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Entlassung aus Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen Täuschungsversuchs?


Hamburgisches OVG, Beschluss vom 09.09.05 - 1 Ss 212 / 05 -

Der Vorbereitungsdienst für Polizeibeamte kann nicht allein wegen einer Täuschungshandlung vorzeitig beendet werden, wie sie im Rahmen von Prüfungen faktisch immer wieder vorkommen.

Sachverhalt:

Der Antragsteller wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeikommissaranwärter ernannt und besuchte im Rahmen des Vorbereitungsdienstes die Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. Er bestand die Zwischenprüfung. Im Zulassungsverfahren zur schriftlichen Prüfung legte er im August 2004 eine Hausarbeit vor. Später gab er im Fach Strafrecht-/Strafverfahrensrecht eine weitere Hausarbeit mit dem Thema Betäubungsmittelstrafrecht ab.

Im Januar 2005 stellte der Prüfer der zunächst abgegebenen Hausarbeit fest, dass es sich bei der Hausarbeit weitestgehend um ein Plagiat handle. 55 bis 60 % der Hausarbeit seien mit dem Inhalt einer von der Behörde für Inneres herausgegebenen Broschüre identisch. Die Texte seien teilweise wörtlich abgeschrieben worden. Ein Hinweis auf die Quelle findet sich in der Arbeit nicht. Die Hausarbeit wurde wegen dreisten Täuschungsversuchs mit 0 Punkten bewertet.

Hinsichtlich der zweiten abgegebenen Hausarbeit stellte die Prüferin in einem Gutachten fest, dass der Verfasser offenbar keine eigenen Sätze geschrieben habe. Die Eigenständigkeit erschöpfe sich vielmehr im seitenweisen Abschreiben einschlägiger Literatur eines ehemaligen Lehrbeauftragten. Der Verfasser habe in der Regel seitenweise über ein Tatbestandsmerkmal geschrieben und erst im letzten Satz des Abschnitts eine Fundstelle angegeben. ... Den Regeln der Vernunft zur Folge müsse dieses Vorgehen als untauglicher Täuschungsversuch gewertet werden.

Nach Anhörung des Beamten leitete die Antragsgegnerin ein Disziplinarverfahren ein, das bis heute nicht abgeschlossen ist. Darüber hinaus verfügte sie seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zum 30.06.05 und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Der Antragsteller legte Widerspruch ein. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwG0 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches hatte beim VG keinen Erfolg.


Entscheidung des Beschwerdegerichts:

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Der Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg haben.

Zutreffend dürfte der Antragsteller darauf hingewiesen haben, dass die Antragsgegnerin ihm hinsichtlich der kleinen Hausarbeit zu Unrecht einen Täuschungsversuch vorwirft. Wie sich aus dem Gutachten der Prüferin dieser Hausarbeit ergibt, hat der Antragsteller nicht etwa die Fundstelle der bezeichneten Quellen verschwiegen. ... Der Arbeit ist zu entnehmen, dass der Antragsteller es unterlassen hat, wörtliche Zitate aus der von ihm angegebenen Quelle als solche zu kennzeichnen. Die Quelle selbst hat er allerdings jeweils angegeben. Auch wenn die fehlende Kenntlichmachung wörtlicher Zitate nicht wissenschaftlicher Übung und nicht den Hausarbeitsrichtlinien entspricht, handelt es sich dabei um qualitative Mängel der Arbeit. Von einer Täuschungsabsicht kann nach Ansicht des Senats nicht ausgegangen. werden. Auch die Prüferin ging in ihrem Gutachten ersichtlich von der objektiven Untauglichkeit des von ihr angenommenen Täuschungsversuches aus.
Mit der Antragsgegnerin ist allerdings davon auszugehen, dass der Antragsteller durch das Verschweigen der Fundstelle, die er überwiegend wortgleich in die erste Hausarbeit übernommen hat, die Prüfer täuschen wollte und zunächst auch getäuscht hat.

Nicht zu folgen vermag der Senat der Wertung, dem Antragsteller könne fehlende Leistungsbereitschaft vorgehalten werden, weil beide Hausarbeiten mit ungenügend, 0 Punkten bewertet worden seien. Beide Prüfer haben ihr Urteil ganz oder wesentlich darauf gestützt, dass es sich um einen Täuschungsversuch handle. Ein genereller Schluss auf eine unzureichende Leistungsbereitschaft des Antragstellers lässt sich nach Ansicht des Senates allein daraus nicht ziehen.

Bei Berücksichtigung der Tatsachengrundlage mit den obigen Einschränkungen dürfte sich die Entlassung des Antragstellers aus dem Vorbereitungsdienst im Ergebnis nicht auf § 37 Hamburgisches Beamtengesetz stützen lassen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entlassung in den Fällen des § 37 Abs. 2 HmbBG nur aus Gründen statthaft, die mit Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen. Dazu gehören Gründe, nach denen ernstliche Zweifel daran bestehen, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, erreichen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Beamte unzulängliche Leistungen erbringt oder begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung für die angestrebte Beamtenlaufbahn bestehen. Das Ermessen des Dienstherrn kann durch Laufbahn- und Prüfungsordnungen näher konkretisiert werden.

Eine derartige Konkretisierung findet sich u. a. in § 24 PrüfOPol. Hinsichtlich der Prüfungen im Laufbahnabschnitt II regelt § 24 Verstöße gegen die Ordnung. § 24 Absatz 1 PrüfOPol bestimmt:
"Wenn ein Student bei einer Prüfungsleistung täuscht, zu täuschen versucht oder anderen in unzulässiger Weise hilft oder sonst erheblich gegen die Ordnung verstößt, kann je nach Art der Schwere des Verstoßes die Wiederholung der Prüfungsleistung angeordnet, die Prüfungsleistung mit der Punktzahl »0« und der Note »ungenügend« bewertet oder bei der Laufbahnprüfung II entschieden werden, dass sie als nicht bestanden gilt. ... "
Die PrüfOPol ist auf Grund von § 16 HmbBG erlassen. Nach dieser Vorschrift erlässt der Senat durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Laufbahnen der Beamten. Bei der PrüfOPol handelt es sich mithin nicht um eine bloße fachhochschulinterne Prüfungsordnung, die in erster Linie das Verhältnis der Fachhochschule zu den Studenten regelt. Es werden vielmehr spezifisch für Polizeibeamte Anforderungen aufgestellt, die für das erfolgreiche Absolvieren des Vorbereitungsdienstes der jeweiligen Laufbahn erfüllt werden müssen. Wenn der Verordnungsgeber im Rahmen einer derartigen Laufbahnverordnung Regelungen über Täuschungen und Täuschungsversuche im Rahmen der Ausbildung und daran anschließend gestufte Sanktionen trifft, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass Täuschungshandlungen im Rahmen von Prüfungsleistungen auch bei Polizeibeamten regelmäßig für den Vorbereitungsdienst lediglich die Sanktionen, die in § 24 PrüfOPol angeordnet sind, zur Folge haben sollen. Daher vermag der Senat der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zu folgen, Täuschungshandlungen von Polizeianwärtern müssten schon deshalb beamtenrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, weil an Polizeibeamte erhöhte Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit gestellt würden. Der Verordnungsgeber der PrüfOPol jedenfalls hat zumindest für den Fall der im Rahmen von Prüfungen faktisch immer wieder aus verschiedensten Gründen stattfindenden Täuschungsversuche unterschiedlicher Art eine ausdrückliche Regelung mit einem gefächerten Sanktionskatalog vorgesehen. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass zumindest Täuschungshandlungen, wie sie vielfach im Rahmen von Prüfungen auftreten können, prüfungsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Eine darauf gegründete Beendigung des Vorbereitungsdienstes ist jedenfalls nicht vorgesehen. Sie dürften infolgedessen nur dann in Betracht kommen, wenn die Täuschungshandlung auf Grund ihrer Art, ihre Schwere oder auf Grund wiederholter Täuschungen trotz angedrohter oder erfolgter Sanktionen eine sofortige zusätzliche beamtenrechtliche Reaktion des Dienstherrn nahe liegend erscheinen lässt.

Auch wenn demnach die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Ermessens nach § 37 Abs. 2 HmbBG die Intention des 24 PrüfOPol zu berücksichtigen hat, bedeutet das nicht, dass sie bei der Beurteilung, ob sie den Beamten nach bestandener Laufbahnprüfung in das Beamtenverhältnis auf Probe übernehmen will, eine nach § 24 Prüf0Pol zu sanktionierende Täuschungshandlung in ihre Eignungsbeurteilung nicht einstellen könnte. Denn die PrüfOPol bezieht sich ausdrücklich auf Täuschungshandlungen während der Prüfungen im Rahmen des Vorbereitungsdienstes und füllt damit die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 HmbBG aus.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin dürfte sich der Verbleib im Vorbereitungsdienst für den Antragsteller selbst dann nicht als nutzlos darstellen, wenn die Antragsgegnerin schon jetzt - beurteilungsfehlerfrei - zu dem Ergebnis käme, dass sie den Antragsteller wegen mangelnder persönlicher Eignung nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe übernehmen werde. Denn mit der erfolgreichen Diplomprüfung an der FH dürfte der Antragsteller seine Chancen auf dem wachsenden Arbeitsmarkt für private Sicherheitsdienste deutlich verbessern.

Unter Zugrundelegung des oben Gesagten kommt der Senat bei der Prognose des Ausgangs des Widerspruchsverfahrens zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin bei fehlerfreier Ausübung ihres Ermessens aller Wahrscheinlichkeit nach dem Widerspruch stattgeben und die Widerrufsverfügung aufheben wird. Hierfür spricht zum einen, das der Antragsteller mit der zweiten Hausarbeit schwerlich über die von ihm verwendeten Quellen hat täuschen wollen oder getäuscht hat. Mithin hat der Antragsteller damit nicht einen zweiten Täuschungsversuch unternommen. Die mit der Hausarbeit vorgenommene Täuschungshandlung, indem der Antragsteller ca. 55 bis 60 % des Textes aus einer nicht bezeichneten Quelle größtenteils wörtlich übernommen hat, stellt zwar einen deutlichen Täuschungsversuch dar. Es handelt sich aber um den ersten Täuschungsversuch des Antragstellers. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass der Antragsteller aus einer Broschüre der Behörde für Inneres zitiert hat, die zwar veröffentlicht, aber nicht über den Buchhandel erhältlich ist, dürfte es sich doch um einen Täuschungsversuch handeln, der sich noch im Bereich der Verstöße bewegt, die ausschließlich nach § 24 Prüf0Pol zu sanktionieren sind.


Zu den Rechtsgrundlagen:

§ 23 Beamtenstatusgesetz, hier nur Absatz 4:
(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden.
Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
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durch Verwaltungsakt Entlassungsverfügung
Beamte auf Widerruf aggressiver Kommissaranwärter Polizeianwärter, sexistisch Trunkenheitsfahrt PK-Anwärter Trunkenheitsfahrt PM-Anwärter 3000m-Lauf Sportprüfung Polizei Entlassung Schwerbehinderter
Rückforderung von Bezügen
Vor Ernennung auf Probe OVG SH 10.01.17
Beamte auf Probe Bedeutung der Probezeit innerdienstliche Straftat außerdienstliche Straftat Fälschung von Impfpässen wegen Dienstvergehens Tätowierung / Landser Betrug / Ladendiebstahl Alkohol und Schlägerei Lehrer / Unterrichtsbesuch Sport trotz Krankschreibung
Gesundheitliche Eignung gesundheitliche Eignung BVerwG 30.10.13 früher: Übergewicht
Weitere Fragen Beteiligung Personalrat? Sofortige Vollziehung? Pensionierung statt Entlassung? strafgerichtliches Urteil disziplinargerichtliches Urteil Nachversicherung / Altersgeld



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Das Gericht sieht im Gegensatz zur Behörde nur einen Täuschungsversuch, nicht zwei.

Das rechtfertigt in diesem Fall nicht die Entlassung des Beamten auf Widerruf.
Das Gericht zieht die Prüfungsordnung heran und betrachtet die darin vorgesehenen Sanktionen.

Die Regelungen der Prüfungsordnung sehen keine Beendigung des Vorbereitungsdienstes vor.


Über die Bedeutung des Täuschungsversuchs könnte man dennoch diskutieren.

Aber den Vorbereitungsdienst soll der Beamte abschließen dürfen, weil er dann mit dem Diplom künftig bessere berufliche Chancen hat.