Startseite ⁄ Beamtenrecht ⁄ Amtshaftung aus Sicht des Beamten ⁄ Einzelfälle: Blaulichtfahrt
Schadensersatzpflicht eines Polizeibeamten,
der mit Blaulicht bei rot in eine Kreuzung einfährt

Das Problem der Blaulichtfahrten ist ernster, als es insbesondere die Fahrer von Einsatzfahrzeugen wahrnehmen, die oft ihre eigenen Fähigkeiten und die Beherrschbarkeit kritischer Situationen zu überschätzen scheinen.
Hierzu finden Sie einen Aufsatz von Alexander Stevens in der Zeitschrift DAR 2015, 181.
Man kann folgenden Ansatz wählen:
Urteil des OLG Celle vom 15.02.18 – 5 U 121/17 –

16
Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind Fahrzeugführer, die berechtigt Sonderrechte in Anspruch nehmen, von den StVO-Pflichten befreit. Durch § 35 StVO werden die Verkehrsregeln aber nicht geändert. Die Norm schränkt die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer jedoch zu Gunsten des Sonderrechtsfahrzeugs ein, so dass Sonderrechtsinhaber unter Anwendung größtmöglicher Sorgfalt jene Rechte missachten dürfen. Die Vorschrift gewährt mithin nur Befreiungen von Pflichten, die den Verkehrsteilnehmern sonst auferlegt sind. Der dadurch begünstigte Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs darf von den Befreiungen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gebrauch machen, § 35 Abs. 8 StVO. Sonderrechte dürfen daher nur unter größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden. Es ist abzuwägen, welches Maß an Wagnis nach Dienstzweck und Verkehrslage zulässig ist. Der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs muss der erhöhten Unfallgefahr, die er durch das Abweichen der Vorschriften herbeiführt, durch besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht begegnen. Die dem Sonderrechtsfahrer obliegende Sorgfaltspflicht ist umso größer, je mehr seine gegen die StVO verstoßende Fahrweise, die zu der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe nicht außer Verhältnis stehen darf, die Unfallgefahr erhöht.

Vergleichen Sie zu dieser Problematik bitte auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 05.09.16 - 4 K 1534/15 -.

Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24.02.11 - 2 K 832/07 -

Ein Polizeibeamter muss Schadensersatz leisten, nachdem er einen Verkehrsunfall verursachte, indem er bei einer Sonderrechtsfahrt nur mit Blaulicht aber ohne Horn bei Rot in eine Kreuzung einfuhr.

Entscheidungsgründe

Der Kläger ist zum Ersatz des am Dienstfahrzeug entstandenen Schadens verpflichtet.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides ist § 44 Abs. 1 Satz 1 LBG (entsprechend § 48 Beamtenstatusgesetz) in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchs gültigen Fassung. Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Hier hat der Kläger seine Dienstpflichten verletzt, indem er das Einsatzhorn zu spät einschaltete. Er ist unter Verstoß gegen die Bestimmungen des § 35 Abs. 1, 8, § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 und § 38 Abs. 1 und 2 StVO in eine in seiner Fahrtrichtung durch Rot-Signal gesperrte Kreuzung mit nur dem Sondersignal „Blaues Blinklicht“ eingefahren, ohne sich dabei zugleich des das besondere Wegerecht gewährenden Einsatzhorns (§ 38 Abs. 1 StVO) zu bedienen und sich hinreichend zu versichern, dass die anderen Verkehrsteilnehmer tatsächlich nicht gefährdet werden.

Nach den Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung steht unstreitig fest, dass er das Einsatzhorn erstmalig einschaltete (bzw. versuchte einzuschalten), als er bereits bis zu den Straßenbahnschienen in die für ihn durch Rot gesperrte Kreuzung eingefahren war. Damit verletzte der Kläger im hier vorliegenden (Einzel-) Fall die ihm aus der Straßenverkehrsordnung obliegenden Dienstpflichten.

Zwar ist die Polizei gemäß § 35 Abs. 1 StVO von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Eine solch dringende Aufgabenerfüllung mag hier die Verfolgung des Rotlichtsünders möglicherweise gewesen sein. Gleichwohl dürfen die Sonderrechte des § 35 Abs. 1 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, § 35 Abs. 8 StVO.

Soll eine Kreuzung unter Inanspruchnahme des Sonderwegerechts bei Rot passiert werden, muss der Fahrer daher in Rechnung stellen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit hoher Geschwindigkeit herannahen. Die damit verbundene Kollisionsgefahr ist unter allen Umständen zu vermeiden. Das Wegerecht berechtigt nicht zu einer Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer.

Blaues Blinklicht allein darf dabei gemäß § 38 Abs. 2 StVO grundsätzlich nur zur Warnung verwendet werden, gebietet den übrigen Verkehrsteilnehmern aber gerade nicht, dem blinkenden Fahrzeug freie Fahrt einzuräumen. Nur die Verwendung von blauem Blinklicht und Einsatzhorn zusammen ordnet gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 StVO an, dass die anderen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben, setzt deren Vorfahrtsberechtigung mithin vorübergehend außer Kraft.

Die verspätete Benutzung des Einsatzhorns erfolgte auch grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder wer schon die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die grobe Fahrlässigkeit nicht nur danach bemisst, dass das Verhalten, das zu dem Schaden geführt hat, objektiv grob fehlerhaft ist, sondern auch danach, ob der Schädiger sich subjektiv über Gebote und Einsichten hinweggesetzt hat, die sich ihm in der konkreten Situation hätten aufdrängen müssen.

Gemessen an diesem Maßstab war es auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig, dass der Kläger das Einsatzhorn erst betätigte, als er sich schon auf der Kreuzung befand, anstatt dies bereits vor der Überfahrt der Ampel zu tun. Nach seinen Einlassungen war er allenfalls noch knapp 50 Meter von der roten Ampel entfernt, als er sich entschloss, diese zu überfahren. Auch wenn er sich, wie in der mündlichen Verhandlung bekundet, tatsächlich nicht sofort zur Verfolgung des Rotlichtsünders entschlossen haben sollte, sondern erst schauen wollte, ob sich eine Verfolgung „lohne“, war er doch zumindest entschlossen, die rote Ampel zu überfahren. Diesem Entschluss war notwendig immanent, dass er, der Kläger, das Vorfahrtsrecht etwa vorhandenen Querverkehrs würde missachten bzw. würde vorübergehend außer Kraft setzen müssen.

Das Überfahren einer Kreuzung birgt hohe Gefahren, insbesondere wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt ist. ...
Gerade dem Kläger als Polizeivollzugsbeamten muss dabei bewusst sein, dass er von seinem Sonder- und Wegerecht nur unter äußerster Vorsicht und erst nach rechtzeitiger und ausreichender Ankündigung Gebrauch machen darf.

Dass der Kläger angesichts dieser offensichtlichen Gefahrgeneigtheit seines beabsichtigten Handelns in nur knapp 50 Meter Entfernung zur roten Ampel die Signale Blaulicht und Einsatzhorn nicht von vornherein gemeinsam betätigte, begründet einen auch subjektiv besonders schwerwiegenden Sorgfaltsverstoß. Denn es ist evident und hätte jedem einleuchten müssen, dass die Zeit für den bevorrechtigten fließenden Querverkehr zu knapp ist, um sich akustisch, visuell und in der Fahrweise darauf einzustellen, wenn das Einsatzhorn erst auf der Kreuzung im Gefahrenbereich selbst eingeschaltet wird.

Subjektiv entlastende Umstände sind nicht vorhanden. Ein vernünftiger Grund, aufgrund dessen der Kläger die beiden Sondersignale Blaulicht und Einsatzhorn getrennt voneinander schalten musste, ist nicht ersichtlich. Eine erfolgreiche Verfolgung des Verkehrssünders wäre ohnehin nur bei erheblicher Eile und, trotz der gebotenen Vorsicht, nur mit größtmöglicher Beschleunigung möglich und sinnvoll gewesen. Welcher vernünftige Nutzen hier darin gelegen haben soll, erst schrittweise fahrend nur mit Blaulicht allein bis zur Mitte der Kreuzung zu fahren, um dann , nach Vergewisserung davon, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer halten, mit Einsatzhorn und Blaulicht den Rest der Kreuzung zu passieren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich; erscheint einer erfolgversprechenden Verfolgung sogar eher kontraproduktiv. Im Einzelfall mögen für solch eine getrennte Betätigung so kurz vor einer roten Ampel zwar Rechtfertigungsgründe vorstellbar sein, so z. B. wenn notwendig verdeckte Ermittlungen u. ä. dies evtl. gebieten. Hier ergeben sich diesbezüglich jedoch keine subjektiv entlastenden Anhaltspunkte.

Dass der Kläger nach seinem Bekunden nur schrittweise fuhr, entlastet ihn ebenfalls nicht. Auch dann obliegt ihm, erst recht bei Nutzung des Blaulichts allein, die Pflicht bei Überfahrung der roten Ampel eine Gefährdung Anderer zu vermeiden. Die anderen Verkehrsteilnehmer müssen nämlich nicht damit rechnen, dass ein Einsatzfahrzeug nur mit blauem Blinklicht ohne Einsatzhorn bei Rot durchfährt.
Vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 38 Rn 6, m. w. N.

Aus diesem Grund trifft die Unfallgegnerin auch kein Mitverschulden, zumal die Klägerin das Horn unstreitig höchstens zwei Mal vernehmen konnte, bevor es zu der Kollision kam.

Schließlich entlastet den Kläger auch nicht, dass der Einschaltknopf des Einsatzhorns möglicherweise erst nach wiederholter Bedienung funktionierte, denn bereits der erste Einschaltversuch auf der Kreuzung war grob fahrlässig zu spät.


Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze

Gesetze
Einzelfälle aus der Rechtsprechung Mobbing Tod im Schwimmbad unglücklicher Zivi Schusswaffengebrauch Schusswaffe zu Hause Vollzugslockerungen Falschtanken Dienst-Kfz unbeaufsichtigt

Weitere Themen aus dem Beamtenrecht: amtsangemessener DienstBeamtenversorgung Beförderung Beurteilung, dienstliche Dienstunfähigkeit / Übersicht Dienstunfall Dienstzeitverlängerung Eignung Entlassung usw. Konkurrentenschutz Rückforderung von Bezügen Schwerbehinderung Umsetzung, Versetzung usw. Zwangsbeurlaubung







Blaulicht allein genügt nicht, um den Vorrang zu beanspruchen.






Hier ist von grober Fahrlässigkeit die Rede.




▲ zum Seitenanfang







Seien Sie sich als Einsatzfahrer auch des Umstands bewusst, dass gegen Sie wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung ermittelt werden kann. Auch eine disziplinarrechtliche Ahndung ist nicht ausgeschlossen.