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Amtshaftung für Bademeister im Schwimmbad

Urteil des OLG Koblenz vom 22.11.00 - 1 U 1645/97 -

Handelt der einzelne als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne, so haftet er nicht selbst. An seine Stelle tritt die Körperschaft, für die er tätig ist.


Die Entscheidung haben wir stark gekürzt und auf die Amtshaftungsfrage beschränkt.

Sachverhalt:

Es klagen die Eltern eines Jungen, der im Alter von neun Jahren mit seiner Schulklasse ein Freibad besuchte und dort tot im Nichtschwimmerbecken gefunden wurde, gegen die Gemeinde als Trägerin des Schwimmbades (Beklagte zu 1) und den aufsichtsführenden Schwimmmeister (Beklagter zu 2), der sich zur Unfallzeit auf einem Beobachtungsturm befand, sowie gegen den leitenden Schwimmmeister.
Sie beanspruchen Schmerzensgeld und Ersatz der Kosten der Bestattung ihres Sohnes.

Das Begehren hat in zweiter Instanz nur Erfolg, soweit es sich gegen die Gemeinde richtet. Die Klagen gegen die Bademeister werden abgewiesen, weil sie - obwohl Angestellte - Beamte im haftungsrechtlichen Sinne sind.

Aus den Gründen:

I.
Die Schwimmmeister haften nicht persönlich, denn das Benutzungsverhältnis zwischen Badegast und Träger der Badeanstalt beurteilt sich hier nach öffentlichem (Anstaltsbenutzungs-) Recht.

1. § 839 BGB und Art. 34 GG bilden eine Anspruchsgrundlage, wobei § 839 BGB die vorgelagerte haftungsbegründende Bestimmung darstellt, während Artikel 34 Satz 1 Grundgesetz die haftungsverlagernde Norm ist.

Die verfassungsrechtliche Bestimmung (Art. 34 GG) setzt ein Verhalten voraus, das nach § 839 BGB eine persönliche Schadensersatzpflicht des Beamten begründen würde, und lässt an seiner Stelle die Körperschaft haften, die ihm das Amt anvertraut hat oder in deren Diensten er steht.

Voraussetzung ist nur, dass die Amtspflichtverletzung in Ausübung eines öffentlichen Amtes stattgefunden hat, wobei es ausreicht, dass es sich um die schlichthoheitliche Leistungsverwaltung handelt.

2. Im Bereich der Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge) steht der öffentlichen Hand ein Wahlrecht hinsichtlich der Rechtsform des Verwaltungshandelns zu. Die Gemeinde kann wählen, ob sie das Nutzungsverhältnis zum Schwimmbadbesucher öffentlich-rechtlich im Sinne eines Verhältnisses der Über- und Unterordnung oder privatrechtlich durch Abschluss eines bürgerlichen Vertragsverhältnisses im Sinne einer Ausgestaltung durch allgemeine Geschäftsbedingungen regeln will.

3. Der Betrieb des Bades wird geregelt durch die "Badeordnung für das Freibad". Schon der Begriff "Badeordnung" deutet darauf hin, dass das Benutzungsverhältnis durch einen Verwaltungsakt, nämlich durch eine Allgemeinverfügung geregelt werden soll. Nicht erforderlich ist die Regelung durch Satzung oder Verordnung. Inhaltlich sind in der Badeordnung Zwangsmaßnahmen vorgesehen, indem die Schwimmmeister bei Verstößen gegen die Badeordnung befugt sind, Badegäste aus dem Schwimmbad zu weisen. Außerdem ist vorgesehen, dass den Zuwiderhandelnden der Zutritt zum Bad zeitweise oder dauernd untersagt werden kann.
......
Aus diesen Umständen erschließt sich der öffentlich-rechtliche Charakter des Benutzungsverhältnisses, so dass Pflichtverletzungen in dessen Rahmen nach Amtshaftungsgrundsätzen beurteilt werden mit der Folge, dass wegen der in Art. 34 S. 1 GG angeordneten Schuldübernahme eine Haftung der Schwimmmeister ausscheidet.


III.
Die Gemeinde haftet dem Grunde nach aus § 839 1 BGB i. V. mit Art. 34 S. 1 GG.

1. Wenn die Beklagte zu 1 der Allgemeinheit eine öffentliche Freizeiteinrichtung zur Verfügung stellt, hat sie den Benutzer vor Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind. Dem Betreiber eines Freibades obliegt auch die Garantenpflicht, dafür zu sorgen, dass keiner der Besucher beim Badebetrieb durch solche Risiken zu schaden kommt. Deshalb hat er die einzelnen Schwimmbecken darauf überwachen zu lassen, ob dort Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten (BGH, NJW 2000, 1946).

2. Die Beklagte zu 1 haftet aus dem Gesichtspunkt eines Organisationsverschuldens.

a) ....

b) Die Beklagte zu 1 hat jedenfalls die Aufsicht nicht so effektiv organisiert, dass eine Beobachtung der gesamten Wasserfläche gewährleistet und ein sofortiges Eingreifen durch die Aufsichtsperson ermöglicht war. ...
... Wird der Aufsichtsperson ein Standort zugewiesen, so muss dieser nach der Rechtsprechung des BGH so geeignet sein, dass die Aufsichtsperson von ihm aus "das gesamte Freibad überblicken und Sicht in die Schwimmbecken haben kann". Andernfalls (BGH: "erforderlichenfalls", MDR 2000, 885) muss der Anstaltsträger die Aufsicht anweisen, den Standort öfter zu wechseln, um das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgen und frühzeitig eingreifen zu können.
Die Beklagte zu 1 hätte daher bei Indienststellung des Beobachtungsturms genau überprüfen müssen, ob es uneinsehbare Beckenbereiche gab. Hätte sie das getan, hätte sie diese Bereiche erkannt und entweder den Turm oder dessen Lage verändern oder veranlassen müssen, dass unten im Bereich der Becken eine weitere Aufsichtsperson kontrollierte. Diese Unterlassungen gereichen ihr zum Organisationsverschulden.

c) Die Beklagte zu 1 war ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch entledigt, dass der Junge das Bad zusammen mit seiner Schulklasse besuchte. Personengruppen, die die Einrichtung im Rahmen des allgemeinen Badebetriebs nutzen, unterstehen grundsätzlich auch dann, wenn die Gruppe über eine eigene Aufsichtsperson verfügt, der allgemeinen Überwachungspflicht des Schwimmmeisters. Anders wird dies von der Rechtsprechung möglicherweise dann gesehen, wenn unter der Aufsicht von Lehrpersonal gezielt Schulschwimmunterricht erteilt wird.
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Das Gericht erläutert zunächst, weshalb ggf. die Gemeinde zu verklagen ist, für die die Bademeister arbeiten.

















Dabei kann die Verantwortlichkeit der Gemeinde weiter reichen als die des einzelnen Bediensteten.
Es kommt der Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens ins Gespräch.