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Scheidungsrecht: unzumutbare Härte gemäß § 1565 II BGB


Vielleicht stehen Sie noch ganz unter dem Eindruck der soeben erfolgten Trennung und wollen nun so schnell wie möglich geschieden werden? Der Gesetzgeber hat eine Überlegungsfrist von einem Jahr vorgesehen. Vor Ablauf des Trennungsjahres wird das Gericht die Scheidung nur in seltenen Fällen aussprechen.
Eine Scheidung vor Ablauf eines Trennungsjahres setzt voraus, dass die Fortsetzung der Ehe (auf dem Papier, wenn man so sagen darf, denn die Ehegatten leben getrennt) für einen Ehegatten eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

Beispiele aus der Rechtsprechung:

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.10.04 - 9 WF 111 /04 -

1. Für die Annahme einer Unzumutbarkeit i. S. des § 1565 II BGB muss die Fortsetzung aus den in der Person des Partners liegenden Gründen über die Erkenntnis des Scheiterns der Ehe hinaus eine besondere psychische Belastung für den Antragsteller darstellen; an die Feststellung der nach einem objektiven Maßstab zu beurteilenden Unzumutbarkeit der Härte sind nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift strenge Anforderungen zu stellen.

2. Unterhält ein Ehegatte ein Verhältnis zu einem neuen Partner, welcher mittlerweile mit dem Ehegatten im vormals ehelichen Hausanwesen zusammenwohnt, kann dieser Treuebruch für den anderen Ehegatten eine unzumutbare Härte im Sinne von § 1565 II BGB darstellen.


Die Parteien haben zwei Kinder, die im Haushalt der Ehefrau leben. Am 27.04.04 ist der Ehemann aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Er hat Prozesskostenhilfe für einen am 05.05.04 eingereichten Scheidungsantrag beantragt und macht geltend, ein Abwarten des Trennungsjahres sei ihm nicht zumutbar.

Das Familiengericht hat dem Ehemann Prozesskostenhilfe verweigert, weil sein Scheidungsantrag (noch) keinen Erfolg haben könne, weil das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei.
Das Oberlandesgericht ist anderer Meinung.

Aus den Gründen des Oberlandesgerichts:

Die Unzumutbarkeit bezieht sich weder auf das Zuwarten mit dem Scheidungsantrag bis zum Ablauf der einjährigen Trennungsfrist, noch auf die Fortführung oder Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft selbst, sondern darauf, dass das bloße Fortbestehen des juristischen Ehebandes - also das "Weiter-miteinander-verheiratet-sein" - unzumutbar sein muss (BGH, NJW 1981, 449 = FamRZ 1981, 127 [129]). Denn das Gesetz mutet den Ehegatten auch in Fällen, in denen die Ehe mit Sicherheit gescheitert ist, aber die Partner noch kein Jahr getrennt leben, grundsätzlich zu, die Jahresfrist abzuwarten.
Dabei reicht für die Annahme der in § 1565 II BGB gemeinten, aus der subjektiven Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit des Ehemannes festzustellenden Härte die Tatsache nicht aus, dass die Ehe gescheitert ist; vielmehr muss die Fortsetzung aus den in der Person des Partners liegenden Gründen über die Erkenntnis des Scheiterns hinaus eine besondere psychische Belastung für den Ehemann sein.
An die Feststellung der nach einem objektiven Maßstab zu beurteilenden Unzumutbarkeit der Härte sind nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift strenge Anforderungen zu stellen. Es müssen sich in der Person der Ehefrau liegende Gründe ergeben, die so schwer wiegen, dass dem Ehemann bei objektiver Betrachtung nicht zugemutet werden kann, an die Ehefrau als Ehepartner weiterhin gebunden zu sein.

Auch unter Berücksichtigung der danach vorzunehmenden restriktiven Auslegung des § 1565 II BGB verstößt die Ehefrau in diesem Fall durch ihr Verhalten in so schwerwiegender Weise gegen die Grundprinzipien der Ehe, dass es dem Ehemann nicht zuzumuten ist, noch länger an der Ehe festzuhalten.
Nach dem Sachvortrag des Ehemannes unterhält die Ehefrau ein Verhältnis zu einem anderen Mann, welcher mittlerweile mit der Ehefrau im vormals ehelichen Hausanwesen zusammenwohnt. Zwar hat die Ehefrau bestritten, dass der Mann bei ihr wohne. Dem Vorbringen des Ehemannes, der Liebhaber sei täglich bei ihr zu Besuch und nächtige dort, ist die Ehefrau aber nicht substanziiert entgegengetreten.

Jedenfalls unter diesen Umständen stellt der von dem Ehemann behauptete Treuebruch der Ehefrau für ihn eine unzumutbare Härte im Sinne des § 1565 II BGB dar.

Entscheidungen zu diesen Fragen sind aus verschiedenen Gründen eher selten.

Das Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 31.01.07 - 15 WF 22/07 - in einem anderen Fall folgendes entschieden:

Gemäß § 1565 Abs. 2 BGB kann die Ehe, wenn die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben, nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Diese Voraussetzung liegt nach dem unstreitigen Vorbringen der Antragstellerin vor. Danach ist die Ehe auf Grund der erheblichen alkoholbedingten Ausfälle des Antragsgegners gescheitert.
Die unzumutbare Härte muss sich auf das Eheband, d.h., das „Weiter-miteinander-verheiratet-sein“, nicht auf die Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens beziehen. Der Antragstellerin darf insoweit nicht zuzumuten sein, mit der Scheidung bis zum Ablauf des Trennungsjahres zu warten.
Deshalb ist es unerheblich, dass die Antragstellerin nicht nur von ihrem alkoholkranken Ehemann getrennt lebt, sondern diesem durch die einstweilige Anordnung sogar verboten ist, die Wohnung der Parteien zu betreten, sich in einem Umkreis von 100 m der Wohnung aufzuhalten und Verbindungen zur Antragstellerin aufzunehmen. Diese Maßnahmen vermögen die Antragstellerin zwar grundsätzlich davor zu schützen, dass sie sich erneut Bedrohungen oder gar körperlichen Übergriffen des Antragsgegners in der und um die Wohnung herum ausgesetzt sehen könnte. Sie besagen aber nichts darüber, ob der Antragstellerin zuzumuten ist, das eheliche Band und die damit verbundenen rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen aufrechtzuerhalten.
Das ist ihr nicht zuzumuten.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner seit Jahren immer wieder volltrunken, aggressiv und gewalttätig erlebt. Die gravierenden Vorfälle am 03.01.06 und im August 2006 über mehrere Tage mit Drohungen des Antragsgegners gegen das Leben der Antragstellerin zeigen, dass die in der Person des Antragsgegners liegende Unzumutbarkeit ein Ausmaß erreicht hat, das eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres rechtfertigt.

Die gesetzliche Regelung

§ 1565 BGB: Scheitern der Ehe

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Familienrecht / Übersicht

Voraussetzungen der Ehescheidung Verfahrensrecht (FamFG) Trennungsjahr Was bedeutet Getrenntleben? schnellere Scheidung?
Trennungsfolgen Trennungsfolgen Trennungsunterhalt Eheleute Mietwohnung bei Trennung Zuweisung der Wohnung Aufteilung des Hausrats Steuerklasse bei Trennung
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Scheidungsfolgen Scheidungsfolgen: Übersicht nachehelicher Unterhalt Versorgungsausgleich Zugewinnausgleichsanspruch Zugewinnausgleich Vermögen Zugewinnausgleich Höhe Eigentumswohnung / Haus erbrechtliche Folgen Beamte: Beihilfeanspruch Beamte: Familienzuschlag



Es geht hier um die Ehescheidung vor Ablauf eines Trennungsjahres.
Voraussetzung ist, dass die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte darstellt.



Die Gründe müssen durch den anderen Ehegatten gesetzt sein.


















Eine zweite Entscheidung zu diesen Fragen.