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Mobbing: Wir arbeiten in diesem Bereich nicht.

Arbeitsgericht München, Urteil vom 25.09.01, 8 Ca 1562 / 01
1. Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast eines Mobbing-Vorwurfs dürfen nicht herabgesetzt werden, weil ein unmittelbarer Beweis der Kausalität des Verhaltens der einen Seite für die psychischen Erkrankungen der anderen Seite allein aus der Art der Erkrankung heraus nicht möglich ist (entgegen LAG Thüringen, NZA-RR 2001, 347).

2. Bei Mobbing-Vorwürfen müssen die einzelnen Vorfälle nach Zeitpunkt, Intensität und Häufigkeit substanziiert vorgetragen werden.


Zum Sachverhalt:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen Mobbing geltend. Sie ist bei der A-AG beschäftigt und war seit 1991 Sekretärin des Betriebsrats. Sie ist Mitglied des Betriebsrats und Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat.
1994 wurde der Beklagte zu 1 Betriebsratsvorsitzender und war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Ende 2000 ihr disziplinarischer Vorgesetzter.

Seit 17.08.99 ist die Klägerin arbeitsunfähig. Sie behauptet, ihre Krankheit sei durch Mobbing seitens des Beklagten zu 1 verursacht und später durch das Verhalten des Beklagten zu 2 aufrechterhalten worden.

Die Klägerin trägt somatische und psychische Krankheitsbefunde vor, welche durch Verhaltensweisen des Beklagten zu 1 verursacht worden seien, die sie im Einzelnen beschreibt. Dabei schildert sie verbale und nonverbale Ausdrucksweisen des Beklagten zu 1, welche geeignet gewesen und "mutmaßlich" eingesetzt worden seien, um sie psychisch zu foltern und zu terrorisieren. Die Klägerin hat zwei ärztliche Gutachten vorgelegt, welche zu dem Ergebnis kommen, dass ihre Arbeitsunfähigkeit durch Mobbing am Arbeitsplatz verursacht worden sei. Die Klägerin bezieht sich auf eine von der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizeibeamter veröffentlichte Definition des Begriffes Mobbing.

Von dem Vertreter der Klägerin wurde am 13.07.00 ein Schriftwechsel mit dem Beklagten zu 2 als Vorstandsvorsitzenden der A-AG eingeleitet. Dieser wies die Vorwürfe zurück. Es fanden auch Gespräche über einen Arbeitsplatzwechsel oder ein Ausscheiden der Klägerin statt. Eine Einigung wurde nicht erzielt.

Die Klägerin verlangt nun Schmerzensgeld und für die Vergangenheit sowie künftig den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem früheren Gehalt und dem Krankengeld sowie entgangenes Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld.
Sie richtet ihre Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 und gegen den Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner, da Ersterer die Ursache gesetzt habe, Letzterer sich nicht im Rahmen seiner Verpflichtungen als gesetzlicher Vertreter der Arbeitgeberin für die Klägerin eingesetzt habe.
Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld wegen Mobbing, als Schadensersatz wegen Mobbing insgesamt 67.198,01 DM nebst Zinsen sowie ab dem 01.01.01 zu Beginn eines jeden Monats jeweils 2.641,10 DM brutto als Schadensersatz zu bezahlen.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Vorbringen der Klägerin erfüllt keine rechtlich gegebene Anspruchsgrundlage.

Der Begriff des Mobbing ist keine Anspruchsgrundlage mit Rechtsgeltung. Die von der Klägerin mitgeteilte Definition ist keine brauchbare Anspruchsgrundlage, da sie weder den Tatbestand des Mobbingverhaltens substanziiert beschreibt, noch spezielle Rechtsfolgen daran knüpft. Die Kammer sieht auch kein ausreichendes Bedürfnis und keine ausreichenden rechtlichen Voraussetzungen, die Rechtsfigur des Mobbing dem Schadensersatzrecht hinzuzufügen, wie es durch das Bürgerliche Gesetzbuch und dessen Auslegung gegenwärtig gilt.
Der Begriff des Mobbing hat nicht rechtliche, sondern nur sprachliche Bedeutung zur kurzen Zusammenfassung bestimmter Verhaltensweisen im Arbeitsleben. Im Streitfall müssen diese Verhaltensweisen konkretisiert und unter die geltenden Anspruchsnormen subsumiert werden.

Als Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche wegen Mobbing kommen unerlaubte Handlung i. S. von §§ 823 ff. BGB oder die so genannte positive Vertragsverletzung in Betracht. Beide Anspruchsgrundlagen setzen voraus, dass ein Verhalten des Anspruchsgegners ursächlich für einen Schaden geworden ist und dass das Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig war.

Das Vorbringen der Klägerin ist nicht schlüssig für diese Anspruchsgrundlagen.

Keiner der von der Klägerin behaupteten einzelnen Vorgänge ist für sich genommen schwerwiegend genug, um den zuverlässigen Schluss zuzulassen, er habe die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin verursacht. Dies will auch die Klägerin nicht behaupten. Vielmehr geht ihr Vorbringen dahin, die große Zahl verschiedener Vorfälle und die häufige Wiederholung gleichartiger Vorfälle habe dazu geführt. Dann muss aber auch das Vorbringen der Klägerin dahin konkretisiert werden, über welchen gesamten Zeitraum sich das Mobbing erstreckt hat und wie lange und wie oft sich einzelne gleichartige Vorfälle wiederholt haben. Gerade weil ein unmittelbarer Beweis der Kausalität des Verhaltens der einen Seite für die psychischen Erkrankungen der anderen Seite nicht möglich ist, sondern nur auf Indizien und Erfahrungswerte zurückgegriffen werden könnte, dürfen die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin nicht herabgesetzt werden, wie sie dies unter Bezugnahme auf das von ihr zitierte Urteil des LAG Thüringen wünscht. Bei der Darlegungslast gibt es ebenso wenig ausreichende rechtliche Gründe für eine Umkehr wie bei der Beweislast.
Der Leitsatz des Urteils des LAG Thüringen bewegt sich in einem Zirkelschluss, wenn es dort heißt: „Das Vorliegen eines mobbingtypischen medizinischen Befundes kann erhebliche Auswirkungen auf die Beweislage haben: Wenn eine Konnexität zu den behaupteten Mobbinghandlungen feststellbar ist, muss das Vorliegen eines solchen Befundes als ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit dieser Behauptungen angesehen werden. Die jeweilige Ausprägung eines solchen Befundes kann ebenso wie eine „mobbingtypische“ Suizidreaktion des Opfers im Einzelfall darüber hinaus Rückschlüsse auf die Intensität zulassen, in welcher der Täter das Mobbing betrieben hat. Wenn eine Konnexität zu feststehenden Mobbinghandlungen vorliegt, dann besteht eine von der für diese Handlungen verantwortlichen natürlichen oder juristischen Personen zu widerlegende tatsächliche Vermutung, dass diese Handlungen den Schaden verursacht haben, den die in dem medizinischen Befund attestierte Gesundheitsverletzung oder die Suizidreaktion des Opfers zur Folge hat."

Diese Argumentation verlegt die Lösung des Problems in die Begriffe „Mobbinghandlungen“ und „mobbingtypische medizinische Befunde“. Es gibt weder typische Mobbinghandlungen noch mobbingtypische medizinische Befunde. Dies wird gerade an einzelnen Aspekten des vorliegenden Falls deutlich: Einzelne medizinische Befunde bei der Klägerin, wie Schlafstörungen, Tinitus, Migräne, können ihre Ursache im  Mobbing haben, müssen es aber nicht. Sie können auch aus anderen Gründen bei einer Frau mit Anfang 50 nach jahrzehntelanger Vollzeitarbeit auftreten. Auf der anderen Seite kann die hier unstreitige Äußerung „In der Sitzung reden Sie nicht, sondern sind Sie still!“ ein Mobbing-Tatbestand sein oder eine vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasste berechtigte Weisung des Inhalts, dass die Klägerin in der Sitzung des Gesamtbetriebsrats, dem sie nicht angehört (sie gehört nur dem örtlichen Betriebsrat an), bei dem sie aber Protokoll führt, selbst nicht das Wort ergreifen darf. Es darf daher auch bei Mobbingvorwürfen der Klageseite nicht erspart werden, die einzelnen Vorfälle genau zu substanziieren nach Zeitpunkt, Intensität und Häufigkeit. Schon dieser Darlegungslast ist die Klägerin nicht nachgekommen. Daher kann die Kammer auch keinen zuverlässigen Schluss ziehen, ob das Verhalten Mobbing war, noch ob es ursächlich für die Krankheit der Klägerin war.

Schlüssiges Vorbringen zum Mobbingverhalten und zu dessen Ursächlichkeit für die Krankheit kann nicht durch Vorlage von Privatgutachten ersetzt werden, auch nicht im Wege der Bezugnahme. Die vorgelegten Gutachten enthalten selbst kein substanziiertes Vorbringen zum behaupteten Mobbingverhalten, sondern erschöpfen sich in einer zusammenfassenden Bestätigung der Behauptungen der Klägerin hierzu. Mangels substanziierten Klagevorbringens durfte auch der angebotene Sachverständigenbeweis nicht erhoben werden. Einem vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen könnte kein substanziierter Sachverhalt zur Begutachtung vorgelegt werden. Bei der vorliegenden Tatsachenbasis wäre von einem solchen Gutachten nur eine Aussage dazu zu erwarten, ob die Klägerin krank ist, ob die Ursache dieser Krankheit in der Arbeitssituation liegt und ob solche Krankheitsbefunde nach ärztlicher Erfahrung durch Mobbing verursacht sein können. Die Ermittlung von Mobbingvorfällen durch den Sachverständigen im Laufe der Anamnese liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.

Was den Beklagten zu 2 betrifft, so werden die Schadensersatzansprüche auf die Behauptung gestützt, er habe seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als gesetzlicher Vertreter des Arbeitgebers verletzt. Hierfür ist das Vorbringen der Klägerin nicht schlüssig. Auf den Hinweis des Vertreters der Klägerin über behauptetes Mobbingverhalten des Beklagten zu 1 hat der Beklagte zu 2 Letzteren angehört und das Ergebnis mitgeteilt. Nach Fortführung des Schriftwechsels hat er die weitere Bearbeitung dem hierfür zuständigen Personalleiter übertragen, welcher ebenfalls schriftlich und mündlich mit dem Vertreter der Klägerin verhandelt hat. Nachdem der Betriebsrat die Zusammenarbeit mit der Klägerin abgelehnt hatte, blieb keine andere Möglichkeit, als über einen anderen Arbeitsplatz oder über ein Ausscheiden zu verhandeln. Dies ist - wenn auch ohne Erfolg - geschehen. Pflichtverletzungen von der Arbeitgeberseite hierbei sind nicht vorgetragen.
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Der Kern des Problems:
Sie finden keinen Mobbingtatbestand in den Gesetzen, sondern müssen das Geschehen unter einzelne gesetzliche Vorschriften subsumieren können.

Dazu müssen viele Einzelheiten vorgetragen und bewiesen werden.

Hier werden zwei denkbare Anspruchsgrundlagen erwähnt.

Aber das Gericht hält deren Voraussetzungen nicht für erfüllt.

Dabei müssen Sie bedenken, dass Sie im gerichtlichen Verfahren für vieles die sogenannte Beweislast tragen.

Sie müssen die einzelnen Geschehnisse beweisen und auch deren Ursächlichkeit für aufgetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Das ist oft unmöglich und die Meinung Ihrer Ärzte und Therapeuten hat im gerichtlichen Verfahren unter Umständen nur wenig Gewicht.