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Konkurrentenschutz

Eine Entscheidung, die längst vergessen sein könnte, im Jahr 2016 aber wieder hoch aktuell erscheint:
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich unlängst mit der Frage befasst, ob und auf welche Art und Weise das Gesamturteil in einer dienstlichen Beurteilung zu begründen ist.

Dass dienstliche Beurteilungen die wesentliche Grundlage jeder Beförderungsauswahl bilden sollen, ist unbestritten.
In dem gerichtlichen Eilverfahren, welches der unterlegene Bewerber anstrengen muss, prüfen die Verwaltungsgerichte die Rechtmäßigkeit der zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber recht genau - und oft genug erweisen sich die dienstlichen Beurteilungen als rechtswidrig.
Dann kann die Auswahlentscheidung nicht Bestand haben.

OVG Saarlouis, Beschluss vom 22.04.1999 - 1 W 4/99 -
abgedruckt in DÖD 2000, 65 ff.


Dienstliche Beurteilungen müssen rational und in sich widerspruchsfrei sein; sie sind rechtswidrig, wenn der Versuch einer Plausibilisierung des auf zahlreichen Einzelelementen beruhenden Gesamturteils misslingt.

Gründe (sinngemäß):

Im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist, dass der Dienstherr unter dem Gesichtspunkt der Bestenauslese der Beförderungsentscheidung die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber zugrunde gelegt hat. Denn diese dienen generell dem Zweck, wesentliche Grundlage für am Leistungsprinzip orientierte Personalentscheidungen des Dienstherrn zu sein.
Davon ausgehend bejahte der Antragsgegner einen leistungsbezogenen Vorrang der Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller, weil sie in ihren Regelbeurteilungen jeweils die Gesamtnote “2 = übertrifft die Anforderungen erheblich” erhalten haben, während der Antragsteller nur mit der Gesamtnote “3 = entspricht voll den Anforderungen” beurteilt wurde. Das kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand aus Rechtsgründen nicht gebilligt werden.

Denn die dem Auswahlverfahren zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers, die dieser gerichtlich angefochten hat, ist aus Sicht des Senats offenkundig fehlerhaft und wird wahrscheinlich aufzuheben sein. Zu welchem Beurteilungsergebnis der Antragsgegner dann kommen wird, kann nicht sicher vorhergesagt werden. Eine mögliche Beurteilung des Antragstellers mit “2” unterstellt, müsste die Auswahl dann zwischen den drei Konkurrenten nach sachgerechten Ermessenskriterien erfolgen.

Die Fehlerhaftigkeit der über den Antragsteller erstellten dienstlichen Beurteilung ergibt sich daraus, dass das dem Antragsteller zuerkannte Gesamturteil mit den vorangehenden Einzelbewertungen schlechthin unvereinbar ist mit der Folge, dass das vom Zweitbeurteiler lediglich mit der formelhaften Begründung der gebotenen einheitlichen Anwendung des Beurteilungsmaßstabes im Vergleich zum Vorschlag des Erstbeurteilers um eine Stufe herabgesetzte Gesamturteil nicht dem Erfordernis der Plausibilität gerecht wird.

Nach den hier maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien - BRL - sind in drei getrennten Abschnitten, nämlich "Leistungsbeurteilung", "Befähigungsbeurteilung" und "Dienstliches Verhalten", einzelne Merkmale zu bewerten, indem jeweils eine der fünf vorgegebenen Notenstufen, die gleichermaßen im Gesamturteil Anwendung finden, anzukreuzen ist. Für jeden der drei Abschnitte ist die als Durchschnitt sich ergebende Punktzahl zu errechnen.

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Ausgehend von dem arithmetischen Mittel aller bewerteten Einzelmerkmale (1,80) hätte dem Antragsteller das Gesamturteil “2” zuerkannt werden müssen. Ein solches rein arithmetisch, ohne Gewichtung der Einzelmerkmale ermitteltes Gesamturteil wäre jedoch nach gefestigter Rechtsprechung unzulässig (vgl. u. a. BVerwGE 97,128 = DöD 1995, 133 = ZBR 1995, 145).
Das bedeutet aber nicht, dass der Beurteiler sich bei der Bestimmung des Gesamturteils ganz frei bewegen kann. Vielmehr muss das Gesamturteil mit den Teilbewertungen und sonstigen in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen allgemeinen Werturteilen, etwa der Darstellung der Gesamtpersönlichkeit, in Einklang zu bringen sein.

Aus der Summe der Teilbewertungen, die der zuständige Beurteiler trifft, ist grundsätzlich das adäquate Gesamturteil zu bilden. Dienstliche Beurteilungen müssen rational und in sich widerspruchsfrei sein. Sie sind rechtswidrig, wenn der Versuch einer Plausibilisierung des auf zahlreichen Einzelelementen beruhenden Gesamtwerturteils misslingt.
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist das dem Antragsteller zuerkannte Gesamturteil “3” mit den Einzelwerturteilen nicht zu vereinbaren. Der dem Dienstherrn bei der Bildung des Gesamturteils als Akt der Gesamtwürdigung zukommende Beurteilungsspielraum ist eindeutig überschritten. Der Antragsteller hat bei den Einzelmerkmalen insgesamt so gute Bewertungen erhalten, dass selbst dann, wenn den drei Beurteilungsabschnitten unterschiedliches Gewicht beigemessen wird und die Einzelmerkmale sich in ihrer vom Dienstherrn festzulegenden, möglicherweise dienstpostenbezogenen Bedeutung voneinander unterscheiden, das darauf fußende, nur mit der Durchschnittsnote “3” abschließende Gesamturteil objektiv nicht nachvollzogen werden kann. An dieser Einschätzung ändert sich auch dadurch nichts, dass sich die Wertungen zu den Einzelmerkmalen innerhalb einer gewissen Bandbreite bewegen können, also ein zum Beispiel mit der Wertungsstufe 2 angekreuztes Einzelmerkmal sowohl in Richtung der höchsten Wertungsstufe 1 als auch in Richtung der Wertungsstufe 3 tendieren kann.
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Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Antragsgegner nicht einmal ansatzweise plausibel gemacht hat, warum dem Antragsteller auf der Grundlage weit überdurchschnittlicher Einzelbewertungen lediglich das Gesamturteil “3” zuerkannt worden ist. Die Begründung für das von dem des Erstbeurteilers abweichende Gesamturteil des Zweitbeurteilers, wonach dieser beim Vergleich mit den anderen Erstbeurteilungen und nach Rücksprache mit dem Erstbeurteiler bei einheitlicher Anwendung des Beurteilungsmaßstabes zu der abschließenden, um eine Notenstufe herabgesetzten Beurteilung des Antragstellers gelangt ist, kann angesichts des Beibehaltens der äußerst positiven Aussagen zu den Einzelmerkmalen nicht überzeugen. Diese rein formelhafte Begründung lässt insbesondere nicht erkennen, aus welchen Gründen das Gesamturteil zuungunsten des Antragstellers verschlechtert worden ist, obwohl er beispielsweise im Vergleich zu den im Gesamturteil besser eingestuften Beigeladenen bei den Einzelbewertungen insgesamt günstiger abgeschnitten hat.


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