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Das außerdienstliche Verhalten des Beamten geht den Dienstherrn nichts an (Grenzziehung?)

Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 03.04.09, 6 B 36/09,
jetzt auch in NVwZ 2009, 927 f.


Das Oberverwaltungsgericht des Bundeslandes NRW hat mit Beschluss vom 03.04.09 das gegen einen Lehrer ausgesprochene Verbot des Führens der Dienstgeschäfte aufgehoben, der wegen angeblichen sexuellen Fehlverhaltens von dem Dienstherrn nicht mehr für "tragbar" angesehen wurde.
Wer die Entscheidung des OVG im vollständigen Text liest, wird ein Beispiel dafür finden, wie schwierig bisweilen die Position eines Beamten ist, gegen den Unterstellungen und Verdächtigungen erhoben werden, zumal die Behörden bisweilen geradezu hysterisch reagieren, wenn auch nur der Vorwurf einer verbalen Entgleisung - einer sexuellen Anspielung - im Raume steht.

Dieser kurze Auszug aus der eigentlich viel längeren Entscheidung soll nur einmal eine etwas moderne Auffassung zur Grenzziehung zwischen innerdienstlichem Fehlverhalten und außerdienstlicher, privater Lebensführung darstellen.

In der Entscheidung des OVG NRW heißt es u. a. sinngemäß wie folgt:

Die Ausführungen zum Sexualleben des Beamten sollen offenbar belegen, dass es nicht mehr vertretbar ist, ihn seine Aufgaben auch nur vorübergehend wahrnehmen zu lassen.

Dieser Schluss trifft nicht zu. Der Dienstherr hat die Privatsphäre des Beamten zu achten. Dies gilt auch und insbesondere für den höchstpersönlichen Bereich des Sexuallebens. Welche sexuelle Ausrichtung der Beamte hat, welche Formen der Sexualität er bevorzugt, ob er sexuell besonders aktiv ist, welchen Stellenwert er der Sexualität in seinem Leben einräumt, ob er ständig wechselnde und wie viele Sexualpartner er hat, wie er es mit der partnerschaftlichen Treue hält oder ob er seine sexuellen Bedürfnisse bei Prostituierten befriedigt, sagt nichts über die charakterliche Eignung als Beamter aus und ist für das Beamtenverhältnis nur dann von Belang, wenn der Beamte durch seine sexuellen Aktivitäten Strafgesetze verletzt, die öffentliche Ordnung stört oder er sein Sexualleben in einer Form öffentlich macht, die geeignet ist, den Dienstbetrieb zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Dienstherrn herabzusetzen. Außerhalb dessen ist kein Raum für dienstliche Maßnahmen. Erhält der Dienstherr - wie hier durch Denunziation der früheren Lebensgefährtin des Antragstellers - zufällig Kenntnis von sexuellen Aktivitäten des Beamten, die andere als unmoralisch oder abstoßend empfinden, ist dies allein kein Grund, um dienstrechtlich gegen den Beamten vorzugehen.

Soweit die Bezirksregierung in ihrer Verfügung einem Lehrer, der "sexsüchtig" ist, Prostituierte aufsucht, Sex-Partys veranstaltet sowie Vorlieben für "bestimmte Sexualpraktiken" hat und diese auch auslebt, "gravierende Persönlichkeitsmängel" anlastet und vorwirft, "das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und moralische Integrität von Grund auf" zu zerstören, ist diesem moralisierenden Urteil nicht zu folgen.

Dass der Beamte im Rahmen seiner sexuellen Aktivitäten Strafgesetze verletzt beziehungsweise die öffentliche Ordnung oder den Dienstbetrieb gestört hat, lässt sich der Verfügung nicht entnehmen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür mitgeteilt, dass er Schülern Anschauungen vermittelt haben könnte, die dem gesellschaftlichen Konsens von Sitte und Moral widersprechen.



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