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Foulspiel eines Schülers beim Fußball kein Angriff auf den Sportlehrer

Ein Sportlehrer spielt mit den Schülern Fußball und verletzt sich dabei: ohne Frage ein Dienstunfall.
Da es sich nach Meinung des Lehrers um ein vorsätzliches Foulspiel des Schülers handelte, sieht der Lehrer einen Angriff auf sich als Beamten als gegeben an. Er meint, ihm stünde ein erhöhtes Unfallruhegehalt zu.
Das sehen die Verwaltungsgerichte nicht so.
Sie erkennen in dem Geschehen keinen qualifizierten Dienstunfall.

Oberverwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 01.12.14 - 2 LA 57/14 -

I.
1
Der Kläger stand im Schuldienst des Landes Schleswig- Holstein und unterrichtete zuletzt in den Fächern Sport und Mathematik. Am 08.06.04 zog sich der Kläger bei einem Zusammenstoß mit einem Schüler anlässlich eines Fußballspiels eine Ruptur der Supraspinatussehne im rechten Schultergelenk zu. Dieser Unfall wurde als Dienstunfall anerkannt.
Mit Ablauf des Monats März 2007 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit, die auf den genannten Dienstunfall zurückzuführen sei, in den Ruhestand versetzt. Seither bezieht er Unfallruhegehalt.

2
Nachdem das Landesamt für soziale Dienste festgestellt hatte, beim Kläger habe bereits ab dem 31.03.07 eine Behinderung mit einem GdB von 50 vorgelegen, beantragte der Kläger unter dem 21.03.12 die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen.

3
Mit Urteil vom 21.05.14 hat das Verwaltungsgericht die auf Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts. Nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ÜFSH werde ein Unfallruhegehalt nach Absatz 1 auch gewährt, wenn der Beamte in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen erleide, d.h. wenn er also infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten und im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalls in seiner Erwerbstätigkeit um mindestens 50 vom Hundert beschränkt sei. Diese Voraussetzungen seien beim Kläger nicht erfüllt.
 
Ein Angriff im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG ÜFSH erfordere eine zielgerichtete Verletzungshandlung des Angreifers, die sich gegen die körperliche Unversehrtheit des Beamten richte und durch die der Beamte objektiv in die Gefahr gerate, einen Körperschaden zu erleiden. Der Angreifer müsse mit Vorsatz im natürlichen Sinne gehandelt und zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass sein Handeln zu einer Schädigung des Beamten führe. Rechtswidrig sei der Angriff, wenn dem Angreifer kein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund zur Seite stehe. Zur Zielgerichtetheit des Angriffs gehöre auch, dass der Angreifer die staatliche Aufgabenwahrnehmung treffen wolle.
Gemessen an diesen Maßstäben lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger Opfer eines (rechtswidrigen) Angriffs im genannten Sinne geworden sei.

Der Kläger beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit sowie eines Verfahrensmangels zuzulassen.
Der Zulassungsantrag bleibt erfolglos.


II.

8
Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass ein Angriff im Sinne der Vorschrift des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG  ÜFSH  eine zielgerichtete Verletzungshandlung des Angreifers erfordert und zur Zielgerichtetheit des Angriffs auch gehört, dass der Angreifer die staatliche Aufgabenwahrnehmung treffen will.

9
...

10
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich (jedenfalls) das Erfordernis der „Zielgerichtetheit“ eines etwaigen Angriffs nicht feststellen lasse. Zunächst ist der Inhalt des Dienstunfall-Protokolls insoweit unergiebig. Hieraus ergibt sich lediglich, dass es zu einem Zusammenstoß des Klägers mit einem Schüler bei einem Fußballspiel gekommen ist, wodurch der Kläger sich eine Ruptur der Supraspinatussehne im rechten Schultergelenk zugezogen hat.

11
Auch das Antragsschreiben des Klägers vom 21.03.12 gibt keinen weiteren Aufschluss. In diesem Schreiben heißt es, der Kläger habe einen Schlag auf die rechte Schulter durch regelwidrigen Einsatz eines Gegenspielers (16-jähriger Schüler) erhalten. Dieser habe den Kläger von rechts schräg hinten attackiert und dabei seinen Ellenbogen in die rechte Schulter des Klägers gerammt. Die Attacke des Gegenspielers von rechts schräg hinten sei erfolgt, ohne dass eine Chance zum Ballgewinn auch nur ansatzweise erkennbar gewesen sei.
Sodann ergeben sich auch aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der „Zielgerichtetheit“ eines etwaigen Angriffs.

Ferner lässt sich aus der vom Kläger in seiner Antragsbegründung getroffenen Feststellung, ohne die Dienstausübung in der konkreten Form hätte es zu dem folgenreichen Übergriff gar nicht kommen können, das Erfordernis der „Zielgerichtetheit“ eines etwaigen Angriffs nicht herleiten. Sonstige - hinreichend konkrete - Umstände, die für ein Vorliegen dieses Erfordernisses sprechen könnten, sind der Antragsbegründung nicht zu entnehmen. Nach dem Antragsvorbringen des Klägers war „der Einsatz des Schülers, nachdem beide Spieler (der Kläger wie der Schüler) hinter dem Ball hergelaufen waren, im entscheidenden Moment ausschließlich mit dem Ellenbogen gegen den Körper (rechte Schulter) des Klägers gerichtet.“ Entscheidend sei, dass der Angriff von hinten und oben, außerhalb seines Blickfeldes - des Blickfeldes des Klägers - geführt worden sei, ohne dass der Schüler auch nur ansatzweise eine Möglichkeit gehabt hätte, an den Ball zu gelangen. Der Angriff sei daher ausschließlich dazu geführt worden, den Kläger zu Boden zu bringen. Selbst wenn die Ansicht des Klägers zuträfe, der Schüler habe durch dieses Verhalten gegen die einschlägigen Regeln des Deutschen Fußballbundes verstoßen, so ergeben sich auch aus diesem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der „Zielgerichtetheit“ eines etwaigen Angriffs.

12
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger unter anderem auch hinsichtlich des Vorliegens des Erfordernisses der „Zielgerichtetheit“ die materielle Beweislast trägt.
Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Entsprechend dem Vorbringen des Klägers in seiner Antragsbegründung mag eine Umkehr der Beweislast zwar in dem Fall anzunehmen sein, dass bei Vorliegen einer schweren (Sport-)Verletzung von einem Anscheinsbeweis für einen typischen Geschehensablauf bezüglich eines groben Regelverstoßes auszugehen sei. Eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Vorliegens des hier in Frage stehenden Merkmals der „Zielgerichtetheit“ eines etwaigen Angriffs ergibt sich hieraus jedoch nicht.

13
Darüber hinaus dürfte das Verwaltungsgericht auch die Rechtswidrigkeit eines etwaigen Angriffs zutreffend verneint haben. Dem braucht der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch nicht weiter nachzugehen.
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