkeit, dass sich der Beklagte in einem neuen Bewerbungsverfahren auf eine veränderte Tatsachenlage berufen könnte, kann dem Kläger ein Interesse an der Feststellung nicht abgesprochen werden.
29 In sachdienlicher Weise bezieht sich der Antrag in seiner in der mündlichen Verhandlung gestellten Fassung hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht auf den Zeitpunkt der Ablehnung der Bewerbung des Klägers, sondern auf den Einstellungstermin. Richtiger zeitlicher Bezugspunkt der Feststellung in der Verpflichtungssituation ist der Zeitpunkt der Erledigung der Klage, noch genauer der Zeitpunkt unmittelbar vor Erledigung der Klage (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.15 – 4 B 42.14 – juris, Rn. 8, m. w. N.). Dieser richtet sich nach dem angestrebten Einstellungstermin am 01.07.16.
2.
30 Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet.
31 Die Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Klägers war rechtswidrig, da der Kläger zum Zeitpunkt der Erledigung gegen den Beklagten einen Anspruch auf Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst hatte.
a)
32 Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG sind Ernennungen nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Zur gesundheitlichen Eignung bestimmt § 16 Abs. 2 LBG i.V.m. § 4 Nr. 2 LVOPol, dass in den Polizeidienst nur eingestellt werden darf, wer polizeidiensttauglich ist (vgl. auch § 43 Abs. 2 LBG).
33 Es obliegt zunächst grundsätzlich dem Dienstherrn, den Begriff der Polizeidiensttauglichkeit näher auszufüllen, in dem er die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn bestimmt.
Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diesen Spielraum hat der Beklagte durch die bundeseinheitliche Polizeidienstvorschrift 300 „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit“ (PDV 300) ausgefüllt, deren Fassung 2012 für Baden-Württemberg vom Innenministerium mit Anordnung vom 22.07.13 zum 01.09.13 in Kraft gesetzt wurde. Bei der PDV 300 handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die von einer Bund-Länder-Kommission aus Juristen, Polizeipraktikern und Leitenden Polizeiärzten erarbeitet wird, durch die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern zur Einführung empfohlen wird und sodann von den jeweiligen Innenministerien für ihren Hoheitsbereich per Anordnung in Kraft gesetzt wird. Bei der Bestimmung der körperlichen Anforderungen stellt der Beklagte insbesondere heraus, dass der Polizeivollzugsdienst besondere Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie die seelische Belastbarkeit stellt, wobei die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit von Bewerbern für den Polizeivollzugsdienst in Sinne einer universellen Einsetzbarkeit insbesondere die Verwendung im Außendienst und (Wechsel-) Schichtdienst, den körperlichen Einsatz gegen Personen, die Anwendung unmittelbaren Zwangs und den Gebrauch von Waffen zulassen muss (vgl. hierzu auch Nr. 1.2 PDV 300).
b)
34 Bei der Anwendung der Anforderungen der PDV 300 sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden (vgl. hierzu Hug, in: BeckOK Beamtenrecht Baden-Württemberg, Stand 01.08.19, § 43 LBG Rn. 49 ff.).
35 Soweit die PDV 300 spezifische körperliche Anforderungen festlegt, die der Beamte erfüllen muss, um die Ämter seiner Laufbahn wahrnehmen zu können, ist diese Festlegung vom Gericht grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar; dem Dienstherrn kommt hinsichtlich der Bestimmung der körperlichen Anforderungen der oben genannte weite Beurteilungsspielraum zu (vgl. zu einem solchen Fall Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.14 – 3 ZB 13.1074 – juris, Rn. 14).
Auch ist davon auszugehen, dass es dem Dienstherrn – schon aufgrund der großen Vielzahl verschiedener Krankheitstypen – nicht verwehrt ist, bei der Festlegung der körperlichen Anforderungen an die Polizeivollzugsbeamten auch in gewissem Umfang zu typisieren. Dem Gericht obliegt dann lediglich die Prüfung, ob der Beamte die festgelegten körperlichen Anforderungen erfüllt.
36 Soweit die PDV 300 hingegen Merkmale festlegt, die – ohne Auswirkungen auf die gegenwärtige Wahrnehmung der Ämter der Laufbahn – lediglich bezogen auf die Zukunft sicherstellen sollen, dass der Beamte bis zum Beginn der Altersgrenze dienstfähig bleibt, unterliegen diese Anforderungen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit.
Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung im Urteil vom 25.07.13 ausgeführt:
37 „Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der gesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des Beamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen. Es ist zu beurteilen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert.
38 Wie dargestellt hat der Dienstherr die gesundheitliche Eignungsprognose auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zum Dienstherrn gehindert wären, sich auf dieser Grundlage ein eigenverantwortliches Urteil über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen zu bilden.“
39 (BVerwG, Urteil vom 25.07.13 – 2 C 12.11 – juris, Rn. 27)
40 Demnach müssen die Gerichte hinsichtlich solcher Merkmale ohne Einschränkung der Prüfungsdichte positiv feststellen, dass aufgrund des Vorliegens des Merkmals mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine vorzeitige Dienstunfähigkeit oder regelmäßige krankheitsbedingte Ausfälle des Beamten zu erwarten sind. Soweit dies der Wortlaut der in der Anlage 1.1 der PDV 300 formulierten körperlichen Zustände zulässt, ist dieser Prognosemaßstab bereits im Rahmen der Auslegung der PDV 300 zu berücksichtigen.
c)
41 Diese Grundsätze sind auch unter Berücksichtigung der besonderen körperlichen Anforderungen des Polizeidienstes auf diesen anzuwenden.
42 Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts, dass der früher angenommene Beurteilungsspielraum für die langfristige medizinische Prognose aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten der Beweisführung eine unverhältnismäßige Einschränkung des Berufszugangs für Bewerber, deren Gesundheitszustand vom Normalzustand abweicht, darstelle, gilt in gleicher Weise für Bewerber für den Polizeidienst (vgl. wie hier Sächs. OVG, Urteil vom 08.11.16 – 2 A 484/15 – juris, Rn. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.17 – 6 A 2111/14 – juris, Rn. 100; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.18 – OVG 4 B 19.14 – juris, Rn. 30; VG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.14 – 2 K 1762/13 – juris, Rn. 30; offen gelassen bei VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.01.17 – 4 S 394/15 – juris, Rn. 23). Dies folgt bereits daraus, dass Art. 33 Abs. 2 GG ebenso für den Zugang zum Polizeidienst gilt und eine besondere Rechtfertigung der früheren strengeren Auswahlpraxis hinsichtlich der medizinischen Beurteilungsgrundlage für die langfristige Prognose der Dienstfähigkeit speziell im Polizeidienst nicht ersichtlich ist.
d)
43 Nach den dargestellten Grundsätzen konnte der Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst eine fehlende gesundheitliche Eignung nicht entgegengehalten werden.
aa)
44 Durch die festgestellte Innenohrschwerhörigkeit verfehlte der Kläger keine körperlichen Anforderungen, die der Dienstherr unter Ausfüllung seines Beurteilungsspielraums zur Sicherstellung der gegenwärtigen körperlichen Leistungsfähigkeit festgelegt hat.
45 Zwar liegt bei Kriterien für das Hör- wie auch das Sehvermögen ein Zusammenhang zu den besonderen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nahe (vgl. beispielhaft Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.14 – 3 ZB 13.1074 – juris; VG Ansbach, Beschl. v. 19.03.19 – AN 1 E 19.00295 – juris). Zu diesen Anforderungen gehören nach Nr. 1.2 der PDV 300 unter anderem die Verwendung im Außendienst und der Gebrauch von Waffen, die eine uneingeschränkte Sinneswahrnehmung des Polizisten voraussetzen.
Jedoch diente die Anwendung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 im vorliegenden Fall nicht der Sicherung der Wahrnehmungsfähigkeit und damit bestimmter körperlicher Anforderungen, sondern zielte auf den Ausschluss einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit ab.
46 Bereits die Formulierung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 zeigt, dass dieses eine Doppelnatur aufweist, indem es einerseits die gegenwärtige Wahrnehmungsfähigkeit des Bewerbers („normales Hörvermögen“), andererseits aber auch das Risiko der vorzeitigen Dienstunfähigkeit betrifft: „Auch eine geringfügige Innenohrschwerhörigkeit neigt zur Progredienz, begünstigt als Vorschädigung spätere Lärmschäden und kann dadurch zu vorzeitiger Dienstunfähigkeit führen.“ Hierfür spricht auch, dass sich die Anforderungen in der Sache nach den G 20-Grundsätzen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung richten. Diese dienen nach der Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes des Beklagten vom 10.06.16 der arbeitsmedizinischen Vorsorge gegenüber zukünftiger Schwerhörigkeit.
47 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten und den Stellungnahmen des Beklagten, dass die Anwendung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 allein darauf abzielte, das Risiko einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit auszuschließen. Der Polizeiärztliche Dienst des Beklagten hat die Ablehnung des Klägers nicht mit einer gegenwärtig mangelnden Leistungsfähigkeit seines Gehörs begründet, sondern allein mit der Befürchtung einer zukünftig eintretenden Schwerhörigkeit.
Im Schreiben des Polizeiärztlichen Dienstes B... vom 27.06.16 heißt es hierzu: „Daher kann auch bei Ihnen eine zum bestehenden Gehörschäden kommende zusätzliche Verschlechterung nicht ausgeschlossen werden“. Überdies lagen beim Kläger keine körperlichen Einschränkungen vor, die in einem dienstlichen Kontext relevant werden konnten. Wie der Sachverständige Dr. ... in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, führen die in höheren Frequenzbereichen im Tonaudiogramm festgestellten Verlustwerte nicht zu einer außerhalb der Testumgebung wahrnehmbaren Einschränkung des Hörvermögens. Nach der hierfür maßgeblichen Klassifikation der prozentualen Hörminderung nach Röser (1980) sei die Einschränkung des Hörvermögens beim Kläger mit 0 % zu bewerten.
48 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass das Merkmal Nr. 6.3.1 der PDV 300 in anderen Fällen, in denen durch eine Schädigung des Gehörs bereits die aktuelle Wahrnehmungsfähigkeit des Bewerbers vermindert ist, auch zur Sicherung der Eignung für Dienstaufgaben herangezogen werden kann. Ein solcher Fall lag jedoch beim Kläger nicht vor.
bb)
49 Eine fehlende gesundheitliche Eignung ließ sich auch nicht mit einer drohenden vorzeitigen Dienstunfähigkeit des Klägers begründen.
50 Nach den oben beschriebenen Maßstäben würde dies eine medizinisch fundierte gesundheitliche Prognose voraussetzen, nach der bei dem Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit dem 62. Lebensjahr eine Dienstunfähigkeit zu erwarten wäre. Eine solche medizinisch gesicherte Prognose hat der Beklagte im Bewerbungsverfahren nicht angestellt. Die Ausführungen des Polizeiärztlichen Dienstes hierzu beschränken sich auf den pauschalen Verweis auf die Hörverlustgrenzwerte der PDV 300. Eine solche typisierte Betrachtung ohne näheres Eingehen auf den Einzelfall darf jedoch nach den oben dargestellten Grundsätzen der Einstellung eines Beamtenbewerbers auch für den Polizeidienst nicht mehr entgegengehalten werden.
51 Auch nach dem vom Gericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ist nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der vorzeitigen Dienstunfähigkeit auszugehen. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist die weitere Entwicklung einer Innenohrschwerhörigkeit in dem geringen Ausmaß, wie sie beim Kläger besteht, schwer abzusehen. Es gebe in der wissenschaftlichen Literatur keine belastbaren Ergebnisse, nach denen aufgrund eines solchen Vorschadens ein erhöhtes Risiko für eine progrediente Innenohrschwerhörigkeit
bestehe. Die jüngste hierzu vorliegende Studie von Swoboda und Welleschick spreche eher dagegen. Vielmehr erscheine die Entwicklung einer progredienten Schwerhörigkeit nach derzeitigem Kenntnisstand vorbehaltlich einer genetischen Disposition oder feststellbarer organischer Auffälligkeiten spontan und nicht vorhersehbar. Bestimmte organische Ursachen
(retrocochleare Störung, Mittelohrstörungen und Otosklerose) konnte der Sachverständige nach eigener Aussage durch zusätzliche Untersuchungen des Klägers ausschließen. Das Gericht folgt diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Das von ihm erstellte Gutachten sowie seine Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.19 erfüllen die Anforderungen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für seine Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Das Gutachten enthält weder erkennbare Mängel oder unauflösbare Widersprüche, noch geht es von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus oder gibt Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln, noch ist Gegenstand der Begutachtung eine besonders schwierige Fachfrage, die ein spezielles
Fachwissen erfordert, das bei dem Gutachter nicht vorhanden wäre. Auch ist das Ergebnis nicht durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert worden. Auf die Nachfragen des Beklagtenvertreters hat der Sachverständige die Unterschiede in der Herkunft und der Zielsetzung der G 20-Grundsätze und einer wissenschaftlich fundierten Risikoprognose benannt. Demnach könne mit einer Überschreitung der Hörverlustgrenzen im Tonaudiogramm noch keine Aussage über das langfristige Risiko einer progredienten Innenohrschwerhörigkeit getroffen werden. Dies entspricht der Darstellung im vom Polizeiärztlichen Dienst vorgelegten Übersichtsblatt zu den G 20-Untersuchungen.
Die Erstuntersuchung, auf die sich die Hörverlustgrenzwerte in Nr. 6.3.1 der PDV 300 bezieht, führt demnach bei einer Überschreitung der Grenzwerte nicht zu einer gesicherten Feststellung einer progredienten Schwerhörigkeit oder einer erhöhten Anfälligkeit hierzu, sondern zur Notwendigkeit einer weiteren fachärztlichen Abklärung in der Ergänzungsuntersuchung. Weitere Untersuchungen hat der Sachverständige als niedergelassener Facharzt nunmehr durchgeführt (Gutachten S. 7-10), ohne dass sich hieraus Anhaltspunkte für eine drohende progrediente Innenohrschwerhörigkeit des Klägers ergeben hätten. Darüber hinaus dient die Erstuntersuchung nach Darstellung des Sachverständigen auch einer Beobachtung der Hörverluste über die Zeit, um eine progrediente Schwerhörigkeit später feststellen zu können. Auch aus dieser längerfristigen Beobachtung, die vorliegend durch den Vergleich der Untersuchungsergebnisse im Bewerbungsverfahren im Jahr 2016 und im Gerichtsverfahren im Jahr 2019 möglich wurde, haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer progredienten Schwerhörigkeit zum damaligen Zeitpunkt ergeben.
52 Gegen diese Würdigung spricht auch nicht, dass die Rechtsprechung der Einschätzung des Polizeiärztlichen
Dienstes aufgrund seiner besonderen Erfahrung in der Beurteilung der Anforderungen des Polizeidienstes regelmäßig eine höhere Überzeugungskraft beimisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.06 – 1 D 10.05 – juris, Rn. 36 f.; Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.14 – juris, Rn. 18; VG Ansbach, Beschl. v. 19.03.19 – AN 1 E 19.00295 – juris, Rn. 98). Die vorgelegten Stellungnahmen des Polizeiärztlichen Dienstes gehen über den pauschalen Vortrag, dass die Erfüllung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 stets mit einer erhöhten Anfälligkeit für eine progrediente Schwerhörigkeit verbunden sei, nicht hinaus. In diese Beurteilung sind ersichtlich keine besonderen Erfahrungen des Polizeiärztlichen Dienstes eingeflossen, da das Merkmal Nr. 6.3.1 auf Grenzwerte verweist, die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nicht für den Polizeidienst, sondern allgemein für den Arbeitsschutz erarbeitet wurden; der Beklagte hatte auf die Festlegung der Werte keinen Einfluss. Zudem hat wie oben dargestellt eine Überschreitung der Grenzwerte in der Erstuntersuchung nicht die direkte Folge, dass die betroffene Person nicht mehr in lärmintensiven Umgebungen eingesetzt werden darf, sondern führt zunächst lediglich zu einer weiteren fachärztlichen Abklärung und einer Beobachtung der Hörverluste über die Zeit, um eine progrediente Schwerhörigkeit feststellen und ggf. mit Schutzmaßnahmen reagieren zu können. Hingegen hat der Sachverständige klargestellt, dass nicht allein aufgrund der Überschreitung der Grenzwerte im Tonaudiogramm auf eine erhöhte Lärmanfälligkeit geschlossen werden kann (Gutachten, S. 12). An weitergehenden Feststellungen des Polizeiärztlichen Dienstes fehlt es jedoch. Weder ist dieser auf die vom Sachverständigen zitierten Untersuchungen oder auf etwaige eigene Erfahrungen mit dem Verlauf von Schwerhörigkeit unter Polizeibeamten eingegangen, noch hat er die gesundheitliche Disposition des Klägers über die erhobenen Tonaudiogramme hinaus weiter untersucht. Vor diesem Hintergrund wäre ein Vorzug für die Würdigung des Polizeiärztlichen Dienstes vorliegend nicht zu begründen.
53 Damit bleibt es beim Fehlen belastbarer medizinischer Aussagen zu einer drohenden vorzeitigen Dienstunfähigkeit, so dass die verlangte Prognose auf fundierter medizinischer Grundlage nicht gegeben ist.
cc)
54 Eine fehlende gesundheitliche Eignung des Klägers ließ sich schließlich nicht mit der Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen aus Gründen der Fürsorgepflicht begründen.
55 Der Beklagte hat hierzu im gerichtlichen Verfahren erstmals ausgeführt, er sehe sich bei einer Übernahme des Klägers in den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufgrund seiner Fürsorgepflicht gezwungen, aus Rücksicht auf das eingeschränkte Hörvermögen des Klägers Verwendungen in lärmintensiven Einsätzen zu vermeiden. Dies dringt jedoch nicht durch.
56 Die Fürsorgepflicht gebietet es dem Dienstherrn, gesundheitliche Gefahren für den Beamten im Dienst so weit wie möglich zu reduzieren. Dabei kann es geboten sein, einem Beamten bestimmte dienstliche Aufgaben nicht zuzuweisen, wenn diese mit einer erhöhten Gesundheitsgefahr für ihn einhergehen. Dies kann sich aus der entsprechenden Anwendung der Grundsätze des Arbeitsschutzes (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Stand Oktober 2016, § 78 Rn. 58) oder aus einer besonderen individuellen Anfälligkeit ergeben. Maßstab hierfür ist nicht, ob die dienstliche Aufgabe allgemein gefährlich ist, sondern ob die Gefährdung des einzelnen Beamten aufgrund seiner individuellen Konstitution erheblich höher ist als für die anderen Beamten, denen dieselben Dienstgeschäfte übertragen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.06.18 – OVG 4 B 16.15 – juris, Rn. 19; VG Berlin, Urteil vom 22.01.14 – 7 K 117.13 – juris, Rn. 29; VG Karlsruhe, Beschl. v. 29.02.16 – 7 K 5541/15 – juris, Rn. 30; gleicher Maßstab bei OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.17 – 6 A 2111/14 – juris, Rn. 106). Der Dienstherr ist in der Einschätzung eines solchen individuellen Risikos nicht frei, da Verwendungseinschränkungen mit der Pflicht zur amtsangemessenen Verwendung kollidieren können (vgl. VG Berlin, a. a. O.).
57 Nach diesen Maßstäben ergibt sich eine Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen vorliegend nicht aus der Heranziehung der G 20-Grundsätze der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, da diese eine andere Zielsetzung verfolgen. Wie bereits ausgeführt, bedeutet eine Überschreitung der Hörverlustgrenzwerte in der Erstuntersuchung nicht ohne Weiteres, dass die betroffene Person nicht mehr in lärmintensiven Umgebungen eingesetzt werden darf, sondern
macht zunächst eine weitere fachärztliche Abklärung erforderlich. Vorliegend hat der Sachverständige diese weiteren Untersuchungen durchgeführt, ohne dass sich hieraus Anhaltspunkte für eine gegenwärtige oder drohende progrediente Innenohrschwerhörigkeit des Klägers ergeben hätten.
58 Ebenso folgt eine Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen nicht aus der vom Beklagten angenommenen erhöhten Anfälligkeit des Klägers gegenüber lärmintensiven Tätigkeiten.
Die Annahme einer erhöhten Anfälligkeit setzt eine negative medizinische Risikoprognose voraus, an die im Fall der Ablehnung eines Bewerbers die gleichen Anforderungen hinsichtlich einer fundierten medizinischen Grundlage zu stellen sind wie an die Prognose der vorzeitigen Dienstunfähigkeit.
Denn auch hier gilt, dass ansonsten Bewerber auf Basis von unsicheren Typisierungen ausgeschlossen werden können, ohne dass sie die Möglichkeit haben, im Einzelfall den Gegenbeweis antreten zu können. Es würde die gerichtliche Nachprüfbarkeit der gesundheitlichen Prognose unterlaufen, wenn sich die Einstellungsbehörde in Fällen, in denen es an einer medizinisch fundierten Prognose für eine vorzeitig drohende Dienstunfähigkeit fehlt, auf der Basis der gleichen unzureichenden Prognose auf eine erhöhte Anfälligkeit für dienstbedingte Einflüsse berufen könnte, ohne dass dies genauso gerichtlich kontrolliert werden könnte. Dies wird im vorliegenden Fall augenfällig: Wie der Sachverständige im schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, erstreckt sich die fehlende Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, die bereits gegen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der vorzeitigen Dienstunfähigkeit
spricht, ebenso auf den Faktor einer beruflichen Lärmbelastung. Es gebe „keinen Hinweis auf eine erhöhte Lärmempfindlichkeit eines endogen vorgeschädigten Hörorgans, sowohl im Vergleich im ursprünglich normal hörenden Ohr als auch im Seitenvergleich und im Vergleich der verschieden vorgeschädigten Frequenzbereiche“ (Gutachten, S. 12). Im Übrigen sei das Risiko einer progredienten Schwerhörigkeit auch in lärmbelasteten Arbeitsbereichen insgesamt gering.
Aufgrund dieser überzeugenden Ausführungen ist das Gericht im vorliegenden Fall nicht von der medizinischen Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen wegen eines erhöhten Risikos der weiteren Gehörschädigung des Klägers überzeugt.
59 Es geht schließlich nicht zulasten des Klägers, dass eine erhöhte Anfälligkeit durch seine Vorschädigung aufgrund der nicht ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnislage auch nicht ausgeschlossen werden kann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Nach dem oben beschriebenen Maßstab für eine solche langfristige gesundheitliche Prognose reicht es für die Ablehnung des Bewerbers nicht aus, wenn ein Risiko nicht ausgeschlossen
werden kann, sondern es muss ein erhöhtes Risiko auf einer gesicherten medizinischen Grundlage festgestellt werden. Dies entspricht im Übrigen der allgemeinen Verteilung der Beweislast. Demnach trägt der Bewerber zunächst die Beweislast dafür, dass er die gesundheitliche Eignung erfüllt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.04.17 – 2 VR 2.17 – juris, Rn. 13; vgl. auch Urteil vom 20.10.16 – 2 A 2.16 – juris, Rn. 29). An der gegenwärtigen gesundheitlichen Eignung des Klägers hat das Gericht keine Zweifel (s. oben, II.2.d.aa). Beruft sich die Einstellungsbehörde hingegen auf ein erhöhtes Risiko einer späteren Schädigung und die medizinische Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen, trägt sie das Risiko der Nichterweislichkeit dieserTatsachen, da sie hieraus eine für sie günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. zur Prognose der
gesundheitlichen Eignung BVerwG, Urteil vom 25.07.13 – 2 C 12.11 – juris, Rn. 16 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.16 – 4 S 1082/14 – juris, Rn. 64).
e)
60 Darüber hinaus waren alle weiteren Voraussetzungen für eine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst
gegeben.
61 Der Kläger hat im Auswahlverfahren eine Punktzahl von 107 Punkten erreicht, mit der er im damaligen Einstellungsverfahren ausgewählt worden wäre. Dies hatte der Beklage ihm mit Schreiben vom 10.12.15 bereits zugesagt. Weitere Hindernisse für eine Einstellung wurden vom Beklagten nicht geltend gemacht.
III.
...
IV.
63 Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
64 Selbst wenn man für das vorrangige Einstellungsbegehren von einem höheren Interesse für den Kläger und daher für die Forstsetzungsfeststellungsklage von einem Abschlag hinsichtlich des Streitwertes ausgeht, ist zu berücksichtigen, dass zusätzlich zu den streitwertabhängigen Gerichtskosten ein noch höherer Betrag für das Sachverständigengutachten angefallen ist. Dieser wurde allein durch die Fortsetzungsfeststellungsklage verursacht, in der der Beklagte unterlegen
ist.
65 ...
V.
66
...
67 Die Anwendung der Grundsätze zur gesundheitlichen Eignung aus der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf Bewerber für den Polizeivollzugsdienst entspricht, soweit ersichtlich, der obergerichtlichen Rechtsprechung. Dies gilt ebenso für die Differenzierung der Merkmale der PDV 300 sowie für die Voraussetzungen, nach denen die Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen aus Präventionsgründen der gesundheitlichen Eignung eines Beamtenbewerbers entgegengehalten werden können. Die volle Nachprüfbarkeit des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 folgt aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall, so dass sich hieraus keine grundsätzliche Bedeutung ergibt.
68 BESCHLUSS
69 Der Streitwert wird unter Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses vom 09.08.16 gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 7.072,68 € (die Hälfte der jährlichen Anwärterbezüge für das angestrebte Amt) festgesetzt.
70 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.
Leitsatz
1. Die Anforderungen an die medizinische Prognose für die vorzeitige Dienstunfähigkeit eines
Beamtenbewerbers nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.13 – 2 C 12.11 – gelten auch für die Einstellung in den Polizeidienst.
2. Das Merkmal Nr. 6.3.1 der PDV 300 (Normales Hörvermögen) kann in der Anwendung im Einzelfall allein dem Ausschluss einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit dienen und unterliegt dann der vollen gerichtlichen Kontrolle.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst rechtswidrig war und der Beklagte verpflichtet war, den Kläger zum 01.07.16 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Einstellung in den Polizeidienst.
2 Der 1999 geborene Kläger nahm im Jahr 2015 am Bewerbungsverfahren des Beklagten für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst im gehobenen Dienst als Polizeikommissaranwärter teil. Hierzu bewarb er sich am 31.08.15 mit dem vorgesehenen Bewerbungsformular, auf dem er als Einstellungstermin den 01.07.16 eintrug, und nahm in der Folge an den Auswahltests teil. Die Hochschule für Polizei des Beklagten teilte ihm mit Schreiben vom 10.12.15 mit, sie könne ihm aufgrund des Testwertes von 107,0 eine direkte Zusage für einen Ausbildungsplatz machen. Diese stehe unter dem Vorbehalt, dass keine Hinderungsgründe u. a. aus der ärztlichen Untersuchung zur Polizeidiensttauglichkeit bekannt würden.
3 Bei der polizeiärztlichen Untersuchung beim Polizeiärztlichen Dienst L... am 28.01.16 wurde eine Hörminderung beim Kläger festgestellt und ihm die Auflage gegeben, die Ergebnisse einer fachärztlichen audiometrischen Untersuchung vorzulegen. Der Kläger legte zunächst einen Untersuchungsbefund der HNO-Ärzte Dres. ...,, vom 22.02.16 vor. Auf Aufforderung nach einer zweiten Untersuchung aufgrund der Diskrepanzen der bisherigen Ergebnisse reichte der Kläger sodann einen weiteren Befund der HNO-Ärzte Dr. ... und ..., vom 01.03.16 ein. Auf dieser Grundlage teilte der Polizeiärztliche Dienst L... dem Kläger mit Schreiben vom 22.04.16 mit, dass der tonaudiometrische Befund die Hörverlustgrenze für Erstuntersuchungen bei der Polizei nach Ziff. 6.3.1 PDV 300 überschreite und der Kläger daher als polizeidienstuntauglich zu beurteilen sei.
Daraufhin teilte die Hochschule für Polizei dem Kläger mit Schreiben vom 03.05.16 mit, dass seine Bewerbung aufgrund fehlender Tauglichkeit für den Polizeiberuf nicht berücksichtigt werden könne.
4 Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.05.16 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus: Bei der amtsärztlichen Untersuchung sei eine Hörminderung lediglich im Frequenzbereich ab 4.000 Hz festgestellt worden. Daraus hätten sich im Alltag keine Einschränkungen und Hinweise auf ein reduziertes Hörvermögen ergeben. Da er somit gegenwärtig voll dienstfähig sei, beruhe die Ablehnung lediglich auf der potenziellen Möglichkeit einer späteren Dienstunfähigkeit.
Für diese Fälle genüge jedoch nach der aktuellen Rechtsprechung der alleinige Rückgriff auf die PDV 300 ohne Berücksichtigung des Einzelfalls nicht.
5 In der Akte des Polizeiärztlichen Dienstes liegt zum Widerspruch eine Stellungnahme des Leitenden Medizinaldirektors Dr. ... vom 10.06.16 vor, dem ein Übersichtsblatt der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu den Grundsätzen G 20 (im Folgenden: G 20-Grundsätze) beigelegt ist. Mit Schreiben vom 29.06.19 teilte die Hochschule für Polizei dem Kläger mit, dass der Polizeiarzt nach erneuter Überprüfung aller Unterlagen auf seinen Widerspruch hin die Diensttauglichkeit weiterhin nicht habe feststellen können. Einzelheiten seien dem beigelegten Schreiben des Polizeiärztlichen Dienstes B... zu entnehmen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht. In dem beiliegenden Schreiben führte der Polizeiärztliche Dienst B..., Dr. ..., aus, dass die Hörverlustgrenzwerte in der PDV 300 den G 20-Grundsätzen entnommen seien, die in zahlreichen Betrieben der Arbeitswelt sowie bei anderen Behörden, z. B. auch der Feuerwehr, zur Anwendung kämen. Da mit zunehmendem Alter mit einer physiologisch bedingten abnehmenden Hörwahrnehmung zu rechnen sei, könne eine zum bestehenden Vorschaden hinzukommende Verschlechterung des Hörvermögens beim Kläger nicht ausgeschlossen werden.
Schutzmaßnahmen seien bei Polizeieinsätzen regelmäßig nicht möglich.
6 Gegen die Ablehnung seiner Bewerbung mit Bescheid vom 03.05.16 und Widerspruchsbescheid vom 29.06.19 hat der Kläger am 05.08.19 Klage erhoben.
Zur Begründung lässt er ausführen: Der Beklagte habe in seiner ablehnenden Entscheidung die Grundsätze der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen seit 2013 missachtet. Die Behauptung, er sei nicht polizeidienstfähig, beruhe allein auf der pauschalen Annahme, dass eine bestimmte Personengruppe – hier mit Hörminderung im hohen Frequenzbereich ab 4.000 Hz – ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Dienstunfähigkeit aufweise. Eine solche Prognosebeurteilung setze jedoch eine fundierte medizinische Tatsachenbasis hinsichtlich der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers voraus. Eine solche fundierte Beurteilung habe der Beklagte jedoch nicht vorgenommen; auch im Widerspruchsverfahren sei nicht erkennbar, dass er sich irgendwie mit seiner konkreten gesundheitlichen Verfassung auseinandergesetzt habe.
7 Der Kläger beantragt,
8 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.16 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.16 zu verpflichten, den Kläger als Beamten in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen,
9 hilfsweise festzustellen, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst rechtswidrig war und der Beklagte verpflichtet war, den Kläger zum 01.07.16 in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen,
10 weiter hilfsweise festzustellen, dass der Kläger nicht wegen der bei ihm festgestellten Hörminderung im Frequenzbereich ab 4.000 Hz für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich ungeeignet ist.
11 Der Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung trägt er vor: Die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags bereits unzulässig. Die Bewerbung des Klägers zum Einstellungstermin 01.07.16 habe sich aufgrund des Zeitablaufs erledigt. Alle zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze seien durch beamtenrechtliche Ernennung von Bewerbern vergeben worden. Da die Plätze nach dem Prinzip der Bestenauslese anhand der erzielten Testergebnisse vergeben würden, könnten die Erfolgsaussichten eines Bewerbers nur für jeden Einstellungstermin neu beurteilt werden. Der Hilfsantrag sei wegen eines fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Hinsichtlich des weiter hilfsweise erhobenen Feststellungsantrages sei die Klage unbegründet. Der Kläger übersehe, dass es in seinem Fall nicht auf die Prognose einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit ankomme; vielmehr fehle es bereits aktuell an einer uneingeschränkten Einsatzfähigkeit. Es sei unvermeidbar, dass Polizeibeamten im Dienst unvorhergesehenen starken Lärmexpositionen ausgesetzt werden könnten. Da für den Kläger hiermit die Gefahr einer weiteren Schädigung seines Hörvermögens verbunden sei, sei der Beklagte aus Fürsorgegründen gehindert, ihn einer solchen Gefahr auszusetzen, und könne ihn daher nicht voll einsetzen.
14 Replizierend lässt der Kläger vortragen: Der Hauptantrag sei entgegen der Ansicht des Beklagten nicht unzulässig. Da die vom Beklagten angenommene Dienstuntauglichkeit des Klägers das einzige Hindernis für die Einstellung gewesen sei, könne er direkt auf die Einstellung klagen. Die Klage sei auch nicht auf einen bestimmten Einstellungstermin beschränkt; der Kläger strebe vielmehr die Einstellung zum nächstmöglichen Zeitpunkt an.
15 Der Beklagte führt hierzu aus: Es sei nicht ersichtlich, dass die fehlende Polizeidiensttauglichkeit das einzige Einstellungshindernis gewesen sei, vielmehr hätte über die Einstellung des Klägers noch entschieden werden müssen. Jedenfalls stehe das Prinzip der Bestenauslese einer Einstellung zu einem späteren Zeitpunkt entgegen, da unklar sei, welchen Punktwert der Kläger hierfür erreichen müsse. In der Sache komme es nicht auf eine medizinische Prognose an, da der Kläger nach den anerkannten Grundsätzen des Arbeitsschutzes bereits gegenwärtig nicht für lärmintensive Einsätze eingeteilt werden dürfte.
16
...
17 Auf die Anfrage des Gerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.18 sein Einverständnis mit der Einsicht in seine ärztlichen Akten durch das Gericht und einen gerichtlichen Sachverständigen erklärt.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 18.02.19 durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu den Fragen, ob für den Kläger zum Einstellungszeitpunkt am 01.07.16 bei einer normalen Verwendung im Polizeidienst die deutlich erhöhte Gefahr eines Hörschadens vorlag und ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass der Kläger aufgrund eines eingeschränkten Hörvermögens vor Vollendung des 62. Lebensjahres dienstunfähig werden würde, erhoben.
Der Sachverständige Dr. med. ..., Facharzt für HNO-Heilkunde in ..., hat am 28.02.19 das Gutachten hierzu erstattet. Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen zu den Ergebnissen der Beweiserhebung geäußert, der Beklagte hat die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung angeregt.
18 In der weiteren mündlichen Verhandlung vom 10.10.19 hat der Sachverständige sein Gutachten erläutert. ...
19
...
21 Die Klage hat nur hinsichtlich des ersten Hilfsantrags Erfolg.
I.
22 Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihn in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen, ist die Klage unzulässig, da sich dieses Begehren durch das Verstreichen des begehrten Einstellungszeitpunktes erledigt hat. In Einstellungsverfahren wie dem vorliegenden, in denen eine feste Anzahl von Plätzen zu regelmäßig wiederkehrenden Terminen nach einem Auswahlverfahren unter den Bewerbern vergeben wird, erlischt ein materieller Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des Einstellungstermins (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.10 – 2 C 22.09 – NJW 2010, 3593, Rn. 19; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.17 – 6 A 2111/14 – juris, Rn. 53). Die Bewerbung des Klägers bezog sich, wie sich aus dem von ihm ausgefüllten Formular ergibt, auf den Einstellungstermin 01.07.16.
II.
23 Hinsichtlich der hilfsweise begehrten Feststellung, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers rechtswidrig war, ist die Klage zulässig und begründet.
1.
24 Die Klage ist insoweit als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog zulässig.
25 Es ist allgemein anerkannt, dass die in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Anfechtungsklage geregelte Fortsetzungsfeststellungsklage auch auf Verpflichtungsklagen anwendbar ist. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit sind vorliegend erfüllt. Durch das Verstreichen des Einstellungstermins am 01.07.16 hat sich das Verpflichtungsbegehren des Klägers – wie oben unter I. ausgeführt – objektiv erledigt. Dass der Kläger die Klage erst nach dem Eintritt der Erledigung erhoben hat, steht der analogen Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1993 – 6 C 20.92 – juris, Rn. 19). ...
26 Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog notwendige berechtigte Interesse an der Feststellung ist hier in Gestalt der Gefahr einer Wiederholung gleichartiger Verwaltungsentscheidungen gegeben. Hierzu bedarf es einer hinreichend bestimmten Gefahr, dass künftig unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Ablehnungsentscheidung ergehen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 – 7 B 108.89 – juris, Rn. 5; Beschl. v. 26.04.1993 – 4 B 31.93 – juris, Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 25.02.13 – 22 B 11.2587 – juris, Rn. 43).
27 Es ist zunächst hinreichend wahrscheinlich, dass der Beklagte in Zukunft erneut über eine Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu entscheiden hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er weiterhin an einer Einstellung in den Polizeivollzugsdienst des Beklagten interessiert sei und sich im Falle eines positiven Ausgangs des Verfahrens im nächsten Jahr erneut bei dem Beklagten bewerben werde. Die Tatsache, dass er sich seit 2016 nicht erneut beworben hat, vermag dies nicht in Zweifel zu ziehen.
Da der Beklagte deutlich gemacht hatte, dass er an seinem Standpunkt der fehlenden gesundheitlichen Eignung des Klägers festhalten würde, war eine erneute Ablehnung seiner Bewerbung sicher vorhersehbar, so dass es sich bei einer erneuten Bewerbung um eine unnötige Förmelei gehandelt hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.09 – 2 C 31.08 – juris, Rn. 12).
28 Das Gericht geht auch davon aus, dass sich die tatsächlichen Umstände seit der früheren Bewerbung des Klägers nicht wesentlich verändert haben. Zwar hat der Kläger im Jahr 2017 einen Hörsturz erlitten, der seine gesundheitliche Eignung in Hinblick auf das Hörvermögen zusätzlich in Zweifel ziehen könnte. Nach den Aussagen des Sachverständigen Dr. ... ist jedoch nicht von einer relevanten Änderung der tatsächlichen Umstände auszugehen, da sich der zwischenzeitliche Hörsturz im Vergleich der Tonaudiogramme der Jahre 2016 und 2019 nicht niedergeschlagen hat und er die Anfälligkeit des Klägers für eine progrediente Schwerhörigkeit unverändert beurteilt hat. Allein aufgrund der abstrakten Möglichkeit, dass sich der Beklagte in einem neuen Bewerbungsverfahren auf eine veränderte Tatsachenlage berufen könnte, kann dem Kläger ein Interesse an der Feststellung nicht abgesprochen werden.
29 In sachdienlicher Weise bezieht sich der Antrag in seiner in der mündlichen Verhandlung gestellten Fassung hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht auf den Zeitpunkt der Ablehnung der Bewerbung des Klägers, sondern auf den Einstellungstermin. Richtiger zeitlicher Bezugspunkt der Feststellung in der Verpflichtungssituation ist der Zeitpunkt der Erledigung der Klage, noch genauer der Zeitpunkt unmittelbar vor Erledigung der Klage (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.15 – 4 B 42.14 – juris, Rn. 8, m. w. N.). Dieser richtet sich nach dem angestrebten Einstellungstermin am 01.07.16.
2.
30 Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet.
31 Die Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Klägers war rechtswidrig, da der Kläger zum Zeitpunkt der Erledigung gegen den Beklagten einen Anspruch auf Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst hatte.
a)
32 Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG sind Ernennungen nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Zur gesundheitlichen Eignung bestimmt § 16 Abs. 2 LBG i.V.m. § 4 Nr. 2 LVOPol, dass in den Polizeidienst nur eingestellt werden darf, wer polizeidiensttauglich ist (vgl. auch § 43 Abs. 2 LBG).
33 Es obliegt zunächst grundsätzlich dem Dienstherrn, den Begriff der Polizeidiensttauglichkeit näher auszufüllen, in dem er die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn bestimmt.
Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diesen Spielraum hat der Beklagte durch die bundeseinheitliche Polizeidienstvorschrift 300 „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit“ (PDV 300) ausgefüllt, deren Fassung 2012 für Baden-Württemberg vom Innenministerium mit Anordnung vom 22.07.13 zum 01.09.13 in Kraft gesetzt wurde. Bei der PDV 300 handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die von einer Bund-Länder-Kommission aus Juristen, Polizeipraktikern und Leitenden Polizeiärzten erarbeitet wird, durch die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern zur Einführung empfohlen wird und sodann von den jeweiligen Innenministerien für ihren Hoheitsbereich per Anordnung in Kraft gesetzt wird. Bei der Bestimmung der körperlichen Anforderungen stellt der Beklagte insbesondere heraus, dass der Polizeivollzugsdienst besondere Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie die seelische Belastbarkeit stellt, wobei die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit von Bewerbern für den Polizeivollzugsdienst in Sinne einer universellen Einsetzbarkeit insbesondere die Verwendung im Außendienst und (Wechsel-) Schichtdienst, den körperlichen Einsatz gegen Personen, die Anwendung unmittelbaren Zwangs und den Gebrauch von Waffen zulassen muss (vgl. hierzu auch Nr. 1.2 PDV 300).
b)
34 Bei der Anwendung der Anforderungen der PDV 300 sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden (vgl. hierzu Hug, in: BeckOK Beamtenrecht Baden-Württemberg, Stand 01.08.19, § 43 LBG Rn. 49 ff.).
35 Soweit die PDV 300 spezifische körperliche Anforderungen festlegt, die der Beamte erfüllen muss, um die Ämter seiner Laufbahn wahrnehmen zu können, ist diese Festlegung vom Gericht grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar; dem Dienstherrn kommt hinsichtlich der Bestimmung der körperlichen Anforderungen der oben genannte weite Beurteilungsspielraum zu (vgl. zu einem solchen Fall Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.14 – 3 ZB 13.1074 – juris, Rn. 14).
Auch ist davon auszugehen, dass es dem Dienstherrn – schon aufgrund der großen Vielzahl verschiedener Krankheitstypen – nicht verwehrt ist, bei der Festlegung der körperlichen Anforderungen an die Polizeivollzugsbeamten auch in gewissem Umfang zu typisieren. Dem Gericht obliegt dann lediglich die Prüfung, ob der Beamte die festgelegten körperlichen Anforderungen erfüllt.
36 Soweit die PDV 300 hingegen Merkmale festlegt, die – ohne Auswirkungen auf die gegenwärtige Wahrnehmung der Ämter der Laufbahn – lediglich bezogen auf die Zukunft sicherstellen sollen, dass der Beamte bis zum Beginn der Altersgrenze dienstfähig bleibt, unterliegen diese Anforderungen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit.
Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung im Urteil vom 25.07.13 ausgeführt:
37 „Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der gesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des Beamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen. Es ist zu beurteilen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert.
38 Wie dargestellt hat der Dienstherr die gesundheitliche Eignungsprognose auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zum Dienstherrn gehindert wären, sich auf dieser Grundlage ein eigenverantwortliches Urteil über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen zu bilden.“
39 (BVerwG, Urteil vom 25.07.13 – 2 C 12.11 – juris, Rn. 27)
40 Demnach müssen die Gerichte hinsichtlich solcher Merkmale ohne Einschränkung der Prüfungsdichte positiv feststellen, dass aufgrund des Vorliegens des Merkmals mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine vorzeitige Dienstunfähigkeit oder regelmäßige krankheitsbedingte Ausfälle des Beamten zu erwarten sind. Soweit dies der Wortlaut der in der Anlage 1.1 der PDV 300 formulierten körperlichen Zustände zulässt, ist dieser Prognosemaßstab bereits im Rahmen der Auslegung der PDV 300 zu berücksichtigen.
c)
41 Diese Grundsätze sind auch unter Berücksichtigung der besonderen körperlichen Anforderungen des Polizeidienstes auf diesen anzuwenden.
42 Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts, dass der früher angenommene Beurteilungsspielraum für die langfristige medizinische Prognose aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten der Beweisführung eine unverhältnismäßige Einschränkung des Berufszugangs für Bewerber, deren Gesundheitszustand vom Normalzustand abweicht, darstelle, gilt in gleicher Weise für Bewerber für den Polizeidienst (vgl. wie hier Sächs. OVG, Urteil vom 08.11.16 – 2 A 484/15 – juris, Rn. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.17 – 6 A 2111/14 – juris, Rn. 100; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.18 – OVG 4 B 19.14 – juris, Rn. 30; VG Karlsruhe, Urteil vom 31.07.14 – 2 K 1762/13 – juris, Rn. 30; offen gelassen bei VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.01.17 – 4 S 394/15 – juris, Rn. 23). Dies folgt bereits daraus, dass Art. 33 Abs. 2 GG ebenso für den Zugang zum Polizeidienst gilt und eine besondere Rechtfertigung der früheren strengeren Auswahlpraxis hinsichtlich der medizinischen Beurteilungsgrundlage für die langfristige Prognose der Dienstfähigkeit speziell im Polizeidienst nicht ersichtlich ist.
d)
43 Nach den dargestellten Grundsätzen konnte der Bewerbung des Klägers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst eine fehlende gesundheitliche Eignung nicht entgegengehalten werden.
aa)
44 Durch die festgestellte Innenohrschwerhörigkeit verfehlte der Kläger keine körperlichen Anforderungen, die der Dienstherr unter Ausfüllung seines Beurteilungsspielraums zur Sicherstellung der gegenwärtigen körperlichen Leistungsfähigkeit festgelegt hat.
45 Zwar liegt bei Kriterien für das Hör- wie auch das Sehvermögen ein Zusammenhang zu den besonderen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nahe (vgl. beispielhaft Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.14 – 3 ZB 13.1074 – juris; VG Ansbach, Beschl. v. 19.03.19 – AN 1 E 19.00295 – juris). Zu diesen Anforderungen gehören nach Nr. 1.2 der PDV 300 unter anderem die Verwendung im Außendienst und der Gebrauch von Waffen, die eine uneingeschränkte Sinneswahrnehmung des Polizisten voraussetzen.
Jedoch diente die Anwendung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 im vorliegenden Fall nicht der Sicherung der Wahrnehmungsfähigkeit und damit bestimmter körperlicher Anforderungen, sondern zielte auf den Ausschluss einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit ab.
46 Bereits die Formulierung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 zeigt, dass dieses eine Doppelnatur aufweist, indem es einerseits die gegenwärtige Wahrnehmungsfähigkeit des Bewerbers („normales Hörvermögen“), andererseits aber auch das Risiko der vorzeitigen Dienstunfähigkeit betrifft: „Auch eine geringfügige Innenohrschwerhörigkeit neigt zur Progredienz, begünstigt als Vorschädigung spätere Lärmschäden und kann dadurch zu vorzeitiger Dienstunfähigkeit führen.“ Hierfür spricht auch, dass sich die Anforderungen in der Sache nach den G 20-Grundsätzen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung richten. Diese dienen nach der Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes des Beklagten vom 10.06.16 der arbeitsmedizinischen Vorsorge gegenüber zukünftiger Schwerhörigkeit.
47 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten und den Stellungnahmen des Beklagten, dass die Anwendung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 allein darauf abzielte, das Risiko einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit auszuschließen. Der Polizeiärztliche Dienst des Beklagten hat die Ablehnung des Klägers nicht mit einer gegenwärtig mangelnden Leistungsfähigkeit seines Gehörs begründet, sondern allein mit der Befürchtung einer zukünftig eintretenden Schwerhörigkeit.
Im Schreiben des Polizeiärztlichen Dienstes B... vom 27.06.16 heißt es hierzu: „Daher kann auch bei Ihnen eine zum bestehenden Gehörschäden kommende zusätzliche Verschlechterung nicht ausgeschlossen werden“. Überdies lagen beim Kläger keine körperlichen Einschränkungen vor, die in einem dienstlichen Kontext relevant werden konnten. Wie der Sachverständige Dr. ... in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, führen die in höheren Frequenzbereichen im Tonaudiogramm festgestellten Verlustwerte nicht zu einer außerhalb der Testumgebung wahrnehmbaren Einschränkung des Hörvermögens. Nach der hierfür maßgeblichen Klassifikation der prozentualen Hörminderung nach Röser (1980) sei die Einschränkung des Hörvermögens beim Kläger mit 0 % zu bewerten.
48 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass das Merkmal Nr. 6.3.1 der PDV 300 in anderen Fällen, in denen durch eine Schädigung des Gehörs bereits die aktuelle Wahrnehmungsfähigkeit des Bewerbers vermindert ist, auch zur Sicherung der Eignung für Dienstaufgaben herangezogen werden kann. Ein solcher Fall lag jedoch beim Kläger nicht vor.
bb)
49 Eine fehlende gesundheitliche Eignung ließ sich auch nicht mit einer drohenden vorzeitigen Dienstunfähigkeit des Klägers begründen.
50 Nach den oben beschriebenen Maßstäben würde dies eine medizinisch fundierte gesundheitliche Prognose voraussetzen, nach der bei dem Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit dem 62. Lebensjahr eine Dienstunfähigkeit zu erwarten wäre. Eine solche medizinisch gesicherte Prognose hat der Beklagte im Bewerbungsverfahren nicht angestellt. Die Ausführungen des Polizeiärztlichen Dienstes hierzu beschränken sich auf den pauschalen Verweis auf die Hörverlustgrenzwerte der PDV 300. Eine solche typisierte Betrachtung ohne näheres Eingehen auf den Einzelfall darf jedoch nach den oben dargestellten Grundsätzen der Einstellung eines Beamtenbewerbers auch für den Polizeidienst nicht mehr entgegengehalten werden.
51 Auch nach dem vom Gericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ist nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der vorzeitigen Dienstunfähigkeit auszugehen. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist die weitere Entwicklung einer Innenohrschwerhörigkeit in dem geringen Ausmaß, wie sie beim Kläger besteht, schwer abzusehen. Es gebe in der wissenschaftlichen Literatur keine belastbaren Ergebnisse, nach denen aufgrund eines solchen Vorschadens ein erhöhtes Risiko für eine progrediente Innenohrschwerhörigkeit
bestehe. Die jüngste hierzu vorliegende Studie von Swoboda und Welleschick spreche eher dagegen. Vielmehr erscheine die Entwicklung einer progredienten Schwerhörigkeit nach derzeitigem Kenntnisstand vorbehaltlich einer genetischen Disposition oder feststellbarer organischer Auffälligkeiten spontan und nicht vorhersehbar. Bestimmte organische Ursachen
(retrocochleare Störung, Mittelohrstörungen und Otosklerose) konnte der Sachverständige nach eigener Aussage durch zusätzliche Untersuchungen des Klägers ausschließen. Das Gericht folgt diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Das von ihm erstellte Gutachten sowie seine Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.19 erfüllen die Anforderungen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für seine Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Das Gutachten enthält weder erkennbare Mängel oder unauflösbare Widersprüche, noch geht es von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus oder gibt Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln, noch ist Gegenstand der Begutachtung eine besonders schwierige Fachfrage, die ein spezielles
Fachwissen erfordert, das bei dem Gutachter nicht vorhanden wäre. Auch ist das Ergebnis nicht durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert worden. Auf die Nachfragen des Beklagtenvertreters hat der Sachverständige die Unterschiede in der Herkunft und der Zielsetzung der G 20-Grundsätze und einer wissenschaftlich fundierten Risikoprognose benannt. Demnach könne mit einer Überschreitung der Hörverlustgrenzen im Tonaudiogramm noch keine Aussage über das langfristige Risiko einer progredienten Innenohrschwerhörigkeit getroffen werden. Dies entspricht der Darstellung im vom Polizeiärztlichen Dienst vorgelegten Übersichtsblatt zu den G 20-Untersuchungen.
Die Erstuntersuchung, auf die sich die Hörverlustgrenzwerte in Nr. 6.3.1 der PDV 300 bezieht, führt demnach bei einer Überschreitung der Grenzwerte nicht zu einer gesicherten Feststellung einer progredienten Schwerhörigkeit oder einer erhöhten Anfälligkeit hierzu, sondern zur Notwendigkeit einer weiteren fachärztlichen Abklärung in der Ergänzungsuntersuchung. Weitere Untersuchungen hat der Sachverständige als niedergelassener Facharzt nunmehr durchgeführt (Gutachten S. 7-10), ohne dass sich hieraus Anhaltspunkte für eine drohende progrediente Innenohrschwerhörigkeit des Klägers ergeben hätten. Darüber hinaus dient die Erstuntersuchung nach Darstellung des Sachverständigen auch einer Beobachtung der Hörverluste über die Zeit, um eine progrediente Schwerhörigkeit später feststellen zu können. Auch aus dieser längerfristigen Beobachtung, die vorliegend durch den Vergleich der Untersuchungsergebnisse im Bewerbungsverfahren im Jahr 2016 und im Gerichtsverfahren im Jahr 2019 möglich wurde, haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer progredienten Schwerhörigkeit zum damaligen Zeitpunkt ergeben.
52 Gegen diese Würdigung spricht auch nicht, dass die Rechtsprechung der Einschätzung des Polizeiärztlichen
Dienstes aufgrund seiner besonderen Erfahrung in der Beurteilung der Anforderungen des Polizeidienstes regelmäßig eine höhere Überzeugungskraft beimisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.06 – 1 D 10.05 – juris, Rn. 36 f.; Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.14 – juris, Rn. 18; VG Ansbach, Beschl. v. 19.03.19 – AN 1 E 19.00295 – juris, Rn. 98). Die vorgelegten Stellungnahmen des Polizeiärztlichen Dienstes gehen über den pauschalen Vortrag, dass die Erfüllung des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 stets mit einer erhöhten Anfälligkeit für eine progrediente Schwerhörigkeit verbunden sei, nicht hinaus. In diese Beurteilung sind ersichtlich keine besonderen Erfahrungen des Polizeiärztlichen Dienstes eingeflossen, da das Merkmal Nr. 6.3.1 auf Grenzwerte verweist, die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nicht für den Polizeidienst, sondern allgemein für den Arbeitsschutz erarbeitet wurden; der Beklagte hatte auf die Festlegung der Werte keinen Einfluss. Zudem hat wie oben dargestellt eine Überschreitung der Grenzwerte in der Erstuntersuchung nicht die direkte Folge, dass die betroffene Person nicht mehr in lärmintensiven Umgebungen eingesetzt werden darf, sondern führt zunächst lediglich zu einer weiteren fachärztlichen Abklärung und einer Beobachtung der Hörverluste über die Zeit, um eine progrediente Schwerhörigkeit feststellen und ggf. mit Schutzmaßnahmen reagieren zu können. Hingegen hat der Sachverständige klargestellt, dass nicht allein aufgrund der Überschreitung der Grenzwerte im Tonaudiogramm auf eine erhöhte Lärmanfälligkeit geschlossen werden kann (Gutachten, S. 12). An weitergehenden Feststellungen des Polizeiärztlichen Dienstes fehlt es jedoch. Weder ist dieser auf die vom Sachverständigen zitierten Untersuchungen oder auf etwaige eigene Erfahrungen mit dem Verlauf von Schwerhörigkeit unter Polizeibeamten eingegangen, noch hat er die gesundheitliche Disposition des Klägers über die erhobenen Tonaudiogramme hinaus weiter untersucht. Vor diesem Hintergrund wäre ein Vorzug für die Würdigung des Polizeiärztlichen Dienstes vorliegend nicht zu begründen.
53 Damit bleibt es beim Fehlen belastbarer medizinischer Aussagen zu einer drohenden vorzeitigen Dienstunfähigkeit, so dass die verlangte Prognose auf fundierter medizinischer Grundlage nicht gegeben ist.
cc)
54 Eine fehlende gesundheitliche Eignung des Klägers ließ sich schließlich nicht mit der Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen aus Gründen der Fürsorgepflicht begründen.
55 Der Beklagte hat hierzu im gerichtlichen Verfahren erstmals ausgeführt, er sehe sich bei einer Übernahme des Klägers in den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufgrund seiner Fürsorgepflicht gezwungen, aus Rücksicht auf das eingeschränkte Hörvermögen des Klägers Verwendungen in lärmintensiven Einsätzen zu vermeiden. Dies dringt jedoch nicht durch.
56 Die Fürsorgepflicht gebietet es dem Dienstherrn, gesundheitliche Gefahren für den Beamten im Dienst so weit wie möglich zu reduzieren. Dabei kann es geboten sein, einem Beamten bestimmte dienstliche Aufgaben nicht zuzuweisen, wenn diese mit einer erhöhten Gesundheitsgefahr für ihn einhergehen. Dies kann sich aus der entsprechenden Anwendung der Grundsätze des Arbeitsschutzes (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Stand Oktober 2016, § 78 Rn. 58) oder aus einer besonderen individuellen Anfälligkeit ergeben. Maßstab hierfür ist nicht, ob die dienstliche Aufgabe allgemein gefährlich ist, sondern ob die Gefährdung des einzelnen Beamten aufgrund seiner individuellen Konstitution erheblich höher ist als für die anderen Beamten, denen dieselben Dienstgeschäfte übertragen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.06.18 – OVG 4 B 16.15 – juris, Rn. 19; VG Berlin, Urteil vom 22.01.14 – 7 K 117.13 – juris, Rn. 29; VG Karlsruhe, Beschl. v. 29.02.16 – 7 K 5541/15 – juris, Rn. 30; gleicher Maßstab bei OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.17 – 6 A 2111/14 – juris, Rn. 106). Der Dienstherr ist in der Einschätzung eines solchen individuellen Risikos nicht frei, da Verwendungseinschränkungen mit der Pflicht zur amtsangemessenen Verwendung kollidieren können (vgl. VG Berlin, a. a. O.).
57 Nach diesen Maßstäben ergibt sich eine Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen vorliegend nicht aus der Heranziehung der G 20-Grundsätze der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, da diese eine andere Zielsetzung verfolgen. Wie bereits ausgeführt, bedeutet eine Überschreitung der Hörverlustgrenzwerte in der Erstuntersuchung nicht ohne Weiteres, dass die betroffene Person nicht mehr in lärmintensiven Umgebungen eingesetzt werden darf, sondern
macht zunächst eine weitere fachärztliche Abklärung erforderlich. Vorliegend hat der Sachverständige diese weiteren Untersuchungen durchgeführt, ohne dass sich hieraus Anhaltspunkte für eine gegenwärtige oder drohende progrediente Innenohrschwerhörigkeit des Klägers ergeben hätten.
58 Ebenso folgt eine Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen nicht aus der vom Beklagten angenommenen erhöhten Anfälligkeit des Klägers gegenüber lärmintensiven Tätigkeiten.
Die Annahme einer erhöhten Anfälligkeit setzt eine negative medizinische Risikoprognose voraus, an die im Fall der Ablehnung eines Bewerbers die gleichen Anforderungen hinsichtlich einer fundierten medizinischen Grundlage zu stellen sind wie an die Prognose der vorzeitigen Dienstunfähigkeit.
Denn auch hier gilt, dass ansonsten Bewerber auf Basis von unsicheren Typisierungen ausgeschlossen werden können, ohne dass sie die Möglichkeit haben, im Einzelfall den Gegenbeweis antreten zu können. Es würde die gerichtliche Nachprüfbarkeit der gesundheitlichen Prognose unterlaufen, wenn sich die Einstellungsbehörde in Fällen, in denen es an einer medizinisch fundierten Prognose für eine vorzeitig drohende Dienstunfähigkeit fehlt, auf der Basis der gleichen unzureichenden Prognose auf eine erhöhte Anfälligkeit für dienstbedingte Einflüsse berufen könnte, ohne dass dies genauso gerichtlich kontrolliert werden könnte. Dies wird im vorliegenden Fall augenfällig: Wie der Sachverständige im schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, erstreckt sich die fehlende Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, die bereits gegen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der vorzeitigen Dienstunfähigkeit
spricht, ebenso auf den Faktor einer beruflichen Lärmbelastung. Es gebe „keinen Hinweis auf eine erhöhte Lärmempfindlichkeit eines endogen vorgeschädigten Hörorgans, sowohl im Vergleich im ursprünglich normal hörenden Ohr als auch im Seitenvergleich und im Vergleich der verschieden vorgeschädigten Frequenzbereiche“ (Gutachten, S. 12). Im Übrigen sei das Risiko einer progredienten Schwerhörigkeit auch in lärmbelasteten Arbeitsbereichen insgesamt gering.
Aufgrund dieser überzeugenden Ausführungen ist das Gericht im vorliegenden Fall nicht von der medizinischen Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen wegen eines erhöhten Risikos der weiteren Gehörschädigung des Klägers überzeugt.
59 Es geht schließlich nicht zulasten des Klägers, dass eine erhöhte Anfälligkeit durch seine Vorschädigung aufgrund der nicht ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnislage auch nicht ausgeschlossen werden kann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Nach dem oben beschriebenen Maßstab für eine solche langfristige gesundheitliche Prognose reicht es für die Ablehnung des Bewerbers nicht aus, wenn ein Risiko nicht ausgeschlossen
werden kann, sondern es muss ein erhöhtes Risiko auf einer gesicherten medizinischen Grundlage festgestellt werden. Dies entspricht im Übrigen der allgemeinen Verteilung der Beweislast. Demnach trägt der Bewerber zunächst die Beweislast dafür, dass er die gesundheitliche Eignung erfüllt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.04.17 – 2 VR 2.17 – juris, Rn. 13; vgl. auch Urteil vom 20.10.16 – 2 A 2.16 – juris, Rn. 29). An der gegenwärtigen gesundheitlichen Eignung des Klägers hat das Gericht keine Zweifel (s. oben, II.2.d.aa). Beruft sich die Einstellungsbehörde hingegen auf ein erhöhtes Risiko einer späteren Schädigung und die medizinische Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen, trägt sie das Risiko der Nichterweislichkeit dieserTatsachen, da sie hieraus eine für sie günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. zur Prognose der
gesundheitlichen Eignung BVerwG, Urteil vom 25.07.13 – 2 C 12.11 – juris, Rn. 16 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.16 – 4 S 1082/14 – juris, Rn. 64).
e)
60 Darüber hinaus waren alle weiteren Voraussetzungen für eine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst
gegeben.
61 Der Kläger hat im Auswahlverfahren eine Punktzahl von 107 Punkten erreicht, mit der er im damaligen Einstellungsverfahren ausgewählt worden wäre. Dies hatte der Beklage ihm mit Schreiben vom 10.12.15 bereits zugesagt. Weitere Hindernisse für eine Einstellung wurden vom Beklagten nicht geltend gemacht.
III.
...
IV.
63 Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
64 Selbst wenn man für das vorrangige Einstellungsbegehren von einem höheren Interesse für den Kläger und daher für die Forstsetzungsfeststellungsklage von einem Abschlag hinsichtlich des Streitwertes ausgeht, ist zu berücksichtigen, dass zusätzlich zu den streitwertabhängigen Gerichtskosten ein noch höherer Betrag für das Sachverständigengutachten angefallen ist. Dieser wurde allein durch die Fortsetzungsfeststellungsklage verursacht, in der der Beklagte unterlegen
ist.
65 ...
V.
66
...
67 Die Anwendung der Grundsätze zur gesundheitlichen Eignung aus der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf Bewerber für den Polizeivollzugsdienst entspricht, soweit ersichtlich, der obergerichtlichen Rechtsprechung. Dies gilt ebenso für die Differenzierung der Merkmale der PDV 300 sowie für die Voraussetzungen, nach denen die Notwendigkeit von Verwendungseinschränkungen aus Präventionsgründen der gesundheitlichen Eignung eines Beamtenbewerbers entgegengehalten werden können. Die volle Nachprüfbarkeit des Merkmals Nr. 6.3.1 der PDV 300 folgt aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall, so dass sich hieraus keine grundsätzliche Bedeutung ergibt.
68 BESCHLUSS
69 Der Streitwert wird unter Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses vom 09.08.16 gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 7.072,68 € (die Hälfte der jährlichen Anwärterbezüge für das angestrebte Amt) festgesetzt.
70 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.