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Schwerbehinderung und beamtenrechtliche Eignung
Zu der Frage, ob und in wie weit bei einer anerkannten Schwerbehinderung die Anforderungen zu senken sind, die sonst an die Eignung von Beamten gestellt werden, gibt es verschiedene Auffassungen und auch durchaus unterschiedliche Regelungen.
Wir befassen uns hier nicht so sehr mit besonderen Verfahrens- und Beteiligungsrechten, sondern mit der Anpassung der inhaltlichen Anforderungen - insbesondere natürlich an die Gesundheit - an die anerkannte Schwerbehinderung.
Dabei wollen wir einmal unterstellen, dass gleichgestellte Personen ebenso behandelt werden wie Schwerbehinderte.
Auch dazu mag es allerdings unterschiedliche Auffassungen geben.

Regelung durch Normen

Ganz grundlegend für das Recht der schwerbehinderten Menschen sind die Regelungen im 9. Buch des Sozialgesetzbuchs, kurz SGB IX.
Das SGB IX ist ein eigenes, umfangreiches Gesetzeswerk, dessen Kommentierungen hunderte von Seiten umfassen können. Das lässt sich hier sicher nicht einmal annähernd erreichen, eigentlich konzentrieren wir uns auf den Aspekt der Bemessung der Eignung.
Auf jeden Fall ist es notwendig, dass Sie in Bewerbungen klar und eindeutig auf die anerkannte Schwerbehinderung oder die erfolgte Gleichstellung hinweisen bzw. bei bestehendem Dienstverhältnis dem Dienstherrn die entsprechende Anerkennung mitteilen.
Über Bewerbungen schwerbehinderter Menschen hat der Arbeitgeber / Dienstherr die Schwerbehindertenvertretung und den Personalrat unverzüglich und umfassend zu unterrichten.
Nach § 165 SGB IX (in der Fassung, die am 01.01.2018 in Kraft tritt) sind schwerbehinderte Bewerber stets zu Vorstellungsgesprächen im Auswahlverfahren einzuladen, sofern ihnen nicht die fachliche Eignung offenkundig fehlt.
Das Gesetz lautet ab 01.01.2018 wie folgt (und gilt auch vorher schon sinngemäß):

§ 165 SGB IX Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber

Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 156). Mit dieser Meldung gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. ...


Nun aber zum eigentlichen Thema, der Frage der Eignung.

Sie sollten zunächst versuchen, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ob der jeweilige Dienstherr die Berücksichtigung Schwerbehinderter besonders geregelt hat.

So finden Sie zum Beispiel im Internet für das Land Brandenburg die
"Richtlinien für die Einstellung, Beschäftigung und begleitende Hilfe schwerbehinderter und diesen gleichgestellter behinderter Menschen in der Landesverwaltung des Landes Brandenburg (Schwerbehindertenrichtlinien - SchwbRL) - Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern vom 06.04.05".

In NRW finden Sie die "Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums v. 14.11.03 - 25 – 5.35.00 – 5/03".
In diesen Regelungswerken sind jeweils ähnliche Formulierungen wie die folgenden (in NRW) enthalten:
"4.4.1 Im Hinblick auf § 128 SGB IX ist das erforderliche Mindestmaß körperlicher Eignung bereits dann als gegeben anzusehen, wenn schwerbehinderte Menschen nur bestimmte Dienstposten ihrer Laufbahn wahrnehmen können. Dabei sind Möglichkeiten der behinderungsgerechten und barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung (z. B. mit technischen Arbeitshilfen) nach dem SGB IX auszuschöpfen.
4.4.2 Schwerbehinderte Menschen können auch dann in das Beamtenverhältnis eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Die Bewerber sind jedoch auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG in der am 31.08.06 geltenden Fassung sowie die mit einem Ausscheiden vor Ablauf einer fünfjährigen Dienstzeit verbundenen Folgen hinzuweisen. Diese Regelungen gelten auch für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit."

Dies zeigt bereits, dass die Anforderungen an die Eignung weniger streng sind, wenn eine Schwerbehinderung gegeben ist.
Dabei gilt dann zum Beispiel in NRW für den geschützten Personenkreis das Folgende:
"2 Geschützter Personenkreis
2.1 Schwerbehinderte Menschen im Sinne dieser Richtlinie sind die schwerbehinderten und die ihnen gleichgestellten Menschen nach den Vorschriften des SGBIX. Für behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber mindestens 30, die nicht Gleichgestellte i. S. d. § 68 SGB IX sind, soll im Einzelfall geprüft werden, ob besondere, der Behinderung angemessene Fürsorgemaßnahmen i. S. dieser Richtlinie in Betracht kommen."

In Hamburg finden Sie, wie an anderer Stelle schon erwähnt, in den Mitteilungen für die Verwaltung 2014, S. 52 ff., den Text eines Rundschreibens, welches sich an Personalabteilungen und an den PÄD richtete.
Es trägt folgende Bezeichnung seines wesentlichen Inhalts: "Änderung des Prognosemaßstabs für die Feststellung der gesundheitlichen Eignung für die Verbeamtung" und enthält auf S. 55 folgenden Passus:
"Für schwerbehinderte Menschen und ihnen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen sind die Einstellungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 5. S. 3 HmbLVO dahingehend modifiziert, dass von ihnen nur das Mindestmaß körperlicher Eignung fir die Wahrnehmung der Laufbahnaufgaben verlangt werden kann. Konkretisiert werden diese Anforderungen in Ziff. 2.7 des Teilhabeerlasses, der Prognosezeitraum ist danach auf fünf Jahre (nach Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) verkürzt.
Auf behinderte Bewerberinnen und Bewerber, die nicht schwerbehindert oder Schwerbehinderten gleichgestellt sind, ist dagegen der allgemeine Prognosemaßstab und Prognosezeitraum anzuwenden. ..."

In Schleswig-Holstein finden Sie in den Schwerbehindertenrichtlinien folgendes:
3.1.9
Für die Einstellung schwerbehinderter Menschen in das Beamtenverhältnis darf nach § 13 Abs. 1 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten in Schleswig- Holstein (Allgemeine Laufbahnverordnung - ALVO) und vergleichbaren Vorschriften von schwerbehinderten Menschen nur das für die vorgesehene Verwendung erforderliche Mindestmaß an Eignung verlangt werden. Einer Einstellung steht nicht entgegen, dass aufgrund der Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht auszuschließen ist, sofern aufgrund eines ärztlichen Gutachtens nach § 10 Abs. 2 i.V.m. § 44 Landesbeamtengesetz (LBG) festgestellt worden ist, dass voraussichtlich eine Dienstfähigkeit von mindestens fünf Jahren nach Abschluss der Ausbildung erwartet werden kann. Entsprechendes gilt auch für die Ernennung zur Beamtin oder zum Beamten auf Lebenszeit.

Rechtsprechung

Zu der Frage, ob und in wie weit bei einer anerkannten Schwerbehinderung die Anforderungen zu senken sind, die sonst an die gesundheitliche Eignung von Beamten gestellt werden, gibt es in der Rechtsprechung verschiedene Auffassungen.
Wir stellen drei Entscheidungen vor:

1. Urteil des OVG Hamburg vom 26.09.08

2. ► Urteil des VG Mainz vom 22.09.04 (unten auf dieser Seite)

Damit ist aber noch nicht alles gesagt, denn es gab in diesem Bereich eine rasante Entwicklung, die auch zu Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts führte:

In diesen Zusammenhang passt zum Beispiel die folgende Entscheidung, die Sie im Internet finden:
OVG Lüneburg, Urteil vom 25.01.11, 5 LC 190/09, mit den Themen: Anforderungen an die gesundheitliche Eignung eines behinderten Beamtenbewerbers; multiple Sklerose und orthopädische Beschwerden.
"Der Begriff der gesundheitlichen Eignung eines Beamtenbewerbers, der behindert, aber nicht schwerbehindert ist, ist dahin zu modifizieren, dass der Bewerber für die Übernahme in das Probebeamtenverhältnis als gesundheitlich geeignet anzusehen ist, wenn sich nach der prognostischen Einschätzung des Dienstherrn künftige Erkrankungen des Bewerbers und dauernde vorzeitige Dienstunfähigkeit mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit, also mit mehr als 50 vom Hundert, ausschließen lassen."
Auf dieses Urteil des OVG Lüneburg vom 25.01.11 bezieht sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.13 - 2 C 12.11 -. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das OVG zurück verwiesen. Falls Sie betroffen sind oder an einem solchen Fall arbeiten: verfolgen Sie dies nach!

Ferner sollten Sie sich ein Urteil des OVG Lüneburg vom 31.07.12, 5 LC 226/11, in der sehr guten  Rechtsprechungsdatenbank des Landes Niedersachsen ansehen. Es geht in die gleiche Richtung, ließ aber schon erkennen, dass man zu diesem Problembereich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts würde erwarten durfen, die richtungsweisend sein könnte. So kam es dann auch, denn am 25.07.13 erging ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache ⁄ 2 C 18.12, mit dem eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eingeläutet wurde.
Das Urteil des OVG Lüneburg ist auch abgedruckt in der Zeitschrift "Recht im Amt", 2012, 215 ff.
Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts finden Sie auf seiner Internetseite.

Werden Sie als Schwerbehinderter im Auswahlverfahren diskriminiert, können Sie einen
⁄ Anspruch auf Entschädigung haben.

Sie haben grundsätzlich das Recht, zu Auswahlgesprächen eingeladen zu werden.

Älter, aber immer noch lesenswert:



2.
Einen etwas anderen Maßstab legte das Verwaltungsgericht Mainz im Jahr 2004 in einem Fall an, in dem eine schwerbehinderte Angestellte (GdB 70) ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis anstrebte.

Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 22.09.04 - 7 K 623 / 04br -
Leitsatz in NVwZ-RR 2005, 347


1. Ein Schwerbehinderter im Sinne vom § 68 SGB IX weist die für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis erforderliche gesundheitliche Eignung dann auf, wenn innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren - gerechnet ab Antrag auf Verbeamtung bzw. Entscheidung des Dienstherrn auf Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis - mit einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit voraussichtlich nicht zu rechnen ist.

2. Zum Verhältnis einer amtsärztlichen zu einer privatärztlichen Stellungnahme.

Die mit einem Grad der Behinderung von 70 als Schwerbehinderte anerkannte Klägerin ist Angestellte im Dienste des Landes Rheinland-Pfalz. Ihren Antrag auf Verbeamtung lehnte das Land unter Hinweis auf die amtsärztliche Stellungnahme ab. Der Amtsarzt hatte sich auf Grund des Krankheitsbildes der Klägerin nicht in der Lage gesehen zu prognostizieren, ob diese in einem Zeitraum von fünf Jahren voraussichtlich dienstfähig bleiben werde.

Die Richter haben die gesundheitliche Eignung der Klägerin bejaht:

Einerseits dürften Schwerbehinderte nicht benachteiligt werden; andererseits müsse im Interesse sparsamer öffentlicher Haushaltsführung vermieden werden, Beamte einzustellen, bei denen schon im Einstellungszeitpunkt zu erwarten sei, dass alsbald ein Versorgungsfall eintreten werde. Von daher sei nicht zu beanstanden, wenn das Land die Verbeamtung eines Schwerbehinderten davon abhängig mache, ob mit dessen vorzeitiger Dienstunfähigkeit in den nächsten fünf Jahren zu rechnen sei.

Für die erforderliche medizinische Prognose könne auch grundsätzlich auf die Stellungnahme des Amtsarztes abgestellt werden, da bei diesem besonderer Sachverstand bei der Frage nach der Dienstfähigkeit zu unterstellen sei. Im Falle der Klägerin sei aber ausnahmsweise die amtsärztliche Stellungnahme nicht maßgeblich. Die Klägerin habe nämlich zwei fachärztliche Gutachten vorgelegt, in denen ihr ein voraussichtlich günstiger Krankheitsverlauf und der Erhalt der Dienstfähigkeit jedenfalls für den hier fraglichen Fünfjahreszeitraum prognostiziert werden. Diese Aussagen hätten mehr Gewicht als die des Amtsarztes, der sich nicht in der Lage gesehen habe die gesundheitliche Entwicklung der Klägerin einzuschätzen.
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