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Rückforderung von Bezügen: zurückgefordert wird der Bruttobetrag

Die Entscheidung ist schon älter, aber sie ist nach wie vor zutreffend im Hinblick auf das sog. Bruttoprinzip.
Ferner erläutert das Gericht sehr verständlich, auf welche Art und Weise sich der / die Betroffene im Fall von Rückzahlungen steuerlich entlasten kann.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30.01.06 - 5 G 12/06 -

Zur Rückerstattungspflicht von Familienzuschlag bei unterlassener Anzeige der Änderung der familiären Verhältnisse.

Im Falle der Rückerstattung von Besoldungsüberzahlungen sind Brutto-Beträge zurückzugewähren. Die steuerliche Entlastung erfolgt entweder im Lohnsteuerjahresausgleich oder bei der Einkommen­steuer­veranlagung des Beamten.

Der Antrag der Antragstellerin auf Rücküberweisung von 360,76 EUR mit der nächsten Gehaltsabrechnung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ist bereits seinem Wortlaut nach unzulässig, da das Gericht kein Geld zurück überweisen, sondern allenfalls die Gegenseite hierzu verpflichten kann.

Es kommt bei der Antragstellerin auch keine Umdeutung des Antrages etwa des Inhaltes in Betracht, die  Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den aus den laufenden Bezügen einbehaltenen Betrag von 360,76 EUR an die Antragstellerin einstweilig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszuzahlen. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch.

Wie die Antragsgegnerin in dem Rückforderungsbescheid zutreffend ausführt, hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Auszahlung der vollen Höhe des Familienzuschlags, da ihr Ehemann seit dem 16.07.03 erneut im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und die Antragstellerin seitdem nur noch Anspruch auf den hälftigen Familienzuschlag hat (§ 40 Abs. 4 BBesG). Soweit der Familienzuschlag nach dem 01.08.03 in voller Höhe gewährt wurde, erfolgte dies ohne Rechtsgrund. Infolgedessen ist die Antragstellerin zur Rückgewährung verpflichtet (§ 12 Abs. 2 BBesG i. V. m. § 812 ff. BGB).

Die von der Antragstellerin hiergegen gerichteten Einwände gehen vollständig ins Leere. Die Antragstellerin hat das ohne Rechtsgrund erlangte herauszugeben, ohne dass es darauf ankäme, welche Umstände zu der Überzahlung geführt haben.

Die Rückgewährung der Bezüge wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die Antragstellerin nicht mehr bereichert wäre, das Geld also bereits ausgegeben hätte (§ 818 Abs. 3 BGB). Hiervon abweichend bestimmt § 819 BGB i. V. m. § 818 Abs. 4 BGB allerdings, dass der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften haftet, wenn er den Mängel des rechtlichen Grundes kannte oder der Mangel so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG). Er haftet in diesem Falle unbeschränkt, ohne dass es auf den Wegfall der Bereicherung ankäme.

Ausweislich der vorgelegten Behördenakten wurde die Höhe des Familienzuschlags der Antragstellerin anlässlich ihrer Eheschließung, aber auch wegen der veränderten Beschäftigungssituation des Ehemannes mehrfach überprüft. Die Antragstellerin musste infolgedessen mehrfach Erklärungen über ihre persönlichen Verhältnisse abgeben. Die vorübergehende Aufnahme einer Tätigkeit des Ehemannes bei der Deutschen Post AG führte damals zu einer Kürzung des Familienzuschlages. Schon 1996 kam es in diesem Zusammenhang zu einer Überzahlung, die von der Antragstellerin zurückgefordert wurde. In allen Erklärungen wurde auf die bestehende unverzügliche Meldepflicht über Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen, auch der Familienangehörigen, hingewiesen.

Der Antragstellerin war nicht nur aus der Erklärung, sondern bereits aus der Rückforderung des Jahres 1996 positiv bekannt, dass ihr mit der Aufnahme einer Tätigkeit ihres Ehemanns bei der Stadt D. (wieder) nur der halbe Familienzuschlag zustand. Somit greift die verschärfte Haftung der Antragstellerin schon mit dem 16.07.03 ein, ohne dass sie sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen könnte, selbst wenn er vorläge.

Gegen die Entscheidung der Behörde, auf die Rückforderung ganz oder teilweise zu verzichten (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG), ist von Rechts wegen nichts einzuwenden. Die Antragstellerin ist Postoberamtsrätin (BesGr. A 13 VZ); bei ihr als Spitzenkraft des gehobenen Dienstes kann ein gesteigertes Verständnis für besoldungsrechtliche Zusammenhänge unterstellt werden. Sie war zudem wegen eines entsprechenden Vorgangs in der Vergangenheit von Anfang an bösgläubig. Sie hat gleichwohl zu keiner Zeit eigene Anstrengungen unternommen, ihren Dienstherrn auf die geänderten Einkommensverhältnisse hinzuweisen, damit Überzahlungen nicht anfallen. Angesichts dieses die beamtenrechtliche Treuepflicht in erheblichem Maße verletzenden Verhaltens ist es ermessensgerecht, auf die Rückzahlung nicht zu verzichten.

Die steuerlichen Einwände der Antragstellerin treffen nicht zu. Werden Dienstbezüge ohne Rechtsgrund gezahlt, so hat dies nicht ohne weiteres die Folge, dass auch die hierauf entfallende Lohnsteuer ohne Rechtsgrund an das Finanzamt abgeführt wird. Denn nach den Vorschriften des Steuerrechts sind Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit schon dann zu versteuern, wenn sie dem Empfänger tatsächlich zufließen, ohne Rücksicht darauf, ob er einen Rechtsanspruch auf sie hat (§ 11 Abs. 1 EStG, § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 2 Abs. 1 LStDVO). Zahlt der Empfänger die ihm ohne Rechtsgrund zugeflossenen -versteuerten - Bezüge noch im Kalenderjahr des Empfanges zurück, so lässt sich die Steuerdifferenz im Lohnsteuer-Jahresausgleich berichtigen. Zahlt der Empfänger die ihm ohne Rechtsgrund zugeflossenen Dienstbezüge nicht oder erst in einem späteren Kalenderjahr zurück, so bleiben sie für das Kalenderjahr des Empfanges steuerpflichtig. Die Rückzahlungen können dann im Kalenderjahr der Rückzahlung als »negative Einkünfte« steuerlich abgesetzt werden, sodass auf diese Weise ein steuerlicher Ausgleich erfolgt; eine Aufrollung der Steuerberechnung für das Jahr des Empfanges mit dem Ergebnis eines Erstattungsanspruchs gegen das Finanzamt findet jedoch nicht statt (BVerwGE 24, 92 - 106).

Warum entgegen den zutreffenden Feststellungen im Widerspruchsbescheid im Januar 2006 tatsächlich nur der Netto-Überzahlungsbetrag (360,76 EUR) einbehalten worden ist, erschließt sich dem Gericht nicht. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin auch eine etwaige Differenznachforderung zum Bruttobetrag hinzunehmen hätte.
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Das Gericht erläutert die häufig gestellte Frage: was ist mit den abgeführten Steuern?



Das Gericht betont noch einmal, dass Bruttobeträge zurückzufordern sind.