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Rückforderung von Bezügen


Kann die Verwaltung aufrechnen?

Die Verwaltung hat die Möglichkeit, schon während des Widerspruchsverfahrens und des Verwaltungsrechtsstreits angemessene Teilbeträge einzubehalten. Widerspruch und Klage haben zwar zunächst rechtlich, aber nicht unbedingt faktisch aufschiebende Wirkung, wenn die Verwaltung geschickt mit dem Recht der Aufrechnung umgeht, § 387 BGB.


Entscheidung des VG Oldenburg vom 16.11.04 -6 B 3881/04 -:

Die Aufrechnung des Rückforderungsanspruchs mit den laufenden Bezügen des Beamten kann auch dann durchgeführt werden, wenn der Rückforderungsbescheid nicht bestandskräftig ist. Ist die Aufrechnung bereits abgewickelt, können nur besondere Umstände einen Anordnungsgrund für eine Rückabwicklung im Wege der einstweiligen Anordnung bilden.


Der Antragsteller ist Polizeikommissar. Mit Bescheid vom 31.08.99 wurde ihm eine Wechsel- bzw. Schichtdienstzulage nach § 20 Abs. 1 und 4 der Erschwerniszulagenverordnung in Höhe von monatlich DM 100,00 zuerkannt. In dem Bescheid heißt es u.a.:

„Die monatliche Zahlung der Wechselschicht- und Schichtzulagen ist eine vorläufige Abschlagszahlung und steht unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Festsetzung; dies gilt insbesondere für die Überprüfung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen entsprechend der jeweils in Betracht kommenden Zeiträume. Ich weise darauf hin, dass überzahlte Zulagen gemäß § 12 Bundesbesoldungsgesetz zurückgefordert werden.“

Von August 1999 bis Oktober 2002 wurde dem Antragsteller die Zulage gezahlt. Im September 2002 stellten Mitarbeiter der Bezirksregierung fest, dass dies zu Unrecht geschah, weil im Polizeikommissariat nicht ununterbrochen bei Tag und Nacht, sonntags und Feiertags Dienst geleistet wurde, so dass dem Antragsteller nur die allgemeine Schichtdienstzulage nach § 20 Abs. 2 c der Erschwerniszulagenverordnung zustand. Mit Bescheid vom 07.01.03 setzte daraufhin die Bezirksregierung für den Zeitraum vom 02.08.99 bis zum 31.10.02 die Zulage neu und geringer fest und wies den Antragsteller darauf hin, dass die überzahlte Zulage von ihm zurückgefordert werde. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 09.01.03 forderte der Antragsgegner von dem Antragsteller den Betrag von EUR 1.043,18 zurück, erklärte die Aufrechnung des Rückforderungsanspruchs mit den laufenden Bezügen des Antragstellers und setzte im Wege der Aufrechnung monatliche Raten in Höhe von EUR 350,00 fest. In der Folgezeit wurde die Rückforderung durch Aufrechnung vollzogen. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, der von ihm damit begründet wurde, dass er den überzahlten Betrag für den Urlaub mit seiner Familie verbraucht habe, so dass er entreichert sei. Zusätzlich legte er eine Aufstellung über seine Ausgaben für die allgemeinen Lebenshaltungskosten vor und machte geltend, dass er aufgrund der laufenden Bezüge keine Rücklagen bilden könne.

Im September 2004 hat sich der Antragsteller an das Gericht mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Die Rückforderung sei noch nicht bestandskräftig festgesetzt, sondern mit dem Widerspruch angegriffen und damit noch nicht vollziehbar. Ihm stehe ein Anordnungsanspruch auf Rückgewähr der einbehaltenen Beträge zur Seite, da er die ihm gewährten Überzahlungen für den Urlaub mit seiner Familie verbraucht habe. Auch stehe ihm ein Anordnungsgrund zur Seite, weil er wegen der Höhe der Lebenshaltungskosten für sich und seine Familie und der notwendigen Finanzierung seines Eigenheims für den täglichen Lebensunterhalt äußerst knapp gestellt sei.
Er beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die im Wege der Aufrechnung einbehaltenen EUR 1.043,18 an ihn heraus zu geben ...

Der Antragsgegner macht geltend: Bei der Aufrechnung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts. Deswegen entfalte ein Widerspruch gegen die Aufrechnung, soweit sie im Bescheid vom 09.01.03 erklärt sei, keine aufschiebende Wirkung. Auch sei in der Sache zu Recht die gewährte Wechselschichtzulage zurück gefordert worden. Denn die Voraussetzungen zur Gewährung dieser Zulage hätten nicht vorgelegen. Auch könne sich der Antragsteller nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, denn in dem die Zulage gewährenden Bescheid vom 31. August 1999 sei ausdrücklich ein Vorbehalt ausgebracht worden, so dass sich der Antragsteller nicht auf den gutgläubigen Erhalt der Zulage berufen könne.


II.
Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung stellt nach Auffassung des Gerichts keine Vollziehung des die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides dar. Eine Handlung, die - wie hier die Aufrechnungserklärung - der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit dient (hier Auskehrung der Bezüge an den Beamten) und dabei gleichzeitig die Befriedigung der eigenen Forderung bewirkt (hier die Rückforderung), ist keine Maßnahme, durch die der Verwaltungsakt vollzogen wird, durch den die zur Aufrechnung gestellte Forderung konkretisiert und fällig gemacht worden ist.
Die Aufrechnung sei vielmehr ein von der Privatrechtsordnung gewährleistetes Mittel der Rechtsverteidigung gegenüber einem vom Gegner erhobenen Anspruch und diene gleichzeitig der Befriedigung des eigenen Anspruchs. Vollziehung einerseits und Aufrechnung andererseits seien zwei Rechtsinstitute mit verschiedener Zielrichtung und Wirkung.
Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die Aufrechnung mit einer Gegenforderung keine Vollziehung eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides ist und diese Rechtsprechung auch später bestätigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.1982 - 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 = NJW 1983, 776; Urteil vom 27.01.1994 - 2 C 19.92 - BVerwGE 95, 94; OVG Bremen, Beschluss vom 19.07.1999, - 2 B 93/99 - NVwZ RR 2000, 524 = NordÖR 2000, 31). Vorläufiger Rechtsschutz ist damit in Fällen der vorliegenden Art nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel zu begehren, bereits einbehaltene Bezüge auszuzahlen und ggf. von einer weiteren Einbehaltung abzusehen.

Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine Regelung erlassen, wenn dies - vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen - nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher stets, dass ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit der Regelung) und ein Anordnungsanspruch (der materielle Anspruch auf die begehrte Regelung) glaubhaft gemacht werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt.

Es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Der Antragsteller beschränkt sich insoweit darauf vorzubringen, dass er wegen der Finanzierung seines Eigenheims und der Lebenshaltungskosten darauf angewiesen sei, seine Bezüge uneingeschränkt zu erhalten. Weiter verweist er darauf, die Überzahlung im Rahmen der allgemeinen Lebensführung - hier für einen Urlaubsaufenthalt auf der Insel Borkum - verbraucht zu haben. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung in eine wirtschaftliche Notlage geraten könnte oder geraten wäre, die die erforderliche Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung rechtfertigen könnten, sind weder ausreichend dargelegt noch ersichtlich. Tatsächlich wurden auch die Einbehaltungen der Überzahlung im Frühjahr des Jahres 2003 durchgeführt und abgeschlossen, so dass nunmehr eine nachteilige wirtschaftliche Auswirkung auf die gegenwärtige finanzielle Situation des Antragstellers im Herbst 2004 nicht ersichtlich ist.

Daneben hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargetan. Vielmehr spricht überwiegendes dafür, dass der Rückforderungsbescheid rechtmäßig ist. Zwar regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG nach den Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Daher kann grundsätzlich der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB dem Herausgabeverlangen entgegen gehalten werden. Indessen bestimmt § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass dann für die Herausgabe der Bereicherung eine verschärfte Haftung eintritt, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrunde erfolgte, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde und später dieser Rechtsgrund wegfällt. Dies ist hier der Fall, denn die Leistung wurde unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung gewährt. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des die Wechselschichtzulage gewährenden Bescheides vom August 1999. Dies übersieht der Antragsteller offensichtlich. Hinzu kommt, dass unter Polizeibeamten durchaus allgemein bekannt ist, dass sich die Wechselschichtzulage vermindert, wenn nicht ständig „rund um die Uhr“ in der betreffenden Dienststelle Dienst geleistet wird. Daher kann bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage für das vorliegende Verfahren davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner in der Sache zu Recht im Wege der Aufrechnung vorgehen durfte.
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