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Konkurrentenschutz in Hamburg 2008 / Bedeutung der Beurteilung

Dies ist Rechtsgeschichte. Zwar sind immer noch die dienstlichen Beurteilungen von überragender Bedeutung für die sog. Bestenauslese, aber zur Zeit gibt es bei der Polizei Hamburg kein Beurteilungssystem mehr, bei dem die Endprädikate gewissermaßen arithmetisch ermittelt werden.


Beschluss des VG Hamburg - 21 E 474 / 08 - vom 07.03.2008

Eine Entscheidung zu den Auswahlverfahren A 12 und in diesem Zusammenhang zu dem Beurteilungssystem der Polizei Hamburg, das von 2008 bis 2010 galt (inzwischen überholt!).

Wann sind Beurteilungen noch im wesentlichen gleich gut, so dass erst ein Auswahlgespräch (oder ein anderes sachgerechtes Kriterium) den Ausschlag gibt?

Aus den Entscheidungsgründen (gekürzt, teils nicht wörtlich):

... ist die Entscheidung, den Antragsteller nicht zum Auswahlgespräch zu laden, nicht zu beanstanden, weil der Antragsteller nicht im Wesentlichen gleich beurteilt wurde. ...
Auswahlgespräche dienen der ergänzenden Erkenntnisgewinnung. ...
Ein Auswahlgespräch soll bei vergleichbaren Bewerbern der Antragsgegnerin die Möglichkeit geben, durch ein mündliches Gespräch den am besten geeigneten Bewerber auszuwählen: Bewerber, deren Leistungen nicht im Wesentlichen gleich gut beurteilt sind, können den bereits bestehenden Leistungsvorsprung nicht mehr durch den Eindruck im Auswahlgespräch ausgleichen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 13.03.07, Az. 1 BS 379/06).

Nach dem Beurteilungssystem ... für den Polizeivollzugsdienst der Freien und Hansestadt Hamburg werden für Mitarbeiter ohne Führungsaufgaben die Kriterien 1 bis 16 bewertet. Jedes Kriterium ist mit einem Punktwert zwischen 1 (entspricht nicht den Anforderungen) und 5 (übertrifft die Anforderungen in besonders hohem Maße) zu beurteilen. Zusätzlich sind den einzelnen Funktionen des Vollzugsdienstes jeweils vier Kernanforderungen zugeordnet, die für die innegehaltene Stelle als besonders wichtig angesehen werden. Diese vier Kriterien werden für die Leistungsbeurteilung mir dem Faktor 2 multipliziert. Auf Grundlage der aktuellen Leistungsbeurteilung erzielte der beste Bewerber einen Leistungsdurchschnitt von 3,80 Punkten, also insgesamt 76 der 100 zu vergebenden Punkte. Der Antragsteller erreichte 68 Punkte und damit einen Leistungsdurchschnitt von 3,40 Punkten.

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 11.07.07, - 1 Bs 146/07-, der Beurteilungen nach dem zuvor geltenden Beurteilungssystem zum Gegenstand hatte, ausgeführt:
"Aus dem Recht auf ein chancengerechtes Auswahlverfahren folgt, dass die Auswahlkommission der Polizei solche Bewerber in die engere Wahl einbeziehen und - wenn dieses Mittel als weiteres Erkenntnismittel gewählt wird- zu Auswahlgesprächen einladen muss, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie den (geringen) Punkterückstand in der Anlassbeurteilung im Auswahlgespräch noch ausgleichen können. Ein solches Aufholen wird grundsätzlich nur bei im wesentlich gleich beurteilten Bewerbern möglich sein. In den Beschlüssen vom 28.02.07 und 13.03.07 ging es um Unterschiede von einem bzw. von zwei Punkten in der Anlassbeurteilung. Der Senat hält aufgrund erneuter Prüfung an dieser Auffassung fest und präzisiert sie dahin, dass bei den hier gegebenen Beurteilungen - 16 gleichgewichtete Kriterien mit jeweils 1 bis 5 Punkten - "im wesentlichen gleiche" Beurteilungen nur dann angenommen werden können, wenn sie um nicht mehr als zwei Punkte differieren. Würde die Spanne noch größer gewählt, wäre das Gewicht der aktuellen Beurteilung zu gering."

Nach Auffassung der Kammer sind diese Erwägungen auch für das nunmehrige Beurteilungssystem heranzuziehen. Übertragen auf das neue Beurteilungssystem bedeutet dies aber, dass im Wesentlichen gleiche Beurteilungen nur dann vorliegen, wenn sie um nicht mehr als 3 Punkte voneinander abweichen. Hierfür ist maßgebend, dass im Gegensatz zu vorher nunmehr 100 statt 80 Punkte erreichbar sind. Bei einem Unterschied von drei Punkten wurde der Bewerber in entweder drei der sechzehn Kriterien schlechter bewertet, als sein Mitbewerber, oder aber in zwei Kriterien, wobei dann gerade ein doppelt gewichtetes, also für die ausgeübte Stelle besonders wesentliches Kriterium schlechter bewertet worden ist.

Anmerkung:
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat später auf einen Abstand von höchstens 0,19 Punkten abgestellt und die Potenzialeinschätzung in die Betrachtung einbezogen.
Inzwischen ist das Beurteilungssystem durch ein anderes ersetzt worden, so dass diese Entscheidungen nicht mehr unmittelbar von Bedeutung sind. Sie zeigen aber das Bemühen der Rechtsprechung, die Bedeutung der dienstlichen Beurteilungen für eine Beförderungsauswahl möglichst exakt und objektiv festzulegen.
Im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht dann die Meinung geäußert, die Potenzialeinschätzung sei nicht für Erstellung einer Rangliste heran zu ziehen.
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