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Beförderungsauswahl: Verbindlichkeit des Anforderungsprofils

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.08.01 - 2 A 3 / 00 -,
abgedruckt in NVwZ-RR 2002, 47 ff.

Bei der Auswahl unter den Bewerbern um einen Beförderungsdienstposten hat der Dienstherr Art. 33 II GG zu beachten.
Das anlässlich einer Stellenausschreibung festgelegte Anforderungsprofil eines Beförderungsdienstpostens bleibt für den Dienstherrn bei der Auswahl der Bewerber verbindlich.

Die Klägerin, eine Regierungsdirektorin im Dienst der Beklagten, bewarb sich um einen wie folgt ausgeschriebenen Dienstposten:

"Ab 01.01.99 ist ein mit A 16 bewerteter Dienstposten zu besetzen. Qualifikation:
- Beamtin/Beamter mit der Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes im BND;
- erfolgreich abgeschlossenes Studium einer fremden Sprache ...;
- pädagogische und didaktische Fähigkeiten; - möglichst Erfahrung als Sprachlehrer, Übersetzer oder Dolmetscher;
- ...;
- Bewährung in Führungspositionen unterschiedlicher Bereiche;
- Fähigkeit zum Management und zur Mitarbeiterführung".

Mit Schreiben vom 27.07.99 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Entscheidung über die Besetzung des Dienstpostens zugunsten des Beigeladenen gefallen sei. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte wurde der Beigeladene ab 01.08.99 beauftragt.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück. Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, über die Bewerbung der Klägerin für den Dienstposten neu zu entscheiden.

Das BVerwG gibt der Klage statt.

Aus den Gründen:

Die Besetzung des Dienstpostens war rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Auswahlentscheidung zum Nachteil der Klägerin von Auswahlkriterien abgewichen ist, die sie selbst festgesetzt hatte.

Das mit der Ausschreibung begonnene und mit der Übertragung des Beförderungsdienstpostens an einen anderen Bewerber fortgeführte Stellenbesetzungsverfahren ist nicht vor der Ernennung (Beförderung) des anderen Bewerbers endgültig abgeschlossen. Auch die Übertragung des Beförderungsdienstpostens auf den Mitbewerber führt noch nicht zu einer Erledigung des Konkurrentenstreits. War die Auswahlentscheidung rechtswidrig, so kann sie neu getroffen, durch eine andere Auswahlentscheidung ersetzt und die Übertragung des Dienstpostens auf den Mitbewerber rückgängig gemacht und der Beförderungsdienstposten anderweitig besetzt werden.

Zwar hat ein Beamter grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Schaffung oder auf Besetzung eines Dienstpostens oder gar darauf, dass ihm ein bestimmter Dienstposten übertragen wird. Er kann aber beanspruchen, dass über seine Bewerbung ohne Rechtsfehler entschieden wird.

Die Auswahl unter Bewerbern um einen Beförderungsdienstposten hat gemäß Art. 33 II GG allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen.
Die Übertragung des höherwertigen Dienstpostens vor der Beförderung soll unter den Bedingungen praktischer Tätigkeit die Prognose bestätigen, dass der Inhaber des Dienstpostens - besser als etwaige Mitbewerber - den Anforderungen genügen wird. Nur der erfolgreich Erprobte hat die Chance der Beförderung. Andere Interessenten, die nicht auf einem höherwertigen Dienstposten erprobt worden sind, kommen für eine Beförderung ans laufbahnrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Damit wird die Auslese für Beförderungsämter vorverlagert auf die Auswahl unter den Bewerbern um "Beförderungsdienstposten".

Die Auswahl beruht auf der Bewertung der durch Art. 33 II GG vorgegebenen persönlichen Merkmale, die in Bezug zu dem "Anforderungsprofil" des jeweiligen Dienstpostens gesetzt werden. Erst dieser Vergleich ermöglicht die Prognose, dass der in Betracht kommende Beamte den nach der Dienstpostenbeschreibung anfallenden Aufgaben besser als andere Interessenten gerecht werden und damit auch für ein höheres Statusamt geeignet sein wird.

Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Zwar ist der Dienstherr nicht nur befugt, das Besetzungsverfahren abzubrechen (vgl. BVerwGE 101, 112 (115 f] = NVwZ 1997, 283), sondern auch berechtigt, den "Zuschnitt" eines Dienstpostens zu ändern und die Anforderungen an den Stelleninhaber zu modifizieren, solange eine normative Festlegung nicht besteht.
Für die Auswahlverfahren bleibt die Dienstpostenbeschreibung aber verbindlich.
Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Ob der Dienstherr diese Auswahlkriterien beachtet hat, unterliegt in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst.

Mit der Entscheidung zu Gunsten des Beigeladenen hat sich die Beklagte von den Anforderungen gelöst, die sie selbst für die Besetzung des Beförderungsdienstpostens aufgestellt hat. Nach der Ausschreibung war die "Bewährung in Führungspositionen unterschiedlicher Bereiche" erforderlich. Der ausgewählte Beamte hatte bis zu der Auswahlentscheidung keine Führungspositionen besetzt. Ihm war keine Stelle übertragen, die ihn dazu berechtigte, anderen Mitarbeitern Anordnungen zu erteilen. Deshalb sahen seine dienstlichen Beurteilungen davon ab, das Leistungsmerkmal "Führung" zu bewerten. Zudem war er in der Vergangenheit nicht, wie in der Ausschreibung gefordert, in "unterschiedlichen Bereichen" eingesetzt. ...
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