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Disziplinarrecht: Zugriffsdelikt im Dienst / geringer Wert / Bagatellgrenze

Ein für das Disziplinarrecht (speziell: Zugriffsdelike) wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sollten Betroffene und ihre Anwälte unbedingt zur Kenntnis nehmen.
Für den Kenner liegt das Reizvolle der Entscheidung vielleicht in ihrer Länge - nämlich in der ausführlichen Darstellung des Standes der Rechtsprechung zu verschiedenen wichtigen Fragen des Disziplinarrechts.
Der Kern der Entscheidung besteht jedoch in der Feststellung, dass es auch bei Zugriffsdelikten und ähnlichen Dienstvergehen eine Bagatellgrenze gibt, die zur Zeit bei einer Schadenshöhe von etwa EUR 50,00 liegen dürfte.
Vergleichen Sie zu dieser Bagatellgrenze auch einen Beschluss des VG Kassel, 08.03.18 - 1 L 6527/17.KS - mit dem Leitsatz: Ein innerdienstliches Dienstvergehen hat grundsätzlich nur dann die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zur Folge, wenn es einen Schaden verursacht, der die Bagatellgrenze von 50 Euro überschreitet.

Wir empfehlen Ihnen, auf der Seite des Bundesverwaltungsgerichts auch noch dessen Beschluss vom 30.03.22 - BVerwG 2 B 46.21 - zu studieren. Es ging in jenem Fall um einen Polizeibeamten, der während seines Dienstes im Servicepoint der Bundespolizei ... in Uniform und mit Dienstwaffe am 23. und 25.10.16 Geldbeträge in Höhe von insgesamt 25 € aus der Kaffeekasse und zudem am 25.10.16 einen Betrag in Höhe von 20 € aus einem als Diebesfalle bereitgestellten Rucksack entwendete.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.07.13 - 2 C 63.11 -

Leitsatz:
1. Eine Vorbelastung stellt einen belastenden Umstand bei der Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG dar, wenn sie ein erhebliches Gewicht hat und im zeitlichen Zusammenhang mit dem nunmehr zu beurteilenden Dienstvergehen steht.
2. Die Stellung als Polizeibeamter kann bei der Gesamtwürdigung erschwerend berücksichtigt werden, wenn der Pflichtenverstoß einen Bezug zu dieser Stellung aufweist.
3. Die Rechtsmittelgerichte haben bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO, § 3 BDG zu beachten.
4. Eine unangemessen lange Verfahrensdauer des Disziplinarverfahrens, die erst im allein vom Dienstherrn betriebenen Rechtsmittelverfahren eintritt, kann zugunsten des Beamten eine Ausnahme von dem prozessualen Verschlechterungsverbot erforderlich machen.

Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts Ansbach werden aufgehoben.
Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) versetzt.

Der 1958 geborene Beklagte steht als Polizeihauptmeister im Dienst der Klägerin. Mit rechtskräftigem Urteil vom 17.04.02 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte am 13.05.01 außerdienstlich vor seinem Anwesen zwei Personen wegen ihres Fahrverhaltens zur Rede gestellt, beleidigt und mit der nicht geladenen Waffe bedroht. Das sachgleiche Disziplinarverfahren wurde im Hinblick auf das Strafurteil mit Verfügung vom 26.06.02 unter Feststellung einer an sich verwirkten langfristigen Kürzung der Dienstbezüge wegen Maßnahmeverbots eingestellt.
Gegenstand der Disziplinarklage ist der durch Urteil vom 19.03.03 rechtskräftig festgestellte Sachverhalt, nach dem der Beklagte am 04.12.02 einen 50-€-Schein aus der Geldbörse eines Kollegen in der Absicht, diesen für sich zu behalten, entnahm. Die Geldbörse mit weiterem Bargeld befand sich im unverschlossenen Aktenkoffer des Kollegen, den dieser im Umkleideraum seiner Hundertschaft abgestellt hatte. Der Beklagte wurde wegen des Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt; die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 17.04.02 wurde nicht widerrufen.

Im sachgleichen Disziplinarklageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 06.12.04 den Beklagten um zwei Ämter in das Eingangsamt eines Polizeimeisters zurückgestuft. Das Berufungsgericht hat den Beamten mit Beschluss vom 10.11.06 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung durch Urteil vom 25.10.07 - BVerwG 2 C 43.07 - aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil § 130 a VwGO im Disziplinarklageverfahren nicht anwendbar sei. Zudem weise die Maßnahmebemessung Rechtsfehler auf.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Berufungsgericht den Beamten aus dem Dienst entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kollegendiebstahl ziehe im Falle der Geringwertigkeit des entwendeten Betrags nach seiner Schwere im Regelfall eine Zurückstufung nach sich. Weitere anerkannte Milderungsgründe oder sonstige mildernde Umstände von insgesamt vergleichbarem Gewicht lägen nicht vor. Demgegenüber falle erschwerend ins Gewicht, dass der Beklagte sich das vorhergehende Disziplinarverfahren und die strafgerichtliche Verurteilung nicht zur Warnung habe dienen lassen. Ein Beamter, der der Versuchung nicht widerstehen könne, eine zufällig unbewachte und unverschlossene Tasche eines Kollegen zu öffnen und aus dem darin vorgefundenen Geldbeutel Geld zu entwenden, und sich eine zeitnah vorangegangene Bestrafung bei noch laufender Bewährungsfrist nicht zur abschreckenden Warnung dienen lasse, sei nicht mehr tragbar.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision.

II
Die Revision des Beklagten ist begründet.

Das Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG) grundsätzlich dieselben Befugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. Das Bundesdisziplinargesetz enthält insoweit, anders als etwa § 82 Abs. 3 Satz 2 DRiG, keine Einschränkungen. Vielmehr gilt die Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG, die den Verwaltungsgerichten die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme überträgt, gemäß § 70 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Revisionsverfahren.
Das Bundesverwaltungsgericht kann von der ihm danach zustehenden, durch die Rechtsmittelanträge eingeschränkten Befugnis jedoch nur Gebrauch machen, wenn es aufgrund der gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils eine gesetzeskonforme, d.h. den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG genügende Bemessungsentscheidung treffen kann. Es kann weder Tatsachen berücksichtigen, die nicht festgestellt sind, noch die Richtigkeit der festgestellten Tatsachen nachprüfen. Daher kann das Bundesverwaltungsgericht über die Disziplinarklage nur dann abschließend entscheiden, wenn das Berufungsurteil alle wesentlichen bemessungsrelevanten Gesichtspunkte enthält. Ansonsten muss es gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 BDG aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (Urteile vom 03.05.07 - BVerwG 2 C 9.06 - Rn. 27, vom 24.05.07 Rn. 28 und vom 29.05.08 Rn. 26).

Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils reichen für die Maßnahmebemessung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG aus. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden; sie haben keine Einwendungen erhoben (zur Erforderlichkeit einer vorherigen Anhörung: Urteil vom 29.05.08 a.a.O. Rn. 33).

Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte grundsätzlich eine Zurückstufung in das Eingangsamt seiner Laufbahn verwirkt hat. Dabei sieht er die Vorbelastung als gravierend ins Gewicht fallenden erschwerenden Umstand an, jedoch würdigt er, anders als das Berufungsgericht, die freiwillige Wiedergutmachung und Entschuldigung als entlastenden Umstand von beachtlichem Gewicht. Aufgrund der von Verfassungs wegen gebotenen Berücksichtigung der unangemessen langen Verfahrensdauer wird der Kläger jedoch nur in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8 BBesO) zurückgestuft.

1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Der Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (Urteil vom 20.10.05 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>; seitdem stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 62.11 - Rn. 39 ff.). Danach müssen die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. grundlegend Urteil vom 20.10.05 a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 5).

a) Wie § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG durch die Verwendung des Wortes „insbesondere" zum Ausdruck bringt, ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt (Urteile vom 20.10.05 a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 6 und vom 3.05.07 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20; zuletzt vom 28.07.11 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185, Rn. 29 und vom 28.02.13 a.a.O. Rn. 39 f.).

Für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder und Güter, ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen. Der Kollegendiebstahl ist hinsichtlich seiner Schwere der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar (Urteile vom 15.10.07 - BVerwG 2 C 43.07 - Rn. 19, vom 29.05.08 - BVerwG 2 C 59.07 - Rn. 21; zuletzt vom 23.02.12 - BVerwG 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 ff.).

Danach ist für den nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG bindend festgestellten Kollegendiebstahl aufgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Geldbetrages von 50 € die Zurückstufung nach § 9 BDG Richtschnur für die Maßnahmebemessung.

b) Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 BDG im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (Urteile vom 20.10.05 a.a.O. S. 259 f. bzw. S. 6, vom 3.05.07- BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20, zuletzt vom 28.07.11 - BVerwG 2 C 16.10 - a.a.O. Rn. 29, vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 26 f. = NVwZ 2013, 1087 und - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 Rn. 39). Deshalb dürfen die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden.

Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen (stRspr; Urteile vom 20.10.05 a.a.O. S. 261 ff. bzw. S. 7 ff., vom 3.05.07 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 21 ff.; vom 24.05.07 - BVerwG 2 C 25.06 - und vom 28.02.13 a.a.O. Rn. 40; zuletzt Urteile vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 33 und - BVerwG 2 C 62.11 - a.a.O. Rn. 46).
Umgekehrt können Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes oder eine besondere Vertrauensbeeinträchtigung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen, obwohl diese Maßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens für sich genommen nicht indiziert ist.

Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (Urteil vom 03.05.07 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 240. Maßstab ist hierbei, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (grundlegend Urteil vom 20.10.05 a.a.O. S. 260 bzw. S. 7, seitdem stRspr; zuletzt Urteil vom 28.02.13 -  BVerwG 2 C 62.11 - a.a.O. Rn. 56). Die Prüfung, ob der betreffende Beamte im Beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich (Amt im funktionellen Sinne) zu beziehen (Urteil vom 22.05.1996 - BVerwG 1 D 72.95 -).

Die Stellung als Polizeibeamter kann sich für die Bewertung außerdienstlichen Verhaltens erschwerend auswirken, wenn ein Bezug zur Dienstausübung des Beamten gegeben ist (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21.12.10 - BVerwG 2 B 29.10 -, vom 25.05.12 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 m.w.N. und vom 05.04.13 - BVerwG 2 B 79.11 - Rn. 4 ff.). Entsprechendes gilt für innerdienstliche Pflichtverletzungen, die unter Ausnutzung der dienstlichen Stellung begangen werden (vgl. Urteile vom 23.02.12 - BVerwG 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 ff. Rn. 16 und vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 31 ff., 36).
Dagegen hängt die disziplinarische Bewertung eines Kollegendiebstahls nicht davon ab, welcher Laufbahn oder welchem Verwaltungszweig der Beamte angehört oder welche dienstlichen Aufgaben er wahrnimmt.

Der Kollegendiebstahl ist hinsichtlich seiner Schwere im Grundsatz deshalb der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar, weil der Dienstherr sich auch hier auf die Ehrlichkeit seiner Bediensteten verlassen können muss. Ein Diebstahl zum Nachteil eines Kollegen belastet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden und damit letztlich die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in schwerwiegender Weise (stRspr; zuletzt Urteil vom 29.05.08 - BVerwG 2 C 59.07 - Rn. 21 m.w.N.). Insofern macht es keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter oder ein Beamter aus einem anderen Verwaltungszweig seine Kollegen bestiehlt.

Das Persönlichkeitsbild nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst die persönlichen Verhältnisse des Beamten und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach dem Dienstvergehen. Insbesondere sind frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen, deren Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, in die Würdigung einzubeziehen. Dies beruht darauf, dass - anders als im Strafrecht - mit einer Disziplinarmaßnahme nicht eine einzelne Tat bestraft wird. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (Urteile vom 03.05.07 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 25, - BVerwG 2 C 9.06 - und vom 23.02.12 - BVerwG 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 <481>; stRspr). Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der Beamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen.

Die Berücksichtigung einer Vorbelastung als erschwerender Umstand bei der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG scheidet aus, wenn ein Verwertungsverbot eingreift. Dies bestimmt sich für strafrechtliche Verurteilungen nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes. Danach kann die erste strafrechtliche Verurteilung nicht mehr im Revisionsverfahren berücksichtigt werden (vgl. § 51 Abs. 1 BZRG). Für disziplinare Vorbelastungen gelten die Verwertungsverbotsregelungen des § 16 BDG. Absatz 4 der Vorschrift erfasst diejenigen Disziplinarvorgänge, die - wie hier - nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme geführt haben. Die Frist für das Verwertungsverbot und die Tilgungspflicht beträgt bei erwiesenen Dienstvergehen zwei Jahre (§ 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 BDG). Aufgrund der Einleitung des neuen, hier streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens vor Ablauf der Frist, hat diese Frist noch nicht geendet (§ 16 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BDG). Das Gewicht einer Vorbelastung hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab.

Danach fällt das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten vom 13.05.01 erheblich zum Nachteil des Beklagten ins Gewicht. Es handelt sich um eine rechtskräftig abgeurteilte Straftat, für die die Klägerin eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG) für verwirkt hielt. Vor allem aber beging der Beklagte den Kollegendiebstahl am 13.12.02 nicht einmal ein halbes Jahr nach Beendigung des ersten Disziplinarverfahrens.

Als durchgreifende Entlastungsgründe kommen vor allem die Milderungsgründe in Betracht, die in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zugriffsdelikten entwickelt worden sind. Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (Urteil vom 3.05.07 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 31.

Unter Geltung der Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist es nicht mehr möglich, diese Milderungsgründe als abschließenden Kanon der bei Zugriffsdelikten allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen (vgl. Urteil vom 20.10.05 a.a.O. S. 262 ff. bzw. S. 8 f., seitdem stRspr). Vielmehr gelten auch hier die dargestellten Anforderungen an die prognostische Gesamtwürdigung. Demnach dürfen entlastende Gesichtspunkte bei Zugriffsdelikten nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines solchen Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen - im Zusammenwirken mit anderen Umständen - zu erfüllen. Die Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (Urteil vom 3.05.07 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 32).

Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt die tätige Reue dar, wie sie durch die Offenbarung des Fehlverhaltens oder die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (Urteil vom 03.05.07 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 23). Der anerkannte Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung greift nicht ein, wenn der Beamte das Dienstvergehen deshalb offenbart, weil er damit rechnet, dass gegen ihn ermittelt wird. Durch die freiwillige Offenbarung zeigt der Beamte, dass er sein Fehlverhalten bereut und aus innerer Einsicht entschlossen ist, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erscheint in einem günstigeren Licht, sodass die Erwartung gerechtfertigt ist, die von ihm verursachte Ansehensschädigung könne wettgemacht werden. Mit dem Zweck des Milderungsgrundes der freiwilligen Offenbarung lässt sich nicht vereinbaren, den in die Tat umgesetzten Persönlichkeitswandel generell für unbeachtlich zu erklären. Vielmehr führt die Umkehr des Beamten aus freien Stücken selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtenverstößen regelmäßig zur Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Milderungsgrund erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht gegenüberstehen (zum Ganzen zuletzt: Urteil vom 28.07.11 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185).

Einer Selbstanzeige, die der Beamte aus Furcht vor Entdeckung abgibt, kommt naturgemäß ein geringeres Gewicht als einer freiwilligen Offenbarung zu. Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Beamte weniger aus innerer Einsicht als vielmehr in dem Bestreben tätig wird, die nachteiligen Folgen seines Fehlverhaltens so gering wie möglich zu halten. Daher hängt es vom Hinzutreten weiterer, dem Persönlichkeitsbild zuzuordnenden mildernden Umständen ab, welches Gewicht diesem Verhalten beizumessen ist. Dieses Gewicht erhöht sich, wenn der Beamte nach der Selbstanzeige aus Furcht vor Entdeckung den Schaden alsbald ausgeglichen hat. Gleiches gilt, wenn der Beamte durch seine Mitwirkung die Aufklärung des Dienstvergehens ermöglicht oder erheblich vereinfacht hat (zum Ganzen: Urteil vom 28.07.11 a.a.O. Rn. 38 f. m.w.N.).

Danach ist das hier vom Beklagten gezeigte Verhalten nicht unbeachtlich, auch wenn es nicht den anerkannten Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung erfüllt. Zwar war bereits die Tat entdeckt, der Täter war aber noch nicht ermittelt worden, als sich der Beklagte dem geschädigten Kollegen gegenüber offenbart hat. Insofern ist von Bedeutung, dass durch die Mitwirkung des Beamten die Aufklärung des Dienstvergehens vereinfacht wird. Dies ist bei einem Geständnis zu einem frühen Zeitpunkt, d.h. bevor die vom Berufungsgericht aufgezeigten Ermittlungsmaßnahmen bereits angelaufen sind, der Fall. Der Beklagte hat außerdem den Schaden „alsbald“ ausgeglichen und sich beim Geschädigten entschuldigt. Er hatte das Geld noch vor der Aufdeckung seiner Täterschaft zurückgesandt. Dies alles lässt sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG in einem günstigeren Licht erscheinen.

c) Nach alledem hält es der Senat für erforderlich, aber noch ausreichend, den Beklagten in das Eingangsamt seiner Laufbahn, d.h. um zwei Ämter, zurückzustufen.
Die Schwere des Kollegendiebstahls indiziert die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht, weil dem Beklagten der Milderungsgrund der Geringfügigkeit der entwendeten Sache zugute kommt. Demnach käme die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur in Betracht, wenn die außerdienstliche Bedrohung, die als Vorbelastung zum Nachteil des Beklagten in die Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG einzubeziehen ist, nicht durch das ihm gut zu bringende Nachtatverhalten kompensiert wird. Wie dargelegt, ist die Vorbelastung erheblich. Dies folgt aus der als angemessen erachteten Kürzung der Dienstbezüge und dem engen zeitlichen Zusammenhang mit der neuerlichen gravierenden Dienstpflichtverletzung.

Dem steht gegenüber, dass der Beklagte den Geldschein zurückgegeben und sich später gegenüber dem Geschädigten offenbart hat, bevor die Tat entdeckt war. Zwar reicht dies nicht aus, um den anerkannten Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung zu erfüllen. Das Verhalten lässt jedoch Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes erkennen, die die Einschätzung rechtfertigen, das Vertrauen, der Beklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, sei noch nicht zerstört, sondern nur stark erschüttert.
Der Senat gewichtet damit das Nachtatverhalten anders als das Berufungsgericht, das mildernden Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs der freiwilligen Offenbarung eine zu geringe Bedeutung beigemessen hat. Die Verwaltungsgerichte müssen bei der Gesamtwürdigung offen dafür sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen. Sie dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens und belastenden Gesichtspunkten gesetzt werden.

2. Der Zurückstufung um ein Amt, die hier wegen der unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens angemessen ist, steht nicht das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO entgegen, das nach § 3 BDG auch für Disziplinarklageverfahren gilt. Es wirkt sich als Beschränkung der grundsätzlich uneingeschränkten Befugnis des Rechtsmittelgerichts aus, die Disziplinarmaßnahme zu bestimmen (vgl. Urteil vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 24). Das Rechtsmittelgericht darf nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO nur eine Disziplinarmaßnahme festsetzen, die sich innerhalb des Rahmens hält, der durch den Antrag des Rechtsmittelführers bestimmt wird (§ 64 Abs. 1 Satz 4 BDG).

Zwar konnte unter der Geltung der Bundesdisziplinarordnung aufgrund des Verweises in § 25 Satz 1 BDO auf die Vorschriften der Strafprozessordnung auch bei zu Lasten des Beamten eingelegten Berufungen des Bundesdisziplinaranwalts zugunsten des Beamten entschieden werden. Dies ist aber nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes nicht mehr möglich. Das Bundesdisziplinargesetz hat das Disziplinarrecht verfahrensrechtlich von der Bindung an das Strafprozessrecht gelöst und stattdessen eng an das Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht angelehnt (BTDrucks 14/4659, S. 33). Sinnfällig wird dies durch die Streichung des § 25 BDO und die zeitgleiche Einfügung der Verweisung in § 3 BDG auf die ergänzend anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf Regelungen der Strafprozessordnung wird nur noch punktuell in den Fällen verwiesen, in denen auf sie nicht verzichtet werden kann (BTDrucks 14/4659 S. 34 f.; vgl. zum Ganzen auch Urteil vom 24.09.09 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24).
Vorliegend hat nur die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, das den Beklagten um zwei Ämter zurückgestuft hatte. Allerdings ist hier eine Durchbrechung des Verschlechterungsverbots zugunsten des Beklagten geboten, um den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) Rechnung zu tragen. Die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens muss zu einer Herabsetzung der Disziplinarmaßnahme auf eine Zurückstufung um ein Amt führen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat, entnimmt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK einen Anspruch auf abschließende gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Zeit. Die Angemessenheit der Dauer des Verfahrens ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Parteien, der Vorgehensweise der Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Verfahrens für die Parteien zu beantworten. Dies gilt auch für Disziplinarverfahren. Sie müssen innerhalb angemessener Zeit, d.h. ohne schuldhafte Verzögerungen, unanfechtbar abgeschlossen sein. Dabei sind behördliches und gerichtliches Verfahren als Einheit zu betrachten (vgl. nur EGMR, Urteil vom 16.07.09 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017>).
Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung nur Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen (Urteil vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 50; Beschluss vom 16.05.12 - BVerwG 2 B 3.12 - NVwZ-RR 2012, 609 Rn. 12).
Daraus folgt für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nach einem unangemessen lange dauernden Disziplinarverfahren:
Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Das von dem Beamten zerstörte Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung schwerwiegender Pflichtenverstöße wiederhergestellt werden.
Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme ausreichend ist, steht fest, dass der Beamte im öffentlichen Dienst verbleiben kann. Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 22.02.05 - BVerwG 1 D 30.03 - Rn. 80, vom 8.06.05 - BVerwG 1 D 3.04 - Rn. 27 und vom 29.03.12 - BVerwG 2 A 11.10 - Rn. 84 f.; Beschlüsse vom 13.10.05 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8, vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - Rn. 11, vom 16.05.12 a.a.O. Rn. 9 f. und vom 28.02.13 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 53 f.).
42 Da nach der Gesamtwürdigung der Beklagte im Dienst verbleibt, ist nach diesen Maßstäben die unangemessen lange Verfahrensdauer von mittlerweile über 11 1/2 Jahren zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Die Verfahrensverzögerungen beruhten nicht auf einem Verhalten des Beamten, sondern auf der Behandlung des Verfahrens durch die Gerichte und sind daher als unangemessen anzusehen. Es liegt auf der Hand, dass die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen Belastung des Beklagten geführt und positiv auf ihn eingewirkt haben. Eine bloße Verkürzung des Beförderungsverbots nach § 9 Abs. 3 BDG genügt nicht, um diese Belastungen auszugleichen, sondern bei der Maßnahmebemessung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Zurückstufung um zwei Stufen auf eine solche um nur eine Stufe zurückzugehen.

Das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO, § 3 BDG hindert die Berücksichtigung einer unangemessenen langen Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme zugunsten des Beamten nicht, wenn sie erst nach Ablauf einer Rechtsmittelfrist eintritt. Hier kann dem Beamten nicht zum Nachteil gereichen, dass er eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme akzeptiert hat. Er konnte bei seiner Entscheidung, kein Rechtsmittel einzulegen, nicht wissen, dass sich die verhängte Maßnahme wegen der Dauer des vom Dienstherrn betriebenen Rechtsmittelverfahrens als überzogen erweisen würde. In derartigen Fällen ist es nicht nur konventionsrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich geboten, eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot und der dadurch herbeigeführten Teilrechtskraft zuzulassen.
Der Schutz vor unangemessen langer Verfahrensdauer ist nicht nur im Konventionsrecht verankert, er folgt auch aus dem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Daraus folgt, dass der Ablauf und insbesondere die Dauer des Disziplinarverfahrens wegen ihrer Auswirkungen auf den Beamten bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in den Blick genommen werden müssen, wenn das materielle Disziplinarrecht dies zulässt (zur Berücksichtigung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen im Strafverfahren vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.04.13 - 2 BvR 2567/10 - Rn. 16; vgl. auch Kammerbeschluss vom 21.01.04 - 2 BvR 1471/03 - BVerfGK 2, 239 Rn. 29, 31; stRspr).
Eine unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens vermindert das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis, weil anzunehmen ist, dass das Verfahren selbst den Betroffenen belastet. Die nachteiligen Wirkungen können der Sanktion gleichkommen (vgl. speziell zum Disziplinarverfahren BVerfG, Beschlüsse vom 04. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <29>, vom 08.09.1993 - 2 BvR 1517/92 - NVwZ 1994, 574 und vom 09. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - BVBl 06, 1372). In Folge des Zeitablaufs veränderte Lebensumstände können Wirkungen, die von einer staatlichen Sanktion für das künftige Leben des Betroffenen zu erwarten sind, verstärken.
Im vorliegenden Fall musste der Beklagte nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils nicht damit rechnen, dass es anschließend noch fast neun Jahre bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung dauern würde. Für ihn bestand auch kein Anlass, selbst ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung einzulegen, weil zum damaligen Zeitpunkt die auf eine Zurückstufung in das Eingangsamt lautende Bemessungsentscheidung nicht zu beanstanden war.
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A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
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