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Schadensersatzpflicht eines Beamten, der sich ein Navigationsgerät stehlen lässt

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.08.08 - BVerwG 2 A 8.07 -

Der Beamte muss Schadensersatz leisten, nachdem aus seinem Dienstwagen ein Navigationsgerät gestohlen wurde.

1. Der Kläger ist Beamter. Am 14. und 15.11.06 hielt er sich dienstlich in K. auf und übernachtete dort in einem Hotel. Seinen Dienstwagen parkte er nach seiner Ankunft gegen 20.00 Uhr während der Nacht auf einem öffentlichen, nicht bewachten Parkplatz neben dem Hotel. Am nächsten Morgen gegen 8.00 Uhr stellte er fest, dass die Seitenscheibe der Beifahrertür eingeschlagen und das an der Frontscheibe in einer Halterung befestigte mobile Navigationsgerät entwendet worden war. Der Kläger meldete den Vorfall der Polizei und erstattete Strafanzeige.

Mit Leistungsbescheid vom 10.04.07 verlangte die Beklagte vom Kläger die Erstattung eines Betrages von 469,35 €. Der Betrag setzte sich aus dem Zeitwert für das Navigationsgerät und den Kosten für die Instandsetzung der Seitenscheibe zusammen. Zur Begründung machte die Beklagte geltend, der Kläger habe den Schaden grobfahrlässig verursacht, weil er das gut sichtbare Navigationsgerät an der Frontscheibe belassen habe, statt es aus seiner Halterung herauszunehmen und zur sicheren Aufbewahrung in das Hotel mitzunehmen, was möglich und zumutbar gewesen wäre. Das Auto selbst habe über keine Alarmsicherung verfügt, so dass sich dem Kläger diese Sicherungsmaßnahme hätte aufdrängen müssen. Er selbst habe das Navigationsgerät in dem Auto installiert und vor dem Verlassen des Autos die in dem Gerät gespeicherten schutzwürdigen Daten gelöscht; er habe also mit der Möglichkeit gerechnet, dass das Gerät entwendet werden könnte. Mit Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse der Kläger wird nach der Besoldungsstufe A 9 besoldet werde ihm die Möglichkeit eingeräumt, die Summe auf Antrag in Raten zu zahlen.

Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und macht geltend, er habe sich, als er das Auto um 20.00 Uhr abstellte, bereits 13 Stunden im operativen Einsatz befunden und sei nur noch eingeschränkt konzentrationsfähig gewesen. Außerdem habe er eine Menge dienstlichen Materials aus dem Fahrzeug entnommen, dessen Sicherung vorrangig gewesen sei. Der Wert des Geräts sei ihm nicht bewusst gewesen, zumal man im Handel bereits für ca. 90 € Navigationsgeräte erwerben könne. Navigationsgeräte besäßen mittlerweile nur noch einen geringen Wert und gehörten ebenso wie Radios nahezu zur Normalausrüstung eines Autos. Viele Autofahrer beließen ihre Navigationsgeräte permanent in ihren unbeaufsichtigt geparkten Autos. In der Regel biete das Verschließen des Autos einen ausreichenden Schutz. Der Parkplatz sei beleuchtet gewesen und habe sich in einer Entfernung von etwa einem Kilometer von einer Polizeidienststelle befunden. Die K. Straßen zeichneten sich nicht durch eine auffällig hohe Kriminalitätsrate wie etwa in Neapel aus. Dies sei bei der Festlegung des Fahrlässigkeitsmaßstabes zu berücksichtigen. Es habe sich lediglich um eine Vergesslichkeit gehandelt, so dass sich der Bagatellcharakter der Verfehlung geradezu aufdränge. Ein schlechthin unentschuldbarer Leichtsinn liege nicht vor.


Die Klage des Beamten, für die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug zuständig ist, ist unbegründet.

1. Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG. Danach hat der Beamte dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den Schaden zu ersetzen, den er durch eine vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung seiner ihm obliegenden Pflichten verursacht hat.

Es gehört zu den allgemeinen Dienstpflichten eines Beamten, das ihm anvertraute oder auch nur schlicht zur Verfügung gestellte dienstliche Material sorgfältig zu behandeln und vor Beschädigung und Entwendung durch den Zugriff Dritter zu schützen. Besteht die Pflichtverletzung wie hier in einem Unterlassen, so ist dieses für den Schaden dann ursächlich, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schaden verhindert hätte (vgl. Urteile vom 22.02.1996 BVerwG 2 C 12.94 - BVerwGE 100, 280 <286>; vom 29.04.04 BVerwG 2 C 2.03 - BVerwGE 120, 370 <375>).

2. Der Kläger hat diese Dienstpflicht verletzt, indem er das ihm anvertraute Navigationsgerät nachts in der Halterung seines Dienstfahrzeugs beließ und es so dem Zugriff Dritter aussetzte. Der Kläger hat es pflichtwidrig unterlassen, das Gerät aus seiner Halterung zu nehmen und außer Sichtweite möglicher Diebe unterzubringen.
Die Dienstpflichtverletzung umfasst auch den hierbei entstandenen Schaden an der Seitenscheibe der Beifahrertür.

3. Der Kläger hat schuldhaft, nämlich grob fahrlässig gehandelt.

Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten; er enthält einen subjektiven Vorwurf. Daher muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Handelnden beurteilt werden, ob und in welchem Maß sein Verhalten fahrlässig war.

Ob Fahrlässigkeit als einfach oder grob zu bewerten ist, hängt vom Ergebnis der Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände im Einzelfall ab und entzieht sich deshalb weitgehend einer Anwendung fester Regeln. Die Abwägung ist Sache der tatrichterlichen Würdigung.

Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz nahe liegen und im gegebenen Falle jedem hätten einleuchten müssen.

Hier lag es ohne Weiteres nahe, dass das Navigationsgerät nicht im Bereich der Frontscheibe des auf einem öffentlichen, nicht bewachten Parkplatz abgestellten Dienstfahrzeugs verbleiben durfte. Das Gerät war dort von außen offen sichtbar; seine geringen Ausmaße und seine lose Befestigung in einer Halterung machten es möglich, es in wenigen Sekunden zu stehlen. Irgendwelche schwierigen Ausbaumaßnahmen oder sonstigen, zeitaufwendigen technischen Verrichtungen waren dafür nicht erforderlich. Es übte deshalb auf potenzielle Diebe bei minimalem Entdeckungsrisiko eine hohe Anreizwirkung aus. Dem Kläger musste sich ohne Weiteres aufdrängen, dass es geboten war, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um den Diebstahl und damit den Schaden zu vermeiden. Diese Auffassung entspricht der verwaltungsgerichtlichen und der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 24.05.06 1 A 5105/04; AG Hannover, Urteil vom 10.02.06, NJW-RR 2007, 1107, bestätigt durch LG Hannover, Urteil vom 30.06.06, VersR 2007, 100).

4. Die Einwände des Klägers vermögen ihn nicht zu entlasten. Dass er nach 13-stündiger Fahrt und Dienstgeschäften nicht mehr voll konzentriert war, entschuldigt ihn nicht, weil es sich bei der erforderlichen Sicherung des Geräts gegen Diebstahl um eine ganz einfache Maßnahme handelte, die keinerlei vertiefter Überlegung bedurfte. Obendrein hat sich der Kläger mit dem Gerät vor dem Verlassen des Autos bewusst befasst und die Daten des Geräts gelöscht, die vermutlich seine Fahrtroute zu rekonstruieren ermöglichten. Nach seiner subjektiven Vorbildung und seiner beruflichen Stellung musste ihm bewusst sein, dass das Navigationsgerät ein leicht zu entwendendes Diebstahlsobjekt sein konnte. Ebenso wenig entlastet es den Kläger, wenn Autofahrer vielfach ihre mobilen Navigationsgeräte im Auto beließen und dass der Wert dieser Geräte laufend sinkt. Dass eine zunehmende Zahl von Autofahrern wie vom Kläger behauptet einen laxeren Umgang mit Gebrauchsgegenständen pflegen, ist für sich genommen noch nicht geeignet, von einer Änderung der die rechtlichen Grenzen der Fahrlässigkeit beeinflussenden Verkehrssitte auszugehen. Schließlich entlastet es den Kläger auch nicht, dass der Parkplatz sich in der „Nähe“ einer Polizeidienststelle befunden hat. Nach Angaben beider Beteiligter lag diese Dienststelle in einer Entfernung von etwa einem Kilometer vom Tatort; es ist nicht ersichtlich, dass unter diesen Umständen für die Sicherung des Eigentums des Dienstherrn ein vermindertes Schutzniveau ausreichend war. Was der Kläger zur allgemeinen, im Vergleich mit Neapel niedrigen Kriminalitätsrate in K. vorträgt, liegt neben der Sache.
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Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet der Beamte dem Dienstherrn auf Schadensersatz.











Es ist grob fahrlässig, ein Navigationsgerät über Nacht im Fahrzeug zu lassen, das auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt ist.


Vielleicht zeigt sich auch an diesem Fall, dass Gerichtsurteile nicht für die Ewigkeit gemacht sein können: Inzwischen gibt es ganz andere, insbesondere auch fest eingebaute Geräte.